1949 waren überall in Deutschland noch die Spuren der Zerstörung des Zweiten Weltkriegs zu sehen. Das Land lag in Trümmern. Wohnraum war knapp, die Infrastruktur musste wieder aufgebaut werden. Nachdem im Mai das Grundgesetz verkündet wurde, waren die Menschen zur Wahl der Abgeordneten des ersten Bundestags aufgerufen.
Als aussichtsreichste Parteien galten die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Kurt Schumacher und die CDU mit Konrad Adenauer. Im Wahlkampf ging es zum Beispiel um die Wiedervereinigung Deutschlands, aber auch um eine stärkere Annäherung der jungen Bundesrepublik an den Westen. Auch die Versorgung der Vertriebenen aus den ehemaligen Gebieten im Osten spielte eine wichtige Rolle.
Skeptischer Neubeginn
Der demokratische Neubeginn wurde von vielen Menschen mit Skepsis verfolgt, sagt der Historiker Benedikt Wintgens von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien im SWR1-Gespräch. Nach zwölf Jahren Diktatur und angesichts schwieriger Lebensverhältnisse wegen der überall noch sichtbaren Folgen des Kriegs war von Begeisterung für den demokratischen Aufbruch wenig zu spüren. Viele hatten im Krieg Angehörige verloren, tausende Männer waren noch in Kriegsgefangenschaft. Trotz der demokratischen Traditionen in Deutschland seit Mitte des 19. Jahrhunderts reagierten Menschen eher zurückhaltend auf die veränderten politischen Verhältnisse und Möglichkeiten.
"Der Eindruck, dass die Demokratie nicht nur neu ist, sondern natürlich auch ungefestigt ist und durch Praxis erworben werden muss, war sehr stark", sagt Wintgens. Außerdem wurden Schritte in Richtung Unabhängigkeit der Bundesrepublik kritisch gesehen. Viele fragten sich, was diese Schritte angesichts des Kalten Kriegs und der Teilung in Ost und West für die Einheit Deutschlands bedeuteten.
Demokratie in kleinen Schritten
Die Botschaft, die von dieser Wahl ausgeht, sei vielleicht in erster Linie, so Historiker Wintgens, "dass Politik, Demokratie und auch politische Teilhabe in einem demokratischen System sich in vielen kleinen Schritten vollzieht und vom Mitmachen lebt. Das sind keine festen Strukturen, die unverrückbar sind, sondern all das verändert sich ständig. Es sortierte sich damals völlig neu, … man prüfte, was sich bewährt hatte, und man veränderte, was sich nicht bewährt hatte. Das ist vielleicht auch die Botschaft, die von dieser ersten Bundestagswahl ausgeht: wenn man mitmacht – und dazu ist die Demokratie ja da – dann kann man auch die Dinge gestalten und im eigenen Verständnis in die Hand nehmen".
Auf dem Weg zu mehr politischer Eigenständigkeit
1949 trugen einige Daten zur Entstehung der Bundesrepublik Deutschland bei. So wurde am 23. Mai 1949 das Grundgesetz feierlich verkündet, das die verfassungsgebende Versammlung der westdeutschen Bundesländer, der Parlamentarische Rat, verabschiedet hatte. Das Datum gilt als Gründungsdatum der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem wurde Bonn zum "vorläufigen Sitz der Bundesorgane" bestimmt. Mitte August fand dann die erste Bundestagswahl statt. Konstituierende Sitzung des Bundestags war am 7. September, auch der Bundesrat, die Vertretung der Bundesländer, kam zum ersten Mal zusammen. Wenige Tage später wurde der FDP-Politiker Theodor Heuss von der Bundesversammlung zum ersten Bundespräsidenten gewählt.
Konrad Adenauer wird erster Bundeskanzler
Aus der Bundestagswahl ging schließlich die CDU/CSU mit 31 Prozent der Stimmen als Gewinnerin hervor. Die SPD folgte mit 29 Prozent. Der CDU-Politiker Konrad Adenauer wurde zum ersten Bundeskanzler gewählt. Er führte eine Regierungskoalition aus CDU/CSU, FDP und der nationalkonservativen Deutschen Partei an. Unter den 410 Abgeordneten waren damals 28 Frauen.
Nur eingeschränkte Souveränität
Trotz dieser Schritte hin zu mehr politischer Souveränität blieb die junge Bundesrepublik zunächst nur eingeschränkt eigenständig. Durch ein so genanntes "Besatzungsstatut" sicherten sich die westlichen Siegermächte USA, Großbritannien und Frankreich weitgehende Befugnisse. Vor allem militärische und außenpolitische Angelegenheiten wurden weiterhin von den Alliierten bestimmt.
Inzwischen tagen die Bundestagsabgeordneten im umgebauten Reichstagsgebäude in Berlin. Aber manches Ritual und sogar der eine oder andere akustische Akzent hat sich über die Jahrzehnte gehalten, so die Glocke der Bundestagspräsidentin, die die Abgeordneten zur Ordnung ruft, oder das (heutzutage digitalisierte) Geläut des Kölner Doms, das im Andachtsraum des Bundestags zum Gebet einlädt.