Wenn Krebs mit Globuli behandelt wird

"Auch in solch schwierigen Situationen können wir etwas tun"

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Moderator/in
Michael Lueg
SWR1-Moderator Michael Lueg

Viele Menschen glauben weiterhin fest an die Wirkung von homöopathischen Mitteln – selbst wenn es um die Behandlung von Krebs geht. Jutta Hübner begegnet solchen Patienten bei Ihrer Arbeit als Professorin für Integrative Onkologie.

Prof. Dr. med. Jutta Hübner ist Professorin für Integrative Onkologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie ist bereits vielen Patienten begegnet, die auf Homöopathie vertraut haben, um Ihre Krankheiten zu behandeln. Doch auch wenn Patienten erst spät zu ihr kommen, kann etwas für sie getan werden, sagt Hübner im SWR1 Interview.

SWR1: Integrative Onkologie, das bedeutet, Sie behandeln krebskranke Menschen ganzheitlich. Wie muss man sich das vorstellen?

Jutta Hübner: Das kommt ganz darauf an, was der Patient für eine Krankheitssituation und was er für Fragen hat. Grundsätzlich berücksichtigen wir die eigentliche Tumortherapie. Wir optimieren Nebenwirkungsmanagement, damit es den Patienten möglichst gut geht, informieren über ganz wichtige Sachen, wie ausgewogene Ernährung und viel Bewegung. Dann schauen wir, ob wir noch naturheilkundlich etwas beisteuern können. Und ich glaube, das Schlüsselelement ist, wir reden verständlich mit den Patienten

SWR1: Kommt es vor, dass krebskranke Menschen in Ihre Abteilung kommen, die versucht haben, sich mit homöopathischen Mitteln zu heilen?

Hübner: Ja, das kommt vor. Wenn Sie jetzt wissen wollen, wie häufig, weiß ich es auch nicht. Was viel häufiger ist – und das ist mir eine wichtige Botschaft –, dass sie versuchen, Nebenwirkungen von Tumortherapien oder durch den Krebs durch homöopathische Mittel wegzubekommen. Und das funktioniert nicht über den Placebo-Effekt hinaus. Deshalb leiden sie eine unnötig lange Zeit, weil sie sich nicht an die guten Medikamente, zu denen wir wissenschaftliche Nachweise haben, rantrauen.

SWR1: Jetzt gibt es aber auch Menschen, die glauben selbst daran, dass über die Homöopathie Krebs sogar geheilt werden könnte. Das ist ja noch gefährlicher...

Hübner: Das ist natürlich blitzgefährlich, solch eine Ansicht ist letztendlich tödlich. Ich glaube sogar, dass viele Menschen, wenn ihnen das von jemand glaubwürdigen gesagt wird, das auch wirklich glauben. Den wenigsten Menschen ist klar, was hinter Homöopathie steckt. Fast alle glauben, dass sei Naturheilkunde. Das stimmt nicht, da ist gar keine Natur drin.

SWR1: Was ist es genau?

Hübner: Das sind Substanzen, die teilweise aus der Natur, aber auch aus ganz anderen Bereichen kommen, die so stark verdünnt sind, das von der Ausgangssubstanz überhaupt nichts mehr drin ist.

SWR1: Was sagen Sie Patienten, wenn die zu spät zu ihnen kommen? Sie haben es homöopathisch probiert und sind jetzt nicht mehr zu retten.

Hübner: Ganz wichtig ist, auf keinen Fall zu schimpfen oder Vorwürfe zu machen. Sie haben schon genug mit sich gerungen, sich her zu trauen. Und eine ganz wichtige Botschaft: auch in solch einer schwierigen Situation können wir für die Patienten etwas tun. Wir können sie begleiten, wir können unterstützen. Wir schauen, ob wir den Krebs nochmal für eine Zeit, vielleicht sogar eine längere Zeit aufhalten können. Wir können Beschwerden körperlicher, aber auch seelischer Art lindern? Und einfach dabei sein ist extrem wichtig.

Der Placebo-Einsatz von Globuli ist extrem gefährlich.

