Erstaufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsunterkünfte platzen zunehmend aus allen Nähten. Der Unmut in der Bevölkerung wächst. Woher sollen die Kommunen das Geld für eine angemessene Versorgung und Unterbringung von Asylsuchenden nehmen? Wir haben darüber mit Landrat Achim Schwickert aus dem Westerwaldkreis gesprochen und ihn gefragt, was jetzt getan werden muss.
SWR1: Als Landrat haben Sie viel Kontakt mit Rheinland-Pfälzern. Wie nehmen Sie die Stimmung jetzt bei den Westerwäldern wahr, wenn es um das Thema Migration geht?
Achim Schwickert: Die Leute machen sich insofern Gedanken und sagen: "Das kann so nicht weitergehen." Wenn wir in diesem Jahr in Deutschland 300.000 Menschen aufnehmen und im nächsten Jahr dann vielleicht 400.000, wird das nicht mehr funktionieren. Diese Grundstimmung ist da, und die ist auch nicht mehr wegzubekommen.
SWR1: Finanzminister Lindner sagt, es sei offensichtlich, dass unser Sozialstaat mit seinen im europäischen Vergleich sehr hohen Leistungen wie ein Magnet wirkt – selbst für diejenigen, die gar kein Aufenthaltsrecht haben. Also Sozialleistungen für Migranten kürzen, um Deutschland als Einwanderungsland weniger attraktiv zu machen? Ist das eine gute Idee?
Schwickert: Es ist zumindest eine Idee, die in die richtige Richtung läuft. Es gibt allerdings dabei auch rechtliche Hürden, die man berücksichtigen muss. Aber die Einführung einer bundesweiten Bezahlkarte – und darauf eventuell noch Taschengeld – geht in die richtige Richtung sowie auch das Absenken der Sozialstandards auf das rechtlich zulässig Mögliche. Und auch die Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit für Asylsuchende, sobald sie am ersten Tag auf die Kommunen verteilt werden.
SWR1: Die Ideen, die Sie jetzt haben, um dieses Problem in den Griff zu kriegen, liegen schon länger auf dem Tisch. Glauben Sie, dass ausgerechnet jetzt davon etwas umgesetzt wird?
Schwickert: Sie sprechen einen wunden Punkt an. Die letzten Spitzengespräche zwischen Bund und Ländern gab es im Mai. Anschließend sind wir als Kommunen darüber informiert worden, was da herauskommen ist. Dann hatten wir zunächst mal den Wunsch, vom Land vorher informiert zu werden, das macht das Land jetzt heute.
Beratungen über Zuwanderung nach Rheinland-Pfalz Flüchtlingskosten: Dreyer und Kommunen appellieren an Bund
Die Landesregierung will mehr Flüchtlinge auf die Kommunen verteilen als bisher. Viele Städte halten jedoch die Möglichkeiten für erschöpft. Wie es in Rheinland-Pfalz bei der Zuwanderung weitergehen könnte, darüber beraten heute Spitzen von Land und Kommunen in der Staatskanzlei.
Die Forderungen, die aufgestellt sind, haben wir quasi im Mai schon formuliert, weil wir gesagt haben: "Wenn das so weiterläuft, wie das zu erwarten ist, werden wir in diese ganzen Probleme hineinlaufen." Damals hieß es: "Nein, wir machen erst im November wieder ein Treffen, und dann reden wir weiter." Es ist jetzt viel zu spät.
Zwischenzeitlich ist allerdings aus meiner Sicht der politische Druck durch einige Landtagswahlen so immens geworden, sodass auch der Bund Dinge unternimmt, die er vor einem halben Jahr noch kategorisch ausgeschlossen hat. An der Stelle merke ich dann schon eine Änderung. Allerdings darf die nicht nur aus Worten bestehen, sondern auch aus Taten.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.