So lief die bisherige Saison
Diese Zahlen lassen keine Diskussionen zu: 20 Punkte und Platz neun nach 16 Spieltagen, zehn Zähler vor dem Relegationsplatz. Die Bilanz zu Weihnachten hat beim FCH alles Erwartete weit übertroffen, ist nicht nur beeindruckend sondern geradezu sensationell.
"Wir haben uns in die Bundesliga reingearbeitet, dazugelernt und immer weiter gesteigert", sagte Cheftrainer Frank Schmidt nach dem 3:2-Krimi gegen den SC Freiburg im letzten Punktspiel des Jahres. "Ein Wahnsinn, das hat das Jahr 2023 abgerundet", freute sich auch Kapitän und Abwehrchef Patrick Mainka über den gelungenen Bundesliga-Abschluss 2023.
Der Last-Minute-Sieg im Baden-Württemberg-Duell gegen die Breisgauer war symptomatisch für das Jahr des FCH: Trotz zweimaligem Rückstand nie aufgegeben, gekämpft bis zur letzten Sekunde und dafür belohnt worden. Der 1.FC Heidenheim ist auch in der Bundesliga wie der Titel des Buchs von Frank Schmidt: einfach "unkaputtbar".
Nach dem ruckelnden Start mit zwei Niederlagen in den ersten beiden Saisonspielen in Wolfsburg und gegen Hoffenheim (2:3 nach 2:0-Führung), setzte Heidenheim mit dem 2:2 in Dortmund ein erstes Ausrufezeichen. Der Premierensieg in der Bundesliga am 17. September gegen Werder Bremen (4:2) bestätigte am 4. Spieltag die Konkurrenzfähigkeit des Neulings und Außenseiters. Zuletzt holten die Brenztäler vor Weihnachten gegen Darmstadt, Mainz und Freiburg sogar erstmals drei Siege in Serie und setzten sich damit im vorderen Mittelfeld der Tabelle, weit weg von der Abstiegszone, fest.
Das war gut
Der 1.FC Heidenheim konnte seine DNA und damit seine ausgeprägten Stärken aus der 2. Liga ausnahmslos mit in die Bundesliga transportieren. Der FCH, wie schon in der letzten Saison getragen von den Führungsspielern Kevin Müller, Patrick Mainka und Tim Kleindienst, war in der Hinrunde das laufstärkste Team (mehr als 121 km im Schnitt pro Spiel), zog die meisten Sprints an (mehr als 250 pro Partie). Im Brenztal wird in erster Linie intensiver Fußball gearbeitet. Dafür steht sinnbildlich der Dauertrainer Frank Schmidt (seit 2007/inzwischen 643 Spiele auf der FCH-Bank), der mit seiner hemdsärmeligen Art ganz Fußball-Heidenheim verkörpert.
Heidenheim, das ist purer Wille. Das Spiel ist geprägt von Moral, Mentalität und Wiederstandsfähigkeit. Neben diesen körperlichen und mentalen Grundtugenden entwickelten sich die Schwaben aber auch von Woche zu Woche fußballerisch weiter, überzeugten mit Tiefe im Spiel und schnellen Umschaltmomenten. Dabei zeigte die Heidenheimer Offensive vor allem über das Torjäger-Trio Tim Kleindienst (sechs Tore), Eren Dinkci (6) und Jan-Niklas Beste (5) erstaunliche Torgefährlichkeit (25 Treffer gesamt).
Dazu kommt die beeindruckende Wucht bei den Standards. Waren es früher ein Marc Schnatterer oder Florian Mohr, die die Torhüter in der 2. Liga mit ihrer Schußtechnik in Angst und Schrecken versetzten, ist es jetzt Jan-Niklas Beste. Der kleine Linksfuß ist mit acht Vorlagen der beste Vorbereiter der Bundesliga, schoss dazu selbst noch fünf Tore, darunter zwei wunderschöne Freistoßtreffer. "Standards sind eines unserer Stilmittel", freut sich auch Trainer Frank Schmidt über die ruhenden Bälle als ausgeprägte Kunstform. Was auch die Statistik bestätigt: Der FCH erzielte ligaweit die meisten Treffer nach Standards.
Basis des Erfolgs ist aber in erster Linie die enorme Heimstärke des Neulings in der kleinen, aber lautstarken und immer ausverkauften Heidenheimer Arena. In der Heimtabelle belegt der FCH mit 16 Zählern immerhin Rang sechs. Für Auswärtige weht ein rauer Wind auf Deutschlands dem höchsten Fußballberg, dem Schlossberg.
