Sozialkunde-Lehrer kämpft gegen die Ohnmacht

Schülerinnen durch Krisen emotional belastet

Stand
Moderator/in
Hanns Lohmann
Hanns Lohmann
Onlinefassung
SWR1

Krieg und Krisen weltweit belasten uns. Für Kinder und Jugendliche ist das oft besonders schwierig. Ein Lehrer an einer Mädchenschule in Mainz erzählt, wie er damit umgeht.

Stefan Kraus unterrichtet an der Maria Ward-Schule in Mainz Sozialkunde, Biologie und Erdkunde. Im SWR1 Interview erzählt er, wie er Krisensituationen im Unterricht behandelt und dabei auf die Gefühle seiner Schülerinnen eingeht.

SWR1: Uns begegnen im Alltag immer häufiger Krieg und Krisen. Als Sozialkunde-Lehrer behandeln Sie das Thema häufiger im Unterricht. Wie erleben Sie das bei Ihren Schülerinnen, wie gehen die mit dieser Dauer-Krisen-Situation um?

Stefan Kraus: Im Allgemeinen sind Mädchen sehr feinfühlig. Dann sind sie auch sehr empathisch, auch schon relativ früh. Das heißt, sie fühlen sich dann auch in die Opfer von Gewalt sehr gut ein. Was ich bei uns mitbekomme, ist auch, dass sie sehr harmoniebedürftig sind. Sie werden zusätzlich noch von Gewalt und Streit emotional belastet. Da gibt es verschiedene Bewältigungsstrategien und die müssen sie halt möglichst in einer großen Bandbreite abfangen.

SWR1: Das heißt, da kommen Mädchen ganz persönlich zu Ihnen, sind emotional belastet und erwarten da vielleicht so eine Art pädagogische Seelsorge von Ihnen?

Kraus: So eine Erwartungshaltung habe ich jetzt noch nie mitbekommen. Aber es ist immer sehr gut, wenn Sie gerade im Sozialkunde- oder Politik-Unterricht auf die Mädchen zugehen. Also sagen, habt ihr von dem Ukraine-Krieg gehört oder jetzt gerade von der Konfliktsituation in Israel? Habt ihr davon gehört?

SWR1: Apropos Israel. Da hört man immer wieder, dass es in den Klassen auch stark unterschiedliche Meinungen gibt zur möglichen Verantwortung der Israelis langfristiger Art für diese Anschläge der Hamas. Wie wird das in Ihren Klassen diskutiert?

Kraus: Wir versuchen, beide Meinungen transparent zu machen. Das liegt auch daran, dass unsere Schule mit palästinensischen Gebieten sowie auch mit Israel Austausche pflegt. Also wir haben einen Austausch mit Haifa, und wir haben einen Austausch mit Jerusalem im palästinensischen Gebiet von Jerusalem. In den letzten Jahren und vor allen Dingen auch vor Corona war das eine sehr gute Möglichkeit für die älteren Schülerinnen, genau mit dieser Krisensituation in Kontakt zu kommen. Also mit palästinensischen Schülerinnen zu sprechen, und sie konnten dann am eigenen Leib erfahren, wie das Leben dort funktioniert.

Eine Schülerin sitzt deprimiert am Tisch.
Für Kinder und Jugendliche ist die emotionale Bewältigung von Kriegen und Krisen besonders schwer. Stefan Kraus von der Maria Ward-Schule geht gegen die Ohnmacht vor, indem er Optimismus und Hilfsbereitschaft vorlebt und den Kindern und Jugendlichen zeigt, wie sie helfen können, wenn sie es möchten.

Es ist wichtig, bei den Schülerinnen Optimismus zu verbreiten, damit sie nicht ohnmächtig sind.

SWR1: Diese nicht enden wollende Dauerkrise von Corona über Ukraine-Krieg bis zum Nahen Osten. Wie gehen Sie persönlich damit um? Sehen sich da so ein bisschen in der Pflicht, als Optimismus-Verbreiter durch das Schulgebäude zu gehen?

Kraus: Ja, absolut. Ich finde, das ist die richtige Herangehensweise, optimistisch darauf zu schauen. Wir haben ja verschiedene Altersstufen, da müssen wir anders versuchen, den Optimismus aufzuzeigen. Wir versuchen zu zeigen, dass es Menschen gibt, die sich um diesen Konflikt politisch kümmern. Aber auch Menschen, die sich humanitär kümmern.

Dann ist es auch meiner Erfahrung nach sehr schön, wenn sie Hilfsangebote anbieten können. Also wie sieht es aus, wollt ihr selbst mal helfen? Eine Kuchenaktion starten, Geld sammeln und das an humanitäre Einrichtungen spenden? Zum Beispiel im Ukraine-Krieg haben wir es UNICEF gespendet. Da ist es wichtig, bei den Schülerinnen Optimismus zu verbreiten, damit sie nicht ohnmächtig sind. Sie hören von dem, was da abläuft, können aber selbst nichts dagegen machen. Und wenn sie dann Alternativen anbieten können, dann hilft Ihnen das schon sehr, finde ich.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.

Mehr zum Thema Resilienz

Tipps von Resilienzforscherin Dr. Donya Gilan Wie wir mit Krisen umgehen können

Momentan häufen sich negative Nachrichten. Dazu kommen unsere Alltagssorgen. Resilienzforscherin Dr. Donya Gilan gibt Tipps, um die eigene Resilienz zu stärken.

Guten Morgen RLP SWR1 Rheinland-Pfalz

Psychologie Krieg, Corona, Klimakrise – Wie bleiben junge Menschen resilient?

Studien zeigen: Die Krisen der vergangenen Jahre haben junge Menschen besonders stark belastet. Woran das liegt und was sich gegen das Gefühl der Ohnmacht tun lässt.

SWR2 Wissen SWR2

Psychologie Wie wir Krisen bewältigen – Resilienz und ihre Grenzen

Widerständen trotzen und durch Krisen gehen – die Superkraft der Psychologie heißt Resilienz. Haben wir alle das Zeug zum Stehaufmenschen und ist das überhaupt das Ziel?

SWR2 Wissen SWR2

Mehr Interviews

Verlust bei jedem Medikamenten-Verkauf Apothekensterben: Darum steht Apothekerin Julia Sachse vor dem Aus

Dr. Julia Sachse, Inhaberin einer Apotheke in Mainz hat mit Michael Lueg über das Apothekensterben und wie es dazu kam, dass sie unverschuldet vor dem Aus steht gesprochen.

Guten Morgen RLP SWR1 Rheinland-Pfalz

Kommunikationstrainerin Stefanie Voss Einfache Tipps für Resilienz im Alltag

Resilienz hilft uns dabei Widerständen zu trotzen und durch Krisen zu gehen. Wie ihr eure Resilienz im Alltag stärken könnt, weiß Kommunikationstrainerin Stefanie Voss.

Guten Morgen RLP SWR1 Rheinland-Pfalz

Mehr Bürgerbeteiligung und Umweltverträglichkeit Stadtplanerin: So lassen sich Innenstädte attraktiver gestalten

Die Innenstädte stehen vor erheblichen Herausforderungen. Wie sie attraktiv gestaltet werden können und worauf es dabei ankommt, weiß Stadtplanerin Kristina Oldenburg.

Aktuell um 12 SWR1 Rheinland-Pfalz