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Wataru Endo - der stille Anführer des VfB Stuttgart

Stand
Autor/in
Johannes Kienzler

Seit seinem Last-Minute-Tor zum Klassenerhalt am letzten Spieltag der vergangenen Saison ist Wataru Endo in Stuttgart eine Legende. Starallüren sucht man beim Kapitän des VfB jedoch vergebens.

14. Mai 2022 - der 34. Spieltag in der Bundesliga-Saison 2021/22. Es liefen bereits die letzten Minuten im entscheidenden Heimspiel gegen den 1. FC Köln, als Stuttgarts Leihstürmer Omar Marmoush eine Ecke trat. Der Ball flog in den Kölner Strafraum, wurde von Verteidiger Hiroki Ito verlängert und landete schließlich bei Wataru Endo, der die Hereingabe passgenau in den rechten Winkel köpfte. Klassenerhalt!

Dein VfB: Klassenerhalt in der letzten Minute

Legendo macht einmal mehr den Unterschied

Mit seinem 2:1-Siegtreffer sorgte Wataru Endo bundesweit für Schlagzeilen. "Endo gut, alles gut" (Stuttgarter Zeitung) und "Happy Endo" (Süddeutsche Zeitung) titelten die Zeitungen. Das neue Trikot der Schwaben für die Saison 2022/23 gibt es mit Sonderbeflockung: Legendo.

Völlige Ekstase: Wataru Endo nach seinem Kopfballtor zum Klassenerhalt.
Völlige Ekstase: Wataru Endo nach seinem Kopfballtor zum Klassenerhalt.

Dabei war der Einstieg des 29-jährigen Japaners in Stuttgart alles andere als leicht. Seinen Status als exzellenter Mittelfeldstratege und gefürchteter Zweikämpfer musste er sich erst erarbeiten.

Lob von Trainer Pellegrino Matarazzo

Die Bescheidenheit ist Endos größte Stärke - sowohl auf als auch neben dem Platz. Der Japaner fokussiert sich auf das Wesentliche im Leben. Seine Familie steht an erster Stelle und im Trikot des VfB gibt er stets sein Bestes. Das weiß auch sein Trainer Pellegrino Matarazzo zu schätzen: "Über Watarus Charakter könnte ich ein ganzes Buch schreiben", sagt der 44-Jährige vor dem Spiel gegen den FC Schalke 04 (Samstag, 15:30 Uhr) über seinen Kapitän. "Er ist ein Vorbild für alle."

Endo sei kein Lautsprecher, so Matarazzo weiter. Dennoch gehe er stets voran und führe sein Team. "Jedes Jahr merke ich, dass Wataru mehr Verantwortung übernehmen möchte und noch intensiver auf dem Platz und in der Kabine kommuniziert."

Um der Führungsspieler zu werden, von dem Pellegrino Matarazzo heute spricht, ist Wataru Endo einen weiten Weg gegangen.

Der Karriere-Start in Japan

Der in Yokohama geborene Endo begann seine Fußballkarriere bei Shonan Bellmare in der zweiten japanischen Liga. Hier entwickelte sich der Jungprofi schnell zum Stammspieler und wurde Teil der japanischen Junioren-Nationalteams.

Kurz vor seinem 23. Geburtstag wechselte er dann zu den Urawa Red Diamonds, einem der besten Vereine Japans, für den einst Guido Buchwald spielte. Für Wataru Endo erfüllte sich damit früh der Traum, in der AFC Champions League, der asiatischen Königsklasse, auflaufen zu dürfen. 17 Spiele absolvierte er dort.

Über 100 Spiele absolvierte Wataru Endo für die Urawa Red Diamonds - 17 davon in der AFC Champions League.
Über 100 Spiele absolvierte Wataru Endo für die Urawa Red Diamonds - 17 davon in der AFC Champions League.

Über Belgien in die Bundesliga

Im Sommer 2018 gelang dem Japaner der entscheidende Karriereschritt: Er unterschrieb einen Vertrag beim belgischen Erstligisten VV St. Truiden. Hier sammelte der nun 25-Jährige viele Spielminuten in einer anspruchsvollen Liga und weckte als Spielmacher im defensiven Mittelfeld das Interesse des VfB Stuttgart.

