Vielfältige