Drei Corona-Mutationen sind derzeit gefährlich
Mittlerweile gibt es drei Corona-Mutationen, die besonders kritisch sein könnten. Die zuletzt entdeckte ist eine brasilianische Virusversion B.1.1.248 oder P1, die seit Anfang Januar auch in Japan verstärkt auftritt. Dann die in Südafrika identifizierte Variante B.1.351 oder auch 501Y.V2 und ihr britischer Cousin B 1.1.7 .
Alle drei Mutanten sind nach derzeitigem Kenntnisstand deutlich ansteckender als das Ursprungsvirus. Forscherinnen schätzen, dass sich die Ansteckungsgefahr um 50 bis 75 Prozent erhöht hat.
Denn alle drei neuen Virus-Varianten haben die Mutation N501Y: Sie führt zu veränderten Proteinen – in den sogenannten Spike-Proteinen. Das erleichtert dem Virus das Andocken an menschliche Zellen, so die Hypothese der Wissenschaftler.
Doch diese Einzelmutation kann nicht allein erklären, warum die neuen Varianten womöglich ansteckender sind. Denn die N501Y-Mutation trat im vergangenen Jahr mehrfach auf, verschwand dann aber wieder. Experten wie Richard Neher von der Universität Basel gehen davon aus, dass es erst die Kombination verschiedener Mutationen ist, die dem Virus einen Vorteil verschafft.
Verdacht: Die südafrikanische und brasilianische Variante versuchen der Immunabwehr zu entkommen
Die südafrikanische und brasilianische Variante tragen eine weitere Mutation im Erbgut, genannt E484K. Sie scheint die menschliche Immunabwehr zu schwächen.
Erste Untersuchungen zeigen, dass die Mutation E484 dem Virus helfen könnte, den schützenden Effekten von bereits gebildeten Antikörpern gegen SARS-CoV-2 teilweise zu entgehen: Das nennt man Immun-Escape-Mutation. Denn durch diese Mutation an einer Stelle im Spike-Protein scheinen einige Antikörper nicht mehr zu binden und das Virus neutralisieren zu können. Das bedeutet, das Virus entkommt zumindest teilweise der Immunantwort.
Außerdem gibt es nun Hinweise darauf, dass die brasilianische und die südafrikanische Variante Menschen infiziert, die bereits an Covid erkrankt waren.
Was bedeutet das Auftreten hoch ansteckender Mutanten für uns?
Zunächst ist der Verlauf der Krankheit Covid-19 nicht schwerer als beim herkömmlichen Corona-Virus. Aber dadurch, dass die Mutanten ansteckender sind, könnten weitaus mehr Menschen sterben, als durch ein Virus, das eine schlimmer verlaufende Krankheit verursacht, aber viel weniger Leute infiziert.
Deshalb sprechen Experten wie der Epidemiologe Adam Kucharski, Mathematiker von der London School of Hygiene and Tropical Medicine, davon, dass wir es mit einer neuen Pandemie zu tun haben.
Chefvirologe Christian Drosten von der Berliner Charité warnt:
Wie entstehen Mutationen?
Damit Viren sich vermehren können, müssen sie ihr Erbgut kopieren. Und dabei kommt es immer wieder zu Fehlern. Man kann sich eine Mutation wie eine Art Tippfehler vorstellen. Die meisten Fehler bleiben unbemerkt, ein paar können aber auch dazu führen, dass der Erreger neue Eigenschaften erhält. Und wenn diese neue Eigenschaft bedeutet, dass sich das Virus besser vermehren oder dem Immunsystem des Wirtes entwischen kann, dann ist das ein Wettbewerbsvorteil.
Bisher ist das Corona-Virus relativ langsam mutiert. Im Schnitt sind zwei Mutationen im Monat aufgefallen. Die neuen Virusvarianten zeichnet aber aus, dass sie in einem relativ kurzen Zeitraum viele Mutationen aufgesammelt haben – mindestens 17 Stück. Virologen sprechen da von einem Evolutionssprung.
Wie konnten diese erfolgreichen Coronavirus-Mutationen entstehen?
