Die Depression ist nicht nur eine schwere Last für die Betroffenen selbst, die mit Antriebslosigkeit, verlorenem Interesse und sozialem Rückzug zu kämpfen haben, sondern stellt auch für die Angehörigen eine große Herausforderung dar. Die Hilflosigkeit, die Partnerinnen und Partner empfinden können, wenn sie mit dieser Krankheit konfrontiert werden, ist oft groß.
Wie können sie unterstützen? Was ist der richtige Umgang mit der Erkrankung? Darüber haben wir mit Prof. Christine Rummel-Kluge gesprochen. Sie ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.
Die richtige Unterstützung bei Depression
SWR1: Nehmen wir mal an, jemand meiner Angehörigen ist an Depression erkrankt. Wie kann ich ihn oder sie am besten unterstützen?
Christine Rummel-Kluge: Da gibt es sehr viele Dinge, die sie tun könnten. Sich gemeinsam über die Erkrankung Depression zu informieren, wäre ganz wichtig. Ihn beispielsweise zu Arztbesuchen ermutigen, eventuell sogar auch dorthin begleiten.
Stress vermeiden ist ein ganz wichtiger Punkt sowie das positive Selbstbild zu unterstützen. Das ist für viele Betroffene ein ganz großes Thema. Da können tatsächlich die Partner und Partnerinnen sehr hilfreich sein.
Was ganz praktisch hilft, ist, den Tagesablauf zu strukturieren. Dabei sind zum Beispiel auch Sport und Bewegung wichtig. Man kann gemeinsam etwas ausmachen, dann gelingt es auch besser, das tatsächlich umzusetzen.
SWR1: Viele Depressionskranke müssen erst einmal davon überzeugt werden, sich professionelle Hilfe zu suchen. Wie kann man das unterstützen?
Rummel-Kluge: Manchmal braucht es Selbstüberwindung, den Betroffenen anzusprechen. Aber es ist ganz wichtig, dem oder der Betroffenen zu sagen, was ihnen an dem Verhalten aufgefallen ist, welche Veränderungen sie bemerkt haben und dass sie sich deswegen Sorgen machen. Dann können sie Hilfe anbieten, Ihre Besorgnis ausdrücken. Das kann zum Beispiel die Hilfe beim Besuch beim Hausarzt oder der Hausärztin sein.
Es kann auch hilfreich sein, einen Online-Selbsttest durchzuführen. Das Ergebnis schwarz auf weiß zu lesen trägt manchmal auch dazu bei, dass die Betroffenen ihre Symptome ernster nehmen.
Kommunikation bei Depression
SWR1: Was sollte ich als Angehöriger oder Freund besser vermeiden?
Rummel-Kluge: Vielleicht eher positiv ausgedrückt, wählen sie eine positive Kommunikation. "Ich"-Botschaften sind zum Beispiel sehr wichtig, um konstruktiv miteinander sprechen zu können und nicht in Vorwürfe zu verfallen. Das heißt, dass ich sage, "Ich mache mir Sorgen um Dich" und nicht "Du bist den ganzen Tag schlecht drauf". Der Kern der "Ich"- Botschaft ist, dass ich bei mir bleibe.
Auch der Ort für ein Gespräch kann zum Beispiel sehr viel zum guten Gelingen beitragen. Wenn sie zusammen in der Natur unterwegs sind, einen Spaziergang machen, dann gelingt es oft besser. Man kann da zum Beispiel auch besser Schweigen aushalten, wenn das für den Betroffenen gerade schwierig ist, überhaupt zu sprechen. Man kann aber auch besser ins Gespräch kommen, wenn man unterwegs ist.
Kindern Depression erklären
SWR1: Wie verändert das die Situation, wenn kleinere Kinder im Spiel sind?
Rummel-Kluge: Wenn kleinere Kinder im Spiel sind, ist es aus meiner Sicht ganz wichtig, den Kindern zu erklären, was gerade los ist. Kinder neigen dazu, die Schuld bei sich zu suchen und sich selbst für Dinge verantwortlich zu machen, für die sie gar nicht verantwortlich sind.
Mentale Gesundheit Eine Depression betrifft die ganze Familie
Eine neue Studie zeigt: 45 Prozent der Menschen in Deutschland sind von Depression betroffen. Entweder direkt aufgrund einer eigenen Erkrankung oder indirekt als Angehöriger. Das hat die Stiftung Depressionshilfe in einer repräsentativen Befragung erfahren.
Je nach Alter der Kinder gibt es da verschiedene Möglichkeiten. Bei jüngeren Kindern sollte es vor allem darum gehen, zu beschreiben, was gerade mit dem betroffenen Elternteil los ist. So etwa in der Art "Papa hat gerade eine Krankheit. Die macht, dass er traurig ist und im Moment nicht so lange spielen kann". Da kann man zum Beispiel auch Bilderbücher nutzen, um das besser erklären zu können.
Die eigenen Grenzen nicht überschreiten und Hilfe suchen
SWR1: Wenn der gesunde Partner im Umgang mit einer zum Beispiel depressionskranken Partnerin an seine eigenen Grenzen gerät, wie kann man damit am besten umgehen?
Rummel-Kluge: Da ist sehr wichtig, die eigenen Grenzen zu akzeptieren und auch für sich selbst Unterstützung zu suchen. Das kann zum Beispiel in Form einer Selbsthilfegruppe sein, aber es kann gegebenenfalls auch notwendig werden, für sich selbst professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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Depression in Beziehungen: Wie ihr mit Näheverlust und Missverständnissen umgehen könnt
SWR1: Der Umgang mit einer Depression kann auch eine Beziehung vor unerwartete Herausforderungen stellen. Emotionale und körperliche Nähe werden häufig vernachlässigt. Wie lässt sich damit umgehen?
Rummel-Kluge: Hier ist es auch wichtig, dieses Thema offen anzusprechen, um dann gemeinsam damit umgehen zu können. Es kann ein Symptom der Depression sein, dass ein Betroffener zum Beispiel wenig Interesse an körperlicher Nähe hat. Und auch, wenn es vielleicht schwerfällt, hier ist es wichtig nachzufragen, das offen anzusprechen. Und zu fragen, wie es dem anderen damit geht. Nur damit können dann auch Missverständnisse, unbegründete Sorgen oder Ängste beseitigt werden.
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Das Interview führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.