Es war ein Lob wie ein Ritterschlag. "Wenn man ihn beobachtet, sieht man, dass er etwas Besonderes hat", sagte Thomas Müller, Weltmeister von 2014, am Dienstag auf einer DFB-Pressekonferenz über Brajan Gruda vom 1. FSV Mainz 05.
Und weiter: "Für ihn geht es jetzt um Konstanz, er ist schon weit. Deshalb habe ich mir damals sein Trikot besorgt. Ich fand ihn bemerkenswert gut."
Thomas Müller: "Gruda is a Baller!"
Dass Müller ein Fan von Gruda ist, wurde bereits nach dem 3:1-Auswärtssieg des FC Bayern in Mainz im Oktober 2023 deutlich. Damals sicherte sich der 128-fache Nationalspieler das Trikot des Youngsters und lobte ihn anschließend in den sozialen Medien: "Gruda is a Baller!"
Bei aller Wertschätzung: Müller hätte sich damals wohl nicht vorstellen können, dass er knapp siebeneinhalb Monate später gemeinsam mit dem Mainzer auf dem Platz stehen wird - im Rahmen der EM-Vorbereitung mit der deutschen Nationalmannschaft.
Einladung von Bundestrainer Julian Nagelsmann
Gruda sowie Rocco Reitz von Borussia Mönchengladbach waren von Bundestrainer Julian Nagelsmann zunächst als Gastspieler ins Trainingslager der deutschen Nationalmannschaft nach Blankenhain in Thüringen eingeladen worden, obwohl die beiden Spieler nicht im offiziellen EM-Kader stehen. Der Grund war, das einige von Nagelsmann nominierte Akteure angeschlagen waren beziehungsweise sind oder wegen des Champions-League-Endspiels zwischen Borussia Dortmund und Real Madrid (1. Juni) später anreisen.
Nun, zwei Tage vor seinem 20. Geburtstag am 31. Mai, erreichte Gruda die positive Nachricht: Er darf vorerst beim DFB-Team bleiben. Genauso Rocco Reitz. Beide gehören auch bei den letzten beiden Testspielen zum Kader. Am Montag spielt Deutschland in Nürnberg gegen die Ukraine. Am folgenden Freitag ist in Mönchengladbach Griechenland der Gegner bei der Turnier-Generalprobe.
Brajan Gruda winkt das Nationalmannschafts-Debüt
Gruda winkt somit das Debüt in der deutschen A-Nationalmannschaft - eine fast surreale Entwicklung, blickt man auf die vergangenen anderthalb Jahre zurück. Im Januar 2023 debütierte er als Jugendspieler für Mainz 05 in der Bundesliga, im April 2023 holte er mit der A-Jugend der Rheinhessen den Deutschen Meistertitel, im Oktober 2023 erzielte er seinen ersten Bundesligatreffer (Marke "Tor des Monats") und in der Rückrunde der Saison 2023/2024 stieg er zum absoluten Leistungsträger bei den 05ern auf. Insgesamt kam er in der abgelaufenen Spielzeit 28 Mal zum Einsatz.
Und: Gruda schwang sich in der Schlussphase der Saison, die Mainz 05 mit dem nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt krönte, zum absoluten Stammspieler und Leistungsträger auf. Wichtigen Treffern gegen Darmstadt 98 (4:0) und die TSG Hoffenheim (4:1) ließ Gruda beim 3:1-Auswärtssieg in Wolfsburg am 34. Spieltag, der die Rettung brachte, Tor und Vorlage folgen. Sein Meisterstück - bis jetzt!
Christian Heidel vergleicht Brajan Gruda mit Leroy Sané
Mit seinen starken Leistungen hat sich Gruda längst auf die Zettel der Topklubs gespielt. Interessiert sein sollen laut Medienberichten unter anderem Bayern München, RB Leipzig, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und der VfB Stuttgart. Um einen Abgang im Sommer zu verhindern, hat der Mainzer Sportvorstand Christian Heidel dem Youngster allerdings ein hohes Preisschild umgehängt: 50 Millionen Euro werde man für das Top-Talent fordern, so Heidel gegenüber der "Bild"-Zeitung. Klar ist, dass damit bis auf Bayern und RB Leipzig alle anderen deutschen Klubs raus wären. Grudas Marktwert (Quelle: transfermarkt.de) betrug lange neun Millionen Euro und wurde ganz aktuell auf 20 Millionen Euro angepasst.
Doch wie begründet Heidel diese hohe Forderung? Er verglich Gruda mit Leroy Sané, den er als Sportvorstand beim FC Schalke 04 2016 für 52 Millionen Euro an Manchester City verkauft hatte. Gruda sei weiter als Sané im gleichen Alter damals, so Heidel nun.
Ein sehr starker Dribbler
Doch was genau sind die Attribute, die Gruda so begehrt machen? Er hat bei einer Körpergröße von 1,78 Metern einen tiefen Schwerpunkt, was ihm bei Körpertäuschungen oder Richtungswechseln entgegenkommt und weswegen er sehr schwer zu verteidigen ist. Gruda ging in der abgelaufenen Saison 132 mal ins Dribbling (Quelle: kicker.de), ein sehr hoher Wert. In 52 Prozent seiner direkten Duelle setzte er sich durch, ebenfalls ein deutlich überdurchschnittlicher Wert.
Gruda ist laufstark und spielt auch im Gegenpressing des Mainzer Trainers Bo Henriksen eine wichtige Rolle. Er hat einen sehr starken "first touch", der es ihm ermöglicht, eine Aktion mit der Ballannahme zu starten und sofort die Initiative zu übernehmen. Er zieht auf diese Weise oft vom rechten Flügel nach innen, wo er seine Mitspieler in Szene setzen oder selbst abschließen kann. Er hat bereits jetzt ein gutes Auge für Räume, 30 Torschüsse und 43 Torschussvorlagen sind eine starke Statistik.
Wo hat Brajan Gruda noch Luft nach oben?
Diese Werte zeigen aber auch noch, woran es Gruda mangelt: In erster Linie an Effizienz. Aus den kumuliert 73 Torschussaktionen entstanden nur sieben direkte Beteiligungen an Mainzer Treffern - vier Tore und drei Assists. Er agiert zudem mitunter noch zu verspielt - völlig normal für einen noch 19-Jährigen.
Eine Schwäche, die gleichzeitig auch Teil seiner Stärken ist. Ähnlich sieht es auch Bundestrainer Nagelsmann. "Brajan Gruda ist ein sehr feiner Fußballer und extrem kreativ im letzten Drittel", so das Lob vom DFB-Coach.
Geht noch etwas in Sachen EM 2024?
Und wer weiß - vielleicht springt Gruda ja noch auf den EM-Zug auf. Sollte der Offensivspieler weiter überzeugen, etwa auch in den beiden Freundschaftsspielen, und sollten andere Akteure schwächeln oder sich gar verletzen, dann wäre eine Nachnominierung gut möglich. "Eine gewisse Chance besteht, man weiß nie, was passiert", hatte Nagelsmann zu der Thematik gesagt: "Dass sie für das Training nachnominiert wurden, ist ein kleines Zeichen."
"Man weiß nie, was passiert" - für Gruda wäre es auf jeden Fall die Krönung eines mehr als rasanten Aufstiegs, dessen Ende noch nicht absehbar ist.