Diskussion über Handys an Schulen

Handyverbot? Kinder tricksen mit Zweithandy

Stand
Moderator/in
Michael Lueg
SWR1-Moderator Michael Lueg
Onlinefassung
SWR1

Was bringt ein Handyverbot an Schulen? Schuldirektor Oliver Pick erzählt, was sich Kinder einfallen lassen, um trotzdem an ihr Handy zu kommen.

Ist ein generelles Verbot von Smartphones an Schulen sinnvoll? In Schweden ist das für Schulen bis zur 9. Klasse in Planung, aber auch umstritten. Wir haben darüber mit Oliver Pick gesprochen. Er ist Direktor an einer Grundschule und stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands Bildung und Erziehung in Rheinland-Pfalz. Er berichtet, dass Kinder sehr erfinderisch werden, wenn es ums Handy geht. 


SWR1: Hätten Sie als Schüler ihr Handy lieber dabei?

Oliver Pick: Ja, heutzutage glaube ich schon.

SWR1: Und was halten Sie als Lehrer und Schulleiter von einem möglichen Handyverbot an Schulen?

Pick: Das kommt ganz darauf an, welche Altersklasse das ist, in welcher Form das auch gelebt wird und welche Regeln es dazu vielleicht auch schon gibt. Aber völlig unreguliert ist es im Moment ein ganz schwieriges Thema.

SWR1: Bei welchen Altersklassen würden Sie das Handy verbieten und wo würden Sie es erlauben?

Pick: Ich bin Leiter einer Grundschule, und dort würde ich es auf jeden Fall verbieten. In der weiterführenden Schule müsste man auf jeden Fall Regelungen mit den Kindern treffen. Sei es, dass man die Handys vor dem Unterricht abgibt. Jede Schule regelt das auch mittlerweile anders. Ich weiß von Berufsbildenden Schulen, die tatsächlich mit ihren Schülern Absprachen getroffen haben. Das ist bei uns im Land ganz unterschiedlich geregelt.

Kinder müssen Umgang mit Internet erlernen

SWR1: Die Schweden begründen ein Verbot mit dem schlechteren Abschneiden bei der PISA-Studie und Konzentrationsschwächen, die durch die Smartphones entstehen würden. Deutschland steht bei PISA noch schlechter da als Schweden. Welche Schuld tragen denn die Smartphones wirklich daran?

Pick: Man verlässt sich zu sehr auf sein Smartphone. Jetzt kommt auch noch Künstliche Intelligenz mit ins Spiel. Auch da, glaube ich, verspricht sich der eine oder andere Unterstützung und Hilfe beim Erledigen von Hausaufgaben oder Referaten. Das eigene Nachdenken und Arbeiten kommen da zu kurz. Dafür muss man Lösungen finden.

Ich weiß, dass Dänemark ein Stück weitergeht und dass man trainiert, dass Google und das Internet uns mit Wissen weiterhelfen können. Wir müssen Schüler auch dazu befähigen, zu wissen: Wo holen wir es her, in welchem Kontext suchen wir uns das heraus? Es gibt in anderen Ländern ganz andere Ansätze. Man muss dem Thema nicht immer gleich mit einem generellen Verbot begegnen.

Hohentengen

Kinder und Smartphones Handy-Verbot für Grundschüler - Was ist der richtige Zeitpunkt fürs erste Handy?

Ab welchem Alter sollten Kinder ein Smartphone bekommen? Diese Frage drängt sich aktuell stärker auf denn je. Im Kreis Sigmaringen gehen einige Eltern nun einen ganz eigenen Weg.

SWR1: Wie groß ist denn die Gefahr, dass jemand etwas über Google für den Unterricht recherchiert und dann doch wieder beim TikTok-Video hängenbleibt?

Pick: Ich glaube, die Versuchung ist sehr groß. Und wenn man sieht, wie die Nutzerzahlen gerade bei diesen Plattformen wie TikTok sind, verlockt es schon sehr. Es ist eine der Aufgaben der Schule, dafür zu sensibilisieren, einen sinnvollen Umgang mit solchen Endgeräten zu haben.

Wir machen in der Grundschule im Bereich "Arbeiten mit Tablets" auch nichts anderes. Wir sensibilisieren dafür, wie ein sinnvoller Umgang mit einem solchen Endgerät aussieht und wann es nicht mehr sinnvoll oder vielleicht auch zu viel ist.

In anderen Ländern versucht man, die Digitalisierung ein bisschen zurückzuschrauben, weil man gemerkt hat, dass das einfach zu weit gegangen ist. Ein sinnvoller Umgang damit muss gelernt werden, sowohl auf Lehrer- und Schulseite als auch bei den Schülern. Da muss es vernünftige Regelungen geben.

