Welche riesige Bedeutung sie erst für Angelina Köhler hat, ist in ihrem Gesicht, ihrer Gestik abzulesen. Ein breites, fröhliches Lachen, ein fast schon fassungsloser Blick auf die Anzeigetafel - und dazu Tränen.
Der erste Blick nach dem Anschlag geht hoch auf die Tribüne zu ihren Eltern. Die sie seit ihrer Kindheit immer unterstützt haben, sogar für sie umgezogen sind. Sie winken und jubeln ihrer Tochter im Aspire Dome in Doha zu, was für ein schönes Bild.
Die 100 Meter Schmetterling im Wasser sind einfach nur zum Genießen. Zumindest nach der ersten und einzigen Wende, ab dort führt sie das Rennen klar an. Zwei Mal hat sie ihren Rekord verbessert, im Vorlauf, im Halbfinale, im Finale bleibt sie mit einer Zeit von 56,28 Sekunden knapp darüber. Aber das interessiert hier niemanden. Sie selbst schon gar nicht.
WM-Gold macht Köhler zu einer Weltklasse-Athletin
Die Zuschauer in Katar jubeln ihr zu. Sie kann es aufsaugen, der Lohn für die tägliche harte Arbeit. Arbeit, die sie vor knapp zwei Jahren über Hannover zur SG Neukölln Berlin gebracht hat. Und dieser Weg ist vielleicht auch der Grund für die aktuelle Erfolgsgeschichte der gebürtig aus Dernbach im Landkreis Neuwied stammenden Rheinland-Pfälzerin. Ihr Berliner Trainer, Lasse Frank, hat sie schließlich zu der Athletin gemacht, die schon immer in ihr schlummerte. Eine vom Format Weltspitze.
"Wir haben unheimlich viel an meinen Schwächen gearbeitet. Die harte Arbeit zahlt sich so langsam aus", sagte Köhler: "Man sieht, dass ich nicht mehr die Schwächste bin. Ich kann mithalten."
Kurz vor Tokio platzte der Olympia-Traum
Doch vor dem Hoch kam auch der Fall. Das Jahr 2021 brachte sie aus der Bahn. Die Olympischen Spiele in Tokio. Ihr großer Traum, ihr großes Highlight. Doch er platzte. Vor den Spielen erwischt sie Corona, sie muss zu Hause bleiben und von Deutschland aus ihre Konkurrentinnen vor dem Bildschirm verfolgen.
Das tat weh, das ließ sie zweifeln und warf sie emotional und auch sportlich zurück. Der Wechsel in die Hauptstadt war die Folge. Und es scheint der richtige Weg zu sein.
Angelina Köhler: Eine mit Routinen
Im vergangenen Jahr wird sie auf der Kurzbahn Europameisterin über 200 Meter Schmetterling, zudem holt sie die Silbermedaille über 100 Meter. Und jetzt der ganz große Triumph in Doha.
Die 23-Jährige betont dabei immer wieder ihre Routinen. Einen Ablauf vor jedem Rennen, der die Konzentration hoch halten lässt.
Köhlers großes Idol: Taylor Swift
Die Kopfhörer sind immer dabei, auch vor dem Finale. Und es schallt darunter Taylor Swift. Die US-Amerikanerin motivierte nicht nur Travis Kelce von den Kansas City Chiefs zum Super-Bowl-Titel, sondern auch die frischgebackene deutsche Schwimm-Weltmeisterin.
"Ich bin riesengroßer Taylor-Swift-Fan", erzählte Köhler: "Ich höre immer die Musik und tanze dazu auch vor meinen Rennen, weil mir das unfassbar viel Kraft gibt. Das ist mein Ritual."
Olympia-Traum kann sich 2024 in Paris erfüllen
Und das hat sie auch vor diesem Finale wieder gemacht. "Cruel Summer" ist einer ihrer favorisierten Taylor-Swift-Hits. Und was könnte das für ein Sommer werden. Kein grausamer, beileibe nicht. Sondern ein besonderer, ein traumhafter, olympischer Sommer in Paris. Denn dort kann sich Angelina Köhler endlich ihren Traum von Olympischen Spielen erfüllen.