RS-Virus ist weit verbreitet
Das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RSV kennt spätestens seit dem vergangen Winter jeder. Denn die RSV-Welle war heftig, die Kinderkliniken waren am Limit, zum Teil war das wohl auch ein Nachbeben der Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie.
RSV-Infekt kann, besonders bei Kindern, zu gefährlicher Lungenentzündung werden
RSV ist aber kein neues Phänomen: So ziemlich jeder und jede von uns hat sich damit schon mal infiziert, meist schon als Kind. Bis zum zweiten Lebensjahr stecken sich 90 Prozent der Kinder mindestens einmal mit RSV an. In den meisten Fällen entwickeln sie dann einen typischen Atemwegsinfekt, zum Teil kann sich aus einer Infektion aber auch eine gefährliche Lungenentzündung entwickeln. Das gilt besonders für die ganz Kleinen, die Neugeborenen, bzw. die Frühchen. Auch Kinder mit einem geschwächten Immunsystem oder anderen schweren Vorerkrankungen sind besonders gefährdet.
Jetzt hat der Pharmahersteller Pfizer Daten für einen Impfstoff gegen RSV vorgestellt. Damit sollen aber nicht die Babys, sondern ihre Mütter geimpft werden. Veronika Simon aus der SWR-Wissenschaftsredaktion erklärt wieso:
RSV Impfstoff-Forschung führte in Vergangenheit zu Desaster
Einen neuen Impfstoff an Babys und Kleinkindern zu testen, ist immer heikel. Doch RSV ist ein besonders kniffliger Fall. Denn bereits in den 1960er-Jahren versuchte man einen Impfstoff aus abgetöteten RS-Viren herzustellen – mit fatalem Ergebnis. Denn bei den Tests an Kindern zeigte sich: Der Impfstoff wirkte nicht wie gewünscht. Hinzu kam: Wenn sich geimpfte Kinder später mit dem Virus ansteckten, ging es ihnen noch schlechter als ungeimpften, zwei Kinder starben in Folge. Nach diesem Desaster lag das Forschungsfeld der RSV-Impfstoffe erst einmal brach.
Neuer Ansatz: Schwangere werden geimpft und geben Antikörper über Plazenta an ungeborene Kinder weiter
Doch RSV ist weiterhin ein großes Thema in der Kinderheilkunde. Bei der Suche nach einem Impfstoff mussten also neue Ansätze her: Der Pharmahersteller Pfizer stellte jetzt die Studienergebnisse für einen Impfstoffkandidaten vor, der sich den sogenannten „Nestschutz“ zunutze macht. Denn geimpft werden nicht die Babys, sondern die Schwangeren. Das Ziel: Die Mutter produziert nach der Impfung Antikörper gegen das RS-Virus und überträgt diese über die Plazenta auf das ungeborene Kind.
Auch in den Monaten nach der Geburt kann das Kind auf diesen Immunschutz zurückgreifen, es ist vor Erregern, mit denen die Mutter vorher in Kontakt war, geschützt. Nach diesem Prinzip werden Schwangere heute bereits gegen Keuchhusten geimpft, ebenfalls eine Erkrankung, die für die ganz Kleinen besonders gefährlich ist.
Ziel: Infektion in den ersten Monaten der Neugeborenen zu verhindern
Allerdings lässt der Schutz der Mutter mit der Zeit nach. Das Ziel der vorgestellten Impfstrategie sei daher nicht, eine Ansteckung langfristig zu verhindern, sagt Roland Elling. Er ist pädiatrischer Infektiologe an der Uniklinik Freiburg. Das sei auch nicht realistisch. Vielmehr ginge es darum, eine Infektion in den ersten Monaten, wenn der Säugling besonders gefährdet ist, zu vermeiden.
In der jetzt veröffentlichten Studie von Pfizer lag die Wirksamkeit des Impfstoffs drei Monate nach Geburt bei etwa 80 Prozent, wenn es darum ging, schwere Atemwegserkrankungen zu verhindern. Nach einem halben Jahr lag sie noch bei etwa 70%. Der Schutz vor einer Krankenhauseinweisung aufgrund von RSV wurde auf 57% errechnet.
Roland Elling von der Uniklinik Freiburg rät dazu, diese Daten jedoch erstmal vorsichtig zu interpretieren. Denn die Studie hat ein paar Schwächen: So haben zwar je etwa 3.700 Frauen den Impfstoff bzw. ein Placebo erhalten, keine zeigte schwere Nebenwirkungen. Die Anzahl der Probandinnen sei damit aber zu niedrig, um seltene Nebenwirkungen zu finden, so Elling. Außerdem sei die Studie während der Einschränkungen der Corona-Pandemie durchgeführt worden. Und diese hielten nicht nur Sars-Cov-2 in Schach, auch andere Viren wie RSV kursierten viel weniger. Insgesamt zeigten sich also nur wenige Infektionen in den Versuchsgruppen, die statistische Auswertung wird so wackeliger.
Sollten sich die Studienergebnisse jedoch bestätigen, könnte man also wirklich die Hälfte aller Fälle verhindern, in denen ein Säugling mit einer RSV-Infektion ins Krankenhaus muss, dann wäre das ein wichtiger Erfolg, so der Kinder-Infektiologe Elling.
Denn aktuell gibt es nicht viele Möglichkeiten Babys vor einer RSV-Infektion zu schützen. Besonders gefährdete Kinder wie Frühchen können bisher durch die direkte Gabe von Antikörpern geschützt werden. Doch die sind teuer und zudem unpraktisch: Die aktuell verfügbaren Präparate müssen monatlich gegeben werden, ihre Wirkung lässt schnell nach.
Den meisten Familien mit Neugeborenen bleibt in der Infektsaison also nur, ein besonderes Augenmerk auf die Hygiene zu legen und den Säugling von erkälteten Menschen fernzuhalten. Bei Geschwisterkindern mit dauerhaftem Kita-Schnupfen gestaltet sich das allerdings oft schwierig. Ein Impfschutz gegen RSV bedeutete also für viele Familien eine Sorge weniger.