Am 12. Juli waren all die schlechten Erinnerungen endgültig abgeschüttelt. Erinnerungen an die Krücken. An ein Frühjahr ohne Rennen. Den Ermüdungsbruch im Oberschenkelhalsknochen. Am 12. Juli 2024, einem Freitagnachmittag mit höchst sommerlichen Wetterbedingungen, war Liane Lippert zurück auf der ganz großen Bühne des internationalen Radsports.
Giro d'Italia Donne: Lippert vor Kopecky und Co.
Am Ende der sechsten Etappe des Giro d’Italia Donne feierte die 26-Jährige aus Friedrichshafen am Bodensee ihren ersten Saisonsieg, der fast schon befreiend war. Nach einer monatelangen Verletzungspause, während der sie phasenweise nicht einmal richtig trainieren und maximal ein paar Yogaeinheiten absolvieren konnte, fuhr sie endlich mal wieder als Erstplatzierte über die Ziellinie. Und das vor anderen Top-Fahrerinnen wie der späteren Gesamtsiegerin Elisa Longo Borghini oder Weltmeisterin Lotte Kopecky.
"Ich will bei den nächsten Rennen wieder eine Rolle spielen und nicht nur mitfahren. Ich hoffe, dass ich ein Teil vom Rennen sein, attackieren und es den anderen schwermachen kann", hatte Lippert nur wenige Tage vorher im Gespräch mit SWR Sport gesagt: "Wenn ich wieder bei den Weltbesten vorne dabei bin, bin ich erst einmal zufrieden." Das hat geklappt. Und könnte gleichzeitig erst der Beginn von Lipperts erfolgreichem Radsport-Sommer gewesen sein.
Denn auch wenn die Italien-Rundfahrt aufgrund ihrer Tradition sportlich den etwas höheren Stellenwert genießt: Die am Montag (12.08.2024) beginnende Tour de France Femmes überstrahlt im Rennkalender der Profifahrerinnen so ziemlich alles. Über acht Etappen - inklusive einem Einzelzeitfahren - und insgesamt 949,7 Kilometern geht es vom Grand Départ im niederländischen Rotterdam über Lüttich in Belgien bis nach L'Alpe D'Huez in den französischen Alpen.
"Das wird auf jeden Fall wieder eine sehr harte Tour, aber auch super spannend zum Zuschauen", blickt Lippert auf den Saisonhöhepunkt voraus. Sie selbst hat sich vor allem die Teilabschnitte markiert, die im Laufe der Tour durch die Ardennen führen. Jene Region, in der jedes Frühjahr einige Eintagesklassiker stattfinden - Lipperts Lieblingsrennen, die sie in der laufenden Saison aufgrund ihrer Verletzung verpasst hatte.
Etappensieg bei der Tour de France Femmes: "Unbeschreiblich"
Helfen könnten der Fahrerin vom spanischen Team Movistar nun die Erinnerungen an die Tour de France Femmes des vergangenen Jahrs. Am 24. Juli 2023 schrieb Lippert ein Stück deutscher Sportgeschichte, als sie die knapp 152 Kilometer lange Etappe nach Mauriac gewinnen konnte - es war der erste Etappensieg einer deutschen Fahrerin.
"Unbeschreiblich", sagt die dreimalige Deutsche Meisterin im Rückblick, "auf jeden Fall der größte Erfolg meiner Karriere und einer der schönste Momente allgemein in meinem Leben. Es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man so hart und so lange für etwas arbeitet und es dann endlich klappt."
Lippert 16. bei Olympia in Paris
Eine weitere Etappe bei der Frankreich-Rundfahrt zu gewinnen, wäre ein Traum, sagt Lippert. "Das Allergrößte", wie sie erklärt: "Aber ich bin realistisch und weiß, dass ich von einer Verletzung zurückkomme." Die hat Liane Lippert mittlerweile hinter sich gelassen. Beim olympischen Straßenrennen in Paris, in dem sie auf einen starken 16. Platz fuhr, vor allem aber beim Giro d'Italia Donne. Die Erinnerungen an die Krücken und den Ermüdungsbruch sind endgültig abgeschüttelt.