Sportdirektor Sven Mislintat verpflichtete den in Deutschland noch unbekannten Endo zum Start der Saison 2019/20. Die ersten Wochen in Stuttgart waren für den Japaner jedoch alles andere als leicht, denn unter dem damaligen VfB-Trainer Tim Walter erhielt Endo anfangs praktisch keine Einsatzminuten. Der Grund: Für die Position im defensiven Mittelfeld sei er zu klein.

Am 14. Spieltag, beim prestigeträchtigen Derby gegen den Karlsruher SC, rutschte Wataru Endo dann allerdings unverhofft in die Startelf. Auf der Position des Mittelfeldstrategen performte der Neuzugang, zur Überraschung vieler Fans, derart überzeugend, dass Tim Walter seine Haltung überdachte. Die restliche Saison war Endo in der Startelf gesetzt.

Beim Derby gegen den Karlsruher SC am 14. Spieltag der Saison 201920 überzeugte Wataru Endo (links) mit Zweikampfstärke und Führungsqualität.
Beim Derby gegen den Karlsruher SC am 14. Spieltag der Saison 2019/20 überzeugte Wataru Endo (links) mit Zweikampfstärke und Führungsqualität.

Der Japaner wurde zum Dauerbrenner und verpasste seit seinem Startelf-Debut für die Schwaben saisonübergreifend nur vier Spiele (zwei Gelbsperren, eine Coronainfektion und ein Olympia-Einsatz für die japanische Nationalmannschaft). In den 101 Liga- und Pokalspielen, die der VfB Stuttgart seither absolviert hat, ging er 92-mal über 90 Minuten. Ein beeindruckender Wert.

Endo als Regisseur des Stuttgarter Spiels

In den vergangenen beiden Spielzeiten war Wataru Endo jeweils der beste Zweikämpfer der Bundesliga. In der Saison 2020/21 entschied er 476 Duelle für sich, im Jahr darauf 448. Zugleich fungiert er als Regisseur für das Stuttgarter Spiel, sichert und verteilt die Bälle und führt die Mannschaft als Kapitän an.

Zweifelsohne ist Wataru Endo einer der besten Spielmacher in der jüngeren Vergangenheit des VfB Stuttgart. Eine Entwicklung, die ihm in seiner Anfangszeit im Trikot mit dem Brustring wohl kaum einer zugetraut hatte. Und auch heute noch ist Wataru Endo im internationalen Geschäft ein eher kleiner Name – trotz beachtlicher Spielwerte.

Gegen den 1,78m großen Endo (Mitte) ziehen die Gegner oft den kürzeren. In den vergangenen beiden Spielzeiten glänzte er mit der besten Zweikampfquote in der Bundesliga.
Gegen den 1,78 Meter großen Endo (Mitte) ziehen die Gegner oft den Kürzeren. In den vergangenen beiden Spielzeiten glänzte er mit der besten Zweikampfquote in der Bundesliga.

Während einige seiner Mannschaftskollegen, wie Sasa Kalajdzic und Borna Sosa, in der vergangenen Transferperiode im Fokus europäischer Topclubs standen, ist es um Endo eher ruhig. Vielleicht liegt das an seiner unprätentiösen und bodenständigen Art, die bei Fans, Mitspielern und Trainer Matarazzo gleichermaßen gut ankommt.

Starallüren kennt man von Wataru Endo jedenfalls nicht. Anstatt in den sozialen Medien mit teuren Autos und Klamotten zu protzen, postet der vierfache Vater lieber Bilder von Familienaktivitäten.

Eine Bereicherung für den Verein

Besonders in schwierigen Phasen, wie sie der VfB Stuttgart in der vergangenen Saison erlebt hat, ist ein führungsstarker Kapitän unabdingbar. Noch dazu für eine solch junge Mannschaft, wie die der Schwaben. Auf Wataru Endo ist in den entscheidenden Momenten Verlass. Das hat er nicht nur bei seinem Last-Minute-Tor zum Klassenerhalt am letzten Spieltag bewiesen.

Mit seinem ruhigen, reflektierten und disziplinierten Charakter ist Endo in Stuttgart zum unumstrittenen Anführer avanciert. Eine Rolle, die ihm steht - auch wenn das auf den ersten Blick nicht so scheint.

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Johannes Kienzler