Zum letzten Mal war er vor fast sechs Jahren bei uns. Am 9. Dezember 2018 als Studiogast bei "SWR Sport", kurz nach seinem 65. Geburtstag. Christoph Daum war mit dem ICE von Köln nach Stuttgart gekommen. Für die Redaktion wurde es ein außergewöhnlicher Sonntag. Denn der Fußballtrainer kam nicht erst - wie sonst üblich bei Talkgästen - kurz vor der Sendung ins Funkhaus, sondern bereits am Nachmittag. Daum wollte sich unbedingt mit uns gemeinsam das Sonntagsspiel des VfB Stuttgart in Mönchengladbach anschauen, um am Abend seriös und kompetent im Studio über die Partie berichten zu können.
Ein Fernsehnachmittag mit Christoph Daum
Er war letztlich ein unvergessliches journalistisches Erlebnis, dieser 9. Dezember 2018. Christoph Daum, im stahlblauen Anzug, hatte das Bundesligaspiel des VfB vor dem Redaktionsfernseher binnen weniger Minuten taktisch perfekt filetiert, und fand Feinheiten heraus, die nur ein Experte sieht. Der Mann zog uns mit seiner ganzen unkonventionellen Art und seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit über Stunden in seinen Bann. Sein Blick, seine Mimik und Gestik, seine gerne auch mal streitbare Konversation - einfach Daum, unvergleichlich.
Vom Abstiegskampf zum Deutscher Meister in Stuttgart
Erinnerungen, die bleiben. Christoph Daum war häufig zu Gast bei "Sport im Dritten" und später bei "SWR Sport", seit seiner Zeit als Trainer beim VfB Stuttgart. Im November 1990 hatte ihn der damalige Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder in höchster Abstiegsnot an den Neckar geholt, Daum führte das Team noch von Platz 15 auf sechs und damit in die Qualifikation für den UEFA-Cup. Ein Jahr später dann der große, unvergessene Coup. Der VfB Stuttgart wurde nach einem spektakulären Saisonfinale und dem späten Sieg durch das Buchwald-Tor in Leverkusen 1992 Deutscher Meister. Es sind immer wieder diese Bilder im Kopf, als der Trainer am Spielfeldrand mit heißem Herzen auf den Schlußpfiff wartete, die Anspannung sich danach in der Leverkusener Arena in einer Jubeltraube auflöste.
Die Meisterschaft als "Ritterschlag"
Christoph Daum hatte den Giganten VfB gemeinsam mit Manager Dieter Hoeneß sozusagen aus dem fußballerischen Tiefschlaf geholt. Mit seiner ihm eigenen Art. Laut und kontrovers. Der Mann aus Köln war Vorreiter, Revoluzzer, Visionär. Nicht immer mainstreammäßig unterwegs, gerne auch mal provokant. So schrieb beispielsweise sein öffentlichkeitswirksamer Dauer-Zoff als Köln-Trainer mit Bayern-Manager Uli Hoeneß Ende der 80er Jahre Bundesliga-Geschichte.
Die Meisterschaft mit dem VfB Stuttgart war für ihn ein "unvergesslicher Ritterschlag, weil er völlig unerwartet kam". Er war zum ersten Mal ganz oben, er hatte es seinen Kritikern gezeigt. Sein erster Meistertitel überhaupt. "Im Inneren", sagte Christoph Daum damals bei SWR Sport, "bin ich seither VfB-Fan". Man hat es ihm gerne abgenommen, weil Daum niemand war, der etwas behauptet nur um zu gefallen.
Meister und Pokalsieger in der Türkei und in Österreich
Die VfB-Erfolge hatten für ihn eine Art Katalysator-Effekt. In der Türkei und in Österreich wurde er danach noch viermal Meister und zweimal Pokalsieger. Christoph Daum - bei Spielern, Funktionären und Fans immer polarisierend. Gerne als Lautsprecher oder Messias bezeichnet, der seine Spieler über Glasscherben laufen ließ. Immer aber ein hoch annerkannter, absoluter Fußball-Fachmann. Kompetent, leidenschaftlich, mit einem unbedingten Siegeswillen gesegnet. Ein Freund von Disziplin, Ordnung und Teamgeist.
Auch Tiefen prägten Christoph Daums Leben
Im bewegten Leben des Christoph Daum summierten sich jedoch nicht nur zahlreiche Höhen, es gab auch prägende Tiefen. Rein sportlich gesehen war das vor allem der Wechselfehler beim VfB in der Champions-League-Qualifikation im September 1992 gegen Leeds. Der Anfang vom Ende in Stuttgart, in der Winterpause 1993 folgte die Trennung. Oder auch die am letzten Spieltag versemmelte Meisterschaft im Mai 2000 mit Bayer Leverkusen in Unterhaching. Dazu kam die schlagzeilenträchtige Kokain-Affäre im Oktober 2000. Sie zerstörte alle Ambitionen auf das Amt des Bundestrainers und kostete ihn Reputation.
Seit 2022 Kämpfer gegen den Krebs
Mit seiner Lungenkrebserkrankung ging Christoph Daum offen um, stellte sich seit Herbst 2022 der großen gesundheitlichen Herausforderung. Warb für Vorsorge, wollte Lebensmut und Hoffnung schaffen. Der Krebs, hat er einmal gesagt, habe sich bei ihm den falschen Körper ausgesucht. Am Ende aber konnte er seinen letzten großen Kampf doch nicht mehr gewinnen. Er verstarb am Samstag im Kreise seiner Familie in seiner Heimatstadt Köln. Mit gerade einmal 70 Jahren.
Beim VfB wird man den Meistertrainer von 1992 weiter im Herzen tragen. Er kam immer wieder gerne zurück nach Stuttgart. Bei SWR Sport war er mit seiner ganz eigenen Art nicht nur an jenem 9. Dezember 2018, seinem letzten Auftritt bei uns, ein immer gern gesehener Studiogast. Christoph Daum wird fehlen.