SWR1: Haben Sie Verständnis für Menschen, die zumindest denken, sie hätten eine positive Erfahrungen mit Globuli gemacht?

Hübner: Absolut. Das zeigen sogar eigene Forschungsergebnisse. Das war der Punkt, wo ich beschlossen habe, niemals Globuli als Placebo einzusetzen. Menschen machen sehr häufig bei Bagatellerkrankungen -Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen - positive Erfahrungen mit Placebos, also auch mit Globuli. Dann glaubt man an die Wirkung. Man glaubt ja nicht an die Wirkung des Placebos. Und dann probiert man das auch in einer ernsthaften Situation erst Mal damit aus. Deshalb ist der Placebo-Einsatz von Globuli extrem gefährlich.

SWR1: Warum kann Homöopathie bei Krebs nicht helfen?

Hübner: Nun, durch diese starken Verdünnungsschritte ist tatsächlich kein eigentliches Wirkstoffmolekül mehr drin. Placebo-Wirkungen sind ja innere Überzeugungen, die dazu führen können, dass zum Beispiel Schmerzen von einfacher Art weggehen können oder man sie nicht mehr so stark wahrnimmt. Aber eine schwerwiegende Erkrankung wie eine Tumorerkrankung kann alleine durch eine innere Überzeugung nicht verschwinden. Das müssen wir einfach wissen und das müssen wir Patienten auch ehrlich sagen.

SWR1: Wissen denn die Patienten, die auf Homöopathie setzen, dass es um Placebo geht? Oder glauben sie, dass diese verdünnten Stoffe tatsächlich helfen?

Hübner: Sie glauben das wirklich, weil die meisten Menschen noch nicht mal wissen, dass das so stark verdünnte Substanzen sind. Zum Beispiel verstehen sie nicht die Aufschriften D oder C und dann kommt dahinter eine Zahl. Und sie verstehen auch die lateinischen Bezeichnungen, was eigentlich drin ist, überhaupt nicht. Es gibt zum Beispiel, sogar in einer Studie angewandt, angebliche Röntgenstrahlen, die dann homöopathisch verdünnt sind. Man kann Röntgenstrahlen aber gar nicht in ein Gläschen einfangen. Dadurch, dass die Leute gar nicht eine Chance haben, es zu verstehen, werden die eigentlich betrogen.

SWR1: Warum ist das dann eigentlich erlaubt? Warum gibt es Menschen, die damit Geld verdienen?

Hübner: Es ist deshalb erlaubt, weil es in Deutschland auf politischem Wunsch heraus gesetzgeberisch zu sogenannten "besonderen Therapierichtungen" erklärt wurde. Das heißt, es unterliegt nicht wie andere Therapien und Medikamenten, einer Überprüfung und der sogenannten Feststellung: liegt ein wissenschaftlicher Nachweis vor, dass es funktioniert und dass der Nutzen höher ist als der Schaden. Die besonderen Therapierichtungen, da beurteilen Experten, die Anhänger dieser Therapierichtung sind, ob man das traditionell erfahrungsgemäß in ihrem Fach so macht. Eine kritische Stellungnahme dazu gibt es nicht in dem Sinne, dass das darüber entscheidet, ob dem Patient das angeboten werden kann oder nicht.

SWR1: Im Grunde müssten Sie doch in ihrem Job verzweifeln über diese homöopathischen Anwendungen in Tumorfällen.

Hübner: Das kommt darauf an, welche innere Einstellung man hat. Ich verzweifle nicht selten im Einzelfall, weil mir die Patienten unendlich leid tun. Man hätte ihnen viel früher helfen können. Auf der anderen Seite haben wir einfach die bessere Botschaft. Wir dürfen uns nicht in die Situation wir wären gegen etwas drängen lassen, sondern wir müssen immer wieder deutlich öffentlich und den einzelnen Patienten sagen, wir haben gute Medizin heutzutage in Deutschland, und wir haben auch eine ganzheitliche Medizin, aber bitte mit wissenschaftlichen Standards.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.

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