Wunscherfüllung: "Einmal im Leben den Faustturm in Maulbronn von innen sehen"

Stand
Autor/in
Petra Wilhelm

Seit Jahrzehnten schaut SWR1 Redakteurin Petra Wilhelm, geboren in Maulbronn, sehnsüchtig zum Faustturm in der Klosteranlage hoch und denkt: "Da oben würd' ich gerne wohnen!".

Kloster Maulbronn ist UNESCO Weltkulturerbe

Das Kloster in Maulbronn ist weltweit bekannt und ein Touristenmagnet. Den Faustturm, einen Sandsteinturm mit Fachwerkaufbau ganz am östlichen Rand der Klosteranlage, kennt aber fast keiner. Für die Öffentlichkeit ist er nicht zugänglich. Aber wenn der Ephorus, der Leiter des evangelischen Stifts im Kloster, den einzigen Schlüssel herausholt, dann steht dem Aufstieg in geschichtsträchtige Höhen nichts mehr im Weg.

Schon im Garten des mächtigen Ephoratsgebäudes beginnt eine andere Welt: Zierbeete, Obstbäume und im waldigen Teil, dicht an der Wehrmauer: der Turm. Die schwere Holztür ist verdeckt von einem Gingko-Baum, an dem eine Schaukel baumelt. Mit Ephorus Gerhard Keitel steigt Petra Wilhelm im runden, 1604 angebauten Treppentürmchen nach oben und erhascht alle paar Meter durch die Butzenscheiben einen Blick auf Kloster und Garten.

Ein wehrhafter Turm mit An- und Aufbau

Ein Stück weiter oben führt eine Tür hinaus auf die Wehrmauer und nach zwei Schritten hinein in den alten Turm aus Buckelquadern, dunkel und kalt. Im Boden eine Falltür. »Die führt dann weiter in eine Treppenanlage mit steilen Leitern - da waren dann früher die Soldaten, die das Kloster bewacht haben«, erklärt Gerhard Keitel. 1504 nahm Herzog Ulrich von Württemberg das Kloster trotzdem ein.

Der Faustturm im UNESCO Weltkulturerbe Kloster Maulbronn
Eingebettet in die Befestigung der Anlage des Klosters Maulbronn: der Faustturm. Grundfläche 6.35 x 6.40 Meter, Höhe 23.4 Meter. Bild in Detailansicht öffnen
Der Faustturm im UNESCO Weltkulturerbe Kloster Maulbronn
Der untere Teil des Wehrturms wurde 1300 erbaut, 1504 gab es einen Aufstockung, 1604 wurde der obere Fachwerk-Teil, der "Lustthurm" aufgesetzt und das Treppentürmchen angebaut. Bild in Detailansicht öffnen
Der Faustturm im UNESCO Weltkulturerbe Kloster Maulbronn
Fachwerk ziert den Aufbau, der auf den ursprünglichen Wehrturm gesetzt wurde. Bild in Detailansicht öffnen
Der Faustturm im UNESCO Weltkulturerbe Kloster Maulbronn
Steile Holztreppen - fast schon "Leitern" - führen im alten Teil des Faustturms, dem Wehrturm, nach unten. Dort haben früher Soldaten und Mönche das Kloster verteidigt. Im "Wohntrakt" geht's etwas sauberer und gemütlicher zu - eine Art Waschbecken mit Abfluss nach draußen ist in eine Ecke eingelassen Bild in Detailansicht öffnen
Der Faustturm im UNESCO Weltkulturerbe Kloster Maulbronn
Der "Wohnbereich" im Faustturm - gut zu sehen die Butzenscheiben und das Fachwerk des Aufbaus, der auf den Wehrturm gesetzt wurde. Bild in Detailansicht öffnen
Der Faustturm im UNESCO Weltkulturerbe Kloster Maulbronn
Gerhard Keitel steht am offenen Kamin im "Wohnbereich" des Faustturms. Keitel ist der sogenannte Ephorus des Klosters Maulbronn - der Leiter des evangelischen Stifts. Bild in Detailansicht öffnen
Der Faustturm im UNESCO Weltkulturerbe Kloster Maulbronn
Der Blick aus dem "Wohntrakt" der Faustturms - SWR1 Redakteurin Petra Wilhelm genießt ihn sichtlich. Hier wohnen geht allerdings schon aus Sicherheitsgründen nicht: es gibt nur einen Fluchtweg. Bild in Detailansicht öffnen

Doktor Faust und das Gold von Maulbronn

Wenig später soll Doktor Faust, der Namensgeber des Turms, hier gewirkt haben: ein Alchimist aus dem benachbarten Knittlingen, der hier versucht haben soll, Gold zu fabrizieren. Im Auftrag von Abt Entenfuß, einem Prasser vor dem Herrn.

Es geht weiter nach oben, in den später entstandenen rechteckigen Fachwerkaufbau - den Sehnsuchtsort von SWR1 Redakteurin Petra Wilhelm.

»Da wollen sehr, sehr viele wohnen. Schade ist ein bisschen, dass wir keinen zweiten Fluchtweg haben und deshalb der Raum ungenutzt ist. Es ist eigentlich ein Jammer, denn er ist sehr, sehr hübsch.«

Gerhard Keitel spricht vom sogenannten Lustzimmer, einem ca. 25 m² großen Raum. Eine lange Eckbank steht da, ein ebenso langer Tisch, ein Kamin mit Holzscheiten. Und: was für ein Blick durch die vier großen Butzenfenster:

»... (der Blick) in den Garten und auf die alte Klosterkirche, den Schlaftrakt der Herrenmönche, das sogenannte Herrendormitorium, den Zwischenbau mit Parlatorium und Oratorium...«

Lust-Türmchen im Kloster?

Bis heute halten sich Geschichten, was denn so alles im Faustturm passiert ist - oder sein könnte. Nicht nur zum Jagen soll Herzog Ulrich von Württemberg hierher gekommen sein. Auch so manche Liebelei soll auf dem Turm stattgefunden haben.

»Es gibt Maulbronner Familien, die spöttelnd sagen, sie hätten herzogliches Blut in den Adern.«

Die schönsten Plätze in Baden-Württemberg

Stand
Autor/in
Petra Wilhelm