Die neue SWR Dokumentation "Notfall Rettung - wenn die Hilfe versagt" zeigt, dass in manchen Teilen von Rheinland-Pfalz die Notfallrettung deutlich schlechter klappt, als in anderen Regionen. Wir haben mit Patrick Hünerfeld, dem Autor der Doku, darüber gesprochen, was genau im Südwesten schief läuft. Hünerfeld ist Arzt und Wissenschaftsjournalist beim SWR.
SWR1: Es könnten mehr Menschen einen Herzstillstand überleben, wenn die Notfallrettung bei uns in Rheinland-Pfalz besser funktionieren würde. Woran hängt es?
Hünerfeld: Es ist eine ganze Reihe von Problemen. Es beginnt in der Leitstelle, wo man mit der Notruf-Nummer 112 anruft. Da funktioniert die Notrufabfrage nicht optimal. Und wenn da nicht verlässlich schnell erkannt wird, dass es wirklich ein lebensgefährlicher Notfall ist, dann ist die Alarmierung zu spät.
ARD Story und SWR Themenschwerpunkt „Notfall Rettung – Wenn die Hilfe versagt“
ARD Story und SWR Themenschwerpunkt zur Notfallversorgung in Deutschland / am 16. und 17. Juli 2024 im Ersten, in der ARD Mediathek, im SWR und auf SWR.de
Da wird dann nicht mit einer Telefon-Reanimation begonnen. Das bedeutet, dass der Leitstellendisponent sagt: "Jetzt mal den Patienten auf den Rücken legen und drücken." Das ist das Allerwichtigste, damit der Mensch überleben kann.
Und es werden auch keine Ersthelfer im Hintergrund alarmiert, da geht wertvolle Zeit verloren. Schon nach drei Minuten hat das Hirn erste Schäden, wenn es einen Sauerstoffmangel durch einen Herz-Kreislauf-Stillstand hat. Das heißt, da kommt es tatsächlich auf jede Sekunde an.
Dazu kommt, dass der flächendeckende Rettungsdienst nicht schnell genug für solche schweren Notfälle wie dem Herz-Kreislauf-Stillstand ist. Es zählt jede Sekunde. Hier zeigt sich, wie gut die Notfallrettung ist. Und vielerorts ist sie leider nicht gut.
Exklusive Daten-Recherche zur Notfallrettung Woche der Wiederbelebung: Ob man überlebt, hängt auch vom Ort ab
In der Woche der Wiederbelebung rückt die Reanimation näher in den Fokus. Tausende Menschen in Deutschland könnten jedes Jahr gerettet werden. So ist die Lage in Rheinland-Pfalz.
SWR1: Warum ist die Nofallrettung in Rheinland-Pfalz oft nicht schnell genug?
Hünerfeld: Es liegt – das ist das Wichtigste – nicht an den Rettern. An den Menschen, die sich jeden Tag dafür einsetzen, Menschenleben zu retten, liegt es nicht. Es liegt an den Strukturen, in denen sie arbeiten müssen. Wir haben keine einheitlichen hohen Standards, die fehlen bei uns. Jedes Land macht seine eigenen Vorgaben. Das ist eine richtige Kleinstaaterei, die letztlich aus meiner Sicht tatsächlich Menschenleben kostet.
Dazu kommt, dass der Rettungsdienst massiv überlastet ist. Der ist der Ausputzer in unserem Gesundheitssystem. Ganz viele Menschen, denen sonst nirgends geholfen wird, landen bei der 112 – dann kommt der Rettungsdienst. Das sind zu viele Einsätze, die keine echten Notfälle sind. Und dann fehlen die Retter, wenn wirklich ein Notfall da ist.
SWR1: Wo klappt es in Rheinland-Pfalz mit der Notfallrettung am besten und wo am schlechtesten?
Hünerfeld: Ich will jetzt keine einzelne Region herausgreifen und "bashen". Auf der anderen Seite kann man ja im Netz unter SWR.de/notfallrettung schauen, wie es bei jedem vor Ort aussieht, wo es gut läuft, wo es schlecht läuft.
SWR Doku #NotfallRettung: Trailer ansehen
Aber insgesamt kann man sagen, dass es in Rheinland-Pfalz nur wenige Bereiche gibt, in denen es wirklich gut läuft. Viel Mittelmaß. Und Mittelmaß ist halt zu wenig, wenn es um Leben und Tod geht.
Das fängt schon bei den Vorgaben an. 15 Minuten steht im Gesetz, aber das ist die Fahrtzeit. Und wenn man dann dazurechnet, wie das ab dem Notruf ist, dann reden wir von 19 Minuten, die in Rheinland-Pfalz zulässig sind. Und das ist viel zu lang.
Es gibt viele Verbesserungsmöglichkeiten in Rheinland-Pfalz, und zum Teil passiert auch schon etwas. Aber was wir vor allem auch brauchen, ist eine Gesundheitsleitstelle. Bisher kommt bei uns bei der 112 der Rettungswagen oder der Notarzt oder der Heli. Was anderes haben wir nicht.
Lernen von der Notfallrettung in Österreich
Wir waren Niederösterreich, da kriegt man auch eine Gesundheitsberatung oder Arzttermin. Das heißt, ganz viel von den Sachen, die bei uns den Rettungsdienst verstopfen, werden da abgefangen. Davon kann man lernen. Das kann man machen. Das brauchen wir, damit die Retter das machen können, was sie am besten können, nämlich Leben retten.
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Die SWR Doku #NotfallRettung läuft am 17.07. im SWR Fernsehen.
SWR Data Lab: # NotfallRettung: So klappt die Notfallrettung bei Dir
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.