Solange jedes Virus überall einen anfälligen Wirt finden kann, den es infizieren kann, besteht kein Drang sich zu verändern. Wird es jedoch schwieriger genügend Menschen zu finden, weil viele die Infektion schon durchgemacht und Antikörper gebildet haben, dann muss sich das Virus einen neuen Weg suchen. Eine Mutation, die dazu führt, dass das Virus schwerer vom Immunsystem erkannt wird, ist da im Vorteil. Also kann die sich gut durchsetzen.
Dass solche Mutationen dort aufgetaucht sind, wo mittlerweile ein Großteil der Bevölkerung die Corona- Infektion durchgemacht hat - nämlich am Ostkap in Südafrika und in Manaus in Brasilien, halten viele Virologen für nachvollziehbar. Denn wenn die Bevölkerung immun gegen das herkömmliche Virus ist, muss es sich verändern um zu überleben.
Manche Experten fürchten auch, dass ähnliche Mutanten an weiteren Orten herangereift sein könnten. Und zwar in Ländern, die die Pandemie auch lange Zeit nicht unter Kontrolle bekommen haben wie zum Beispiel in den USA, Russland, aber auch in Spanien oder Italien.
Eine weitere Möglichkeit sich durch Mutationen gut an den Wirt anzupassen, hat das Virus, wenn es sich über lange Zeit im Körper eines Patienten aufhalten und vermehren kann. Zum Beispiel, wenn das Immunsystem sehr geschwächt ist, als Folge einer Chemo- oder Strahlentherapie. Da hat das Virus dann Zeit, alle Tricks zu testen.
Kann es zu mehr Mutationen kommen, wenn wir geimpft sind?
Möglicherweise ja. Experten wie Edward Holmes, Evolutionsbiologe und Virologe an der University of Sydney gehen davon aus, dass mit der Steigerung der Immunität in der Bevölkerung auch das Virus immer mehr versuchen wird, Schlupflöcher zu finden. Denn für das das Virus wird es ja immer schwieriger, einen anfälligen Wirt zu finden, weil zu viele Menschen immun gegen SARS-CoV-2 sind.
Vermutlich wird sich das Virus auch so verändern, dass die Infektionen saisonaler verlaufen. Denn wenn es in der Bevölkerung immer weniger anfällige Personen gibt, werden auch die optimalen Bedingungen für die Verbreitung wichtiger. Deshalb wird man auch die Impfstoffe irgendwann darauf anpassen.
Wie wirken die bekannten Impfstoffe gegen Mutanten?
Nach allem, was bislang bekannt ist, wirken die Impfstoffe zumindest auch gegen die Virusvariante B.1.1.7. aus Großbritannien. Und das obwohl die mRNA-Impfungen von Pfizer/BioNTech und Moderna genau auf das Stachelprotein abzielen, das auch von einigen Mutationen wie etwa der N501-Mutation betroffen ist.
Der Impfstoff von Biontech wurde bisher nur auf einige Veränderungen der Mutationen getestet
Eine im Preprint erschienene Studie des Pharmakonzerns Pfizer und der University of Texas kommt aber zu dem Ergebnis, dass der Impfstoff von BioNTech/Pfizer auch gegen die N501-Mutante wirksam ist. Dabei haben die Forscher:innen mit Blutproben von 20 geimpften Menschen gearbeitet. In vitro neutralisierten deren Antikörper auch bei 16 verschiedenen Mutationen des Virus.
Die jüngste Auswertung dieser Pfizer/Texas-Studie im Preprint zeigt jedoch, dass nicht die komplette Liste der Mutationen, die die neuen Varianten b.1.1.7 und B.1.351 auszeichnen, untersucht wurde. Sondern zwei Kombinationen von je drei Mutationen. Wichtig wäre es, die gesamte Kombination von Erbgutveränderungen zu analysiert, die die beiden Varianten aus Südafrika und Großbritannien auszeichnen.
Detaillierter wurde der Impfstoff von Moderna auf die Wirkung gegen Mutationen untersucht
Dazu hat Moderna zusammen mit den National Institutes of Health der USA drei SARS-CoV-2 Viren hergestellt, die die Mutationen, die in den Varianten Südafrika B.1.351 und in Großbritannien B.1.1.7 entdeckt wurden, komplett enhalten, also alle 17 Mutationen, die beide Varianten auszeichnen. Das ist bisher die einzige offizielle Studie, in der alle Mutationen gleichzeitig analysiert werden. Sie ist allerdings auch erst im Preprint erschienen. Die Viren wurden mit menschlichem Blutserum gemischt, um zu sehen, ob die sich bildenden Antikörper in der Lage sind, die Mutationen zu bekämpfen. Das gelang dem Monderna-Impfstoff bei beiden Varianten. Allerdings war die Konzentration neutralisierender Antikörpern bei der südafrikanischen Variante erheblich reduziert, d.h. diese Variante des Virus könnte Impfstoffen entgehen.