Frühe Sensibilisierung hilft

SWR1: Auch Mobbing mit Handyfilmen und Bildern unter Schülern ist ein großes Problem. Inwieweit könnte ein Smartphone-Verbot das lösen?

Pick: Das ist total schwierig. Wir haben da eine Büchse geöffnet, da ist gesellschaftlich so viel in Bewegung. Wir machen aber auch in der Schule die Erfahrung, dass Kinder den Trend zum Zweithandy entdeckt haben. Es wird eine Attrappe abgegeben und ein Zweithandy an einer anderen Stelle deponiert. Es gibt Jugendliche, die lassen sich extra lange Haare wachsen, um sich Airpods in die Ohren zu stecken, um mit dem Handy verbunden zu sein. Für jedes Problem gibt es eine neue Lösung.

Kinder haben den Trend zum Zweithandy entdeckt. Es wird eine Attrappe abgegeben und ein Zweithandy an einer anderen Stelle deponiert.

Ja, das Thema Mobbing ist mit Sicherheit ein großes, großes Thema. Und es fängt auch schon im Grundschulbereich an. Wir machen auch schon die Erfahrung, dass die Kinder in der Regel zur Kommunion das erste gebrauchte Smartphone erhalten. Und dann stellen sich diese Probleme: Was schreibe ich meinen Freunden? Und wie schreibe ich meinen Freunden?

Wir bieten also im Grundschulbereich auch schon an, Internetführerscheine zu machen. Also wirklich diese Kinder schon zu sensibilisieren, was schreibe ich da überhaupt und welche Auswirkungen hat das? Und auch Eltern zu sensibilisieren, dass man da einen Blick drauf hat, dass man sich das Handy mal zeigen lässt, das geht in diesen Altersklassen ja noch. In späteren Altersgruppierungen ist es deutlich schwieriger, das wieder einzufangen. Je früher man dafür sensibilisiert, umso leichter ist es später, darauf noch einmal auszubauen und anzuknüpfen.

Das Interview führte SWR1 Moderator Michael Lueg.

Der Handy-Check von Checker Tobi

Mehr über Handys an Schulen

Cyberexperte Thomas-Gabriel Rüdiger Gefahren im Netz für Kinder und Jugendliche

Viele Eltern machen sich Sorgen um die Sicherheit ihrer Kinder im Internet. Thomas-Gabriel Rüdiger ist Cyberkriminologe und gibt Tipps für den sicheren Umgang mit dem Internet. 

Guten Morgen RLP SWR1 Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz

Großbritannien plant komplettes Verbot Handyverbot an Schulen? RLP hält das für "nicht umsetzbar"

Smartphones komplett raus aus der Schule? In Rheinland-Pfalz stößt diese Idee auf breite Ablehnung. Nicht nur das Bildungsministerium ist gegen ein generelles Handyverbot an Schulen.

Der Tag in RLP SWR1 Rheinland-Pfalz

Bildung Schweden: Viele Schulen kehren zurück zu Heft und Buch

Schwedische Kinder gehen mit wenig Gepäck in die Schule. Denn viele Unterrichtsmaterialien stehen im Netz, auch die Hausaufgaben. Kinder bekommen ihre iPads und Laptops von den Schulen gestellt. Doch inzwischen gibt es viel Kritik an der Digitalisierung. Forschende warnen: Die Lernkompetenz insgesamt gehe stark zurück. Schwedens Regierung will deshalb wieder mehr klassische Unterrichtsmaterialen in den Schulen sehen.

SWR2 Impuls SWR2

Mehr Interviews

Selbstverteidigung und Schrillalarme Unsicherheit im Dunkeln: So könnt ihr euch vorbereiten und schützen

Im Dunkeln allein unterwegs zu sein, verunsichert vor allem Frauen. Wie man sich auf kritische Situationen vorbereiten kann, weiß Susanne von Essen vom Polizeipräsidium Mainz.

Der Vormittag SWR1 Rheinland-Pfalz

Unkel

320 Kilometer in 80 Stunden Katharina läuft für Kinder mit halbem Herzen

Katharina Hauptvogel läuft 320 Kilometer in 80 Stunden für Kinder mit halbem Herzen. Dabei sammelt sie Spenden. Wir haben mit ihr auf dem Rheinsteig gesprochen.

Guten Morgen RLP SWR1 Rheinland-Pfalz

Wenn Eltern und Kind traumatisiert sind So unterstützt eine Psychotherapeutin die Eltern von Frühchen

Wenn das eigene Kind zu früh auf die Welt kommt, bedeutet das oft Sorgen und große Ängste. Psychotherapeutin Sabine Ihle unterstützt Eltern mit Frühchen nach der Geburt.

Der Nachmittag SWR1 Rheinland-Pfalz