Dieser (Berg-)Mann hatte der emotionsgeladenen Geschichte gerade noch gefehlt. Mit seinem provozierenden Jubel beim Berliner Siegtreffer vergangenen Mittwoch vor der Mannheimer Fankurve sorgte der letztjährige Adler-Stürmer Lean Bergmann nicht nur bundesweit für Schlagzeilen. Bergmanns geschmacklose Aktion im zweiten Viertelfinal-Duell setzte der ausgeprägten Rivalität zwischen beiden Kontrahenten vorerst auch emotional die Krone auf.
25 Euro für jedes ausgediente Bergmann-Trikot
Eishockey-Mannheim kochte vor Wut. Fans und Funktionäre. Die enttäuschte Adler-Organisation ließ sich nach dem Vorfall etwas ganz Besonderes einfallen: Den Fans wurde über die Sozialen Medien angeboten, alte Mannheimer Bergmann-Trikots gegen einen 25-Euro-Gutschein im Adler-Fanshop zurückzugeben.
Eishockey | DEL-Playoffs "Charakterfrage" - Adler Mannheim kritisieren Eisbär Lean Bergmann
Erst der provokante Jubel, dann die Schlägerei - am Freitag legten die Adler Mannheim im Streit mit Ex-Spieler Lean Bergmann noch einmal nach - und stellten Bergmanns Charakter infrage.
"Lean hatte bei uns einen Vertrag, war gefühlt alle drei Monate mit seinem Agenten bei mir im Büro, hat diesen oder jenen Wunsch geäußert. Der letzte Wunsch war damals, aus familiären Gründen nach Iserlohn zu gehen. Wir haben all diese Wünsche erfüllt", empörte sich Adler-Geschäftsführer Matthias Binder: "Deswegen war die Aktion von Lean nach seinem Tor nicht respektvoll unserem Verein gegenüber. Das gehört sich nicht. Und das ist auch eine Charakterfrage".
Eisbären kontern die Adler-Aktion
Auf der anderen Seite hatten die Berliner mit einem Rabatt auf jedes Eisbären-Jersey des Stürmers und einen Puck mit dessen Jubelpose geworben. Geschäftsführer Thomas Bothstede kritisierte die Mannheimer Reaktionen: "Die Art und Weise finde ich nicht in Ordnung."
So oder so hat die "Affäre Bergmann" schon jetzt Geschichte geschrieben in der an Anekdoten so reichen Playoff-Historie zwischen beiden Kontrahenten. Adler-Stürmer David Wolf, selbst kein Kind von Traurigkeit, sieht es eher gelassen: "Man sollte schon Respekt haben vor seinem ehemaligen Klub", so der Mannheimer Nationalspieler gegenüber SWR Sport, "aber wer Lean Bergmann kennt, der weiß, das ist eigentlich ein guter Junge, der manchmal emotional handelt. Aber alles okay, es sind Playoffs".
Die beiden erfolgreichsten DEL-Teams im Duell
Und genau damit bringt es der erfahrene Kämpfer Wolf auf den Punkt. In den Eishockey-Playoffs herrscht bekanntermaßen Ausnahme-Atmosphäre. Provokationen gehören zum Geschäft, um den Gegner zu verunsichern. Und so gesehen ist die Bergmann-Aktion irgendwie auch symptomatisch für das ewig junge Duell zwischen Adlern und Eisbären, den beiden bislang erfolgreichsten DEL-Teams.
Die Mannheimer, zuletzt 2019 Champion, sind mit sieben Meisterschaften, die Berliner als Rekordsieger mit neun Titeln geschmückt. Man respektiert sich, aber man mag sich nicht besonders. "Scheißbären" spotten die Mannheimer Fans immer mal wieder wenig charmant, mit "Mädchenheim" kontern gerne die Berliner Anhänger.
Die Adler gegen die Eisbären, das ist wie im Fußball Bayern gegen Dortmund. Jahr für Jahr lautet das Ziel der beiden Erzrivalen einzig und allein: Meisterschaft! Darunter geht eigentlich nichts, weniger ist vor allem den Fans in beiden Lagern schwer zu vermitteln. Zumal beide Klubs neben München auch in Sachen Etat in der DEL ganz weit vorne liegen.
1998 das erste Finale Mannheim gegen Berlin
Die Adler gegen die Eisbären. Trotz der 600 Kilometer zwischen Berlin und Mannheim sagt Eisbären-Torjäger Marcel Noebels im Gespräch mit SWR Sport: "Gefühlt ist es, als würde man nebeneinander wohnen, irgendwie ein Derby unter Erzrivalen. Es wird um jeden Zentimeter gekämpft, Emotionen gehören dazu, das ist Playoff-Hockey".
Das erste große Final-Duell und der Beginn dieser emotionalen Rivalität in der DEL liegt inzwischen 26 Jahre zurück. 1998 trafen die beiden Teams erstmals in einer Endspielserie aufeinander. Die damals dominanten Kurpfälzer unter Meistertrainer Lance Nethery gewannen mit 3:1-Siegen, feierten ein Jahr später sogar den Titel-Hattrick. Die ersten drei Playoff-Serien gewannen die Adler, 2002 entschied Mannheim die Viertelfinal-Serie noch mit 3:1 für sich. Seither aber - seit 22 Jahren - konnten die Kurpfälzer kein Playoff-Duell mehr gewinnen, zogen gegen die Eisbären dreimal den Kürzeren. Und auch jetzt droht das frühe Mannheimer Viertelfinal-Aus:
Erste Eisbären-Meisterschaft 2005 gegen die Adler
2005 gewannen die Eisbären erstmals eine Final-Serie gegen Mannheim. Drei Spiele, drei Siege. Es war gleichzeitig der erste DEL-Titel für die erstarkten und von der amerikanischen Anschutz Entertainment Group unterstützten Berliner, die aus dem einstigen DDR-Klub SC Dynamo Berlin hervorgegangen waren. Spätestens jetzt begann die Rivalität zwischen beiden (Fan-)Lagern voll zu entbrennen. Zumal die Eisbären in den Folgejahren einen Titel an den anderen reihten, was wiederum den erfolgsverwöhnten Mannheimern verständlicherweise so gar nicht schmeckte.
Mannheimer Titel-Trauma 2012
Zu einer Art Mannheimer Trauma wurde das letzte Aufeinandertreffen in einem Finale 2012. Im vierten Spiel der Best-of-Five-Serie lagen die Adler in der eigenen Arena 14 Minuten vor dem Ende bereits mit 5:2 in Führung. Trainer Harold Kreis und seine Cracks hatten eine Hand bereits am silbernen Meisterpokal, brauchten den deutlichen Vorsprung nur noch über die Zeit zu bringen.
Berlin aber schlug unerwartet eiskalt zurück, glich bis zur Schlusssirene zum 5:5 aus und gewann nach gut drei Minuten in der Overtime mit einem Sudden-Death-Treffer doch noch mit 6:5. Lähmendes Entsetzen bei den Hausherren, und Berlin entschied im nächsten Heimspiel die Endspiel-Serie gegen demoralisierte Adler für sich und holte den Titel. Ein Eishockey-Drama, das bis heute bei den eingefleischten Fans in der Quadratestadt für Alpträume sorgt. Zumal die Eisbären damals die Adler als DEL-Rekordmeister ablösten. Bis heute.
Den Adlern droht das Aus - am Dienstag muss Mannheim in Berlin gewinnen
Am Dienstag (19:30 Uhr), beim fünften Viertelfinalspiel in Berlin, wird es garantiert wieder ruppig werden, unten auf dem Eis und oben auf den Rängen. Zumal die Mannheimer unter Erfolgszwang stehen. Die Eisbären führen nach dem 3:1 am Sonntag in Mannheim die Best-of-Seven-Serie mit 3:1 an. Nur ein Sieg der Adler verhindert also das vorzeitige Aus im Kampf um den Titel. Die hitzige Dauerrivalität beider Teams geht also munter weiter.
Und die Bemerkung muss an dieser Stelle erlaubt sein: Ohne den Klassiker Adler gegen Eisbären wären die Playoffs der DEL um eine große Attraktion ärmer. Und selbst ein Lean Bergmann hat dieser faszinierenden Sportgeschichte ein weiteres emotionales Kapitel hinzugefügt.