Das war schlecht
Wenn es etwas zu bemäkeln gibt für Heidenheimer Verhältnisse, dann ist es am ehesten die ausbaufähige Auswärtsbilanz. Erst im letzten Spiel in der Fremde gab es mit dem 1:0 in Mainz den ersten (glücklichen) Auswärtssieg in der Bundesliga, davor nur einen einzigen Punkt beim 2:2 in Dortmund. Hier muss Heidenheim punktemäßig dringend nachlegen, um am Ende das Traumziel Klassenerhalt zu schaffen.
Auch defensiv darf sich der FCH bei bislang immerhin 32 Gegentoren vor allem bei gegnerischen Standards gerne steigern. Zu viele Gegentreffer kassierte die Mannschaft vor allem nach Eckbällen (5). Generell ließen die Heidenheimer zu viele gegnerische Abschlüsse zu.
Mehr als ärgerlich waren die beiden bisherigen Heimniederlagen: Gegen Hoffenheim (2:3) und Augsburg (2:5) verlor der FCH jeweils noch nach eigener 2:0-Führung. Ähnliches sollte in der Rückrunde nicht wieder passieren.
So schlugen sich die Neuen
Finanziell gesehen blieben die Verstärkungen vor der Saison im bescheidenen Rahmen. Sportlich allerdings haben die Neuen viel Mehrwert geliefert. Die junge Bremer Leihgabe Eren Dinkci (22), der schnellste Sprinter der Liga, darf getrost unter dem Titel "Volltreffer" verbucht werden. Der Außenstürmer schoss sechs Tore und ist mit seinem flotten Zug zum Tor aus dem Team nicht mehr wegzudenken, bildet die ideale Ergänzug zum wuchtigen Tim Keindienst und zum filigranen Jan-Niklas Beste.
Zur großen Überraschung wurde Oumar Traoré (25). Der Ex-Osnabrücker schaffte nach der langwierigen Verletzung von Marnon Busch als Rechtsverteidiger sofort den Sprung von der 3. Liga in die Bundesliga, machte 15 von 16 Spielen und überzeugte vor allem mit seinen dynamischen Vorstößen.
Erst spät gelang Benedikt Gimber (26) der Sprung in die Bundesliga und in die Startelf. Der frühere Regensburger kam am 10. Spieltag beim 2:0-Triumph im Landesderby über den VfB Stuttgart ins Team, überzeugte auf Anhieb mit seiner rustikalen Art als Innenverteidiger und war danach gesetzt.
Der Ex-Paderborner Marvin Pieringer (24) etablierte sich ebenso wie Rückkehrer Nikola Dovedan (29) als wertvoller Joker und Alternative in der Offensive. Der torgefährliche Pieringer stand sogar neunmal in er Startelf und erzielte zwei Treffer, war zuletzt mit seinem Tor zum 1:0 in Mainz der Matchwinner des FCH.
Der Ausblick
Zehn Punkte Vorsprung zu den Abstiegsplätzen und zum Relegationsplatz lassen zunächst einmal ruhiges Arbeiten im Brenztal zu. Die in sich gewachsene, kampfstarke Mannschaft muss im Winter-Transferfenster nicht unbedingt auf Teufel komm raus verstärkt werden, wobei eine weitere Defensivkraft, speziell für die Innenverteidigung, dem Kader gut tun würde. Danach wurde bereits im vergangenen Sommer vergeblich gesucht. Ein wichtiges Zeichen setzte bereits Kapitän Patrick Mainka mit seiner Vertragsverlängerung bis 2027.
Die Saison, sagt Torjäger Eren Dinkci treffend, "wird noch brutal lang". Bis zum Klassenerhalt erwartet den Neuling trotz der prima Zwischenbilanz noch ein hartes Stück Arbeit, denn jeder einzelne Punktgewinn muss beim 1.FC Heidenheim schwer erschuftet werden. Dazu kommt, dass das Team in der Rückrunde bei fast allen Konkurrenten um den Klassenverbleib auswärts antritt: In Köln, in Bremen, bei Union Berlin, in Augsburg, in Bochum und in Darmstadt. Das heißt, der FCH sollte dann dringlichst auch sein "Fremdeln" ablegen und auch auswärts regelmässig punkten, um den Abstand nach unten einigermaßen halten zu können.
Zumal im Umkehrschluss die meisten Top-Teams wie Bayern, Leverkusen, Dortmund oder Leipzig in der Rückrunde auf dem Schlossberg zu Gast sind. Da wird es alles andere als einfach, die bisherige Top-Heimbilanz mit sechs Siegen, einem Unentschieden und nur zwei Niederlagen auch im neuen Jahr adäquat auszubauen.
Schon das erste Spiel nach der Weihnachtspause könnte richtungsweisend sein: Am 13. Januar muss der 1.FC Heidenheim beim Tabellenvorletzten 1.FC Köln antreten.