Warum Impfstoffe vermutlich auch gegen Mutationen des Ursprungsvirus schützen
Selbst wenn sich eine Mutation auf die Wirksamkeit des Impfstoffs auswirkt, macht sie ihn nicht gleich unbrauchbar. Die bislang zugelassenen Impfstoffe induzieren sogenannte polyklonale Antikörper, die an verschiedenen Stellen des Virus ansetzen. Verändert sich das Virus also an einer dieser Stellen, so schwächt das womöglich die Wirkung des Impfstoffs, macht ihn aber nicht völlig unwirksam.
Außerdem provoziert eine Impfung auch eine Immunantwort auf Zellebene, die dafür sorgt, dass bereits infizierte humane Zellen abgetötet werden.
Entwickeln die Hersteller ihre Impfstoffe bereits weiter, um Probleme durch Mutanten zu verhindern?
Das Mainzer Unternehmen Biontech erklärte dazu: "Wir untersuchen die Schutzwirkung des COVID-19-Impfstoffs gegen diese neuen Virusvarianten weiter."
Zudem versicherte der Geschäftsführer von Biontech, Uğur Şahin, immer wieder, dass man die mRNA-Impfstoffe schnell an neue Varianten anpassen könne. Er sagte:
Sowohl Biontech/Pfizer wie auch der US-Impfstoffhersteller Moderna arbeiten mit einer sogenannten Plattformstrategie. Das bedeutet, sie können auf die vorhandenen Plattformen der mRNA-Technologie zügig neue Impfmodelle aufsetzen. Damit sind die Impfstoffe im Falle einer Virus-Mutation vergleichsweise schnell anpassbar.
Impfstoff von Astrazeneca zeigt nur begrenzte Wirkung bei Virusmutation aus Südafrika
Aktuelle Studien legen nahe, dass der von AstraZeneca entwickelte Corona-Impfstoff gegen die Mutation des Coronavirus aus Südafrika wohl nur eine recht begrenzte Wirkung hat. Die vorläufigen Studiendaten der Universitäten Oxford und Witwatersrand sollen zeigen, dass das Vakzin bei der Variante B.1.351 wohl weiterhin wirksam gegen schwere Verläufe ist, leichte Erkrankungen aber weniger verhindert. Die Frage ist allerdings, wie aussagekräftig die Daten sind. Der Großteil der 2.000 Probandinnen und Probanden der Studie war jung und gesund.
Südafrika, das von der Corona-Pandemie besonders stark betroffen ist, hat seine Impfkampagne mit dem AstraZeneca-Impfstoff jetzt allerdings verschoben, bis weitere Erkenntnise zur Wirksamkeit des Impfstoffes bei Mutationen vorliegen.
Wie findet man Mutationen?
Durch genaue Untersuchung des Erbguts des Virus kann man Mutationen finden. Dabei werden positive Corona-Test-Proben einer so genannten Genom-Sequenzierung unterzogen. Diese Analysemethode untersucht den Bauplan des Virus im Detail und kann so Veränderungen in diesem Bauplan entdecken.
Bundesweit können das nur wenige Labore. Schätzungen gehen von einer niedrigen zweistelligen Zahl aus. Der Verband der akkreditierten Labore in der Medizin ist gerade dabei, die Zahlen abzufragen. Um das Erbgut der Viren zu sequenzieren, braucht es nicht nur spezielle Sequenziermaschinen, sondern auch eine gut ausgestattete Bio-Informatik, um die Baupläne des Virus dann auch auszuwerten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn möchte die Sequenzierung in Deutschland stärker vorantreiben und hat festgelegt, dass jedes Regionallabor fünf bis zehn Prozent seiner positiven Proben an diese Sequenzierlabore senden soll. Diese Labore wiederum geben die Daten dann an das Robert Koch Institut weiter. So hofft man zu entdecken, welche Mutanten des Virus bereits bei uns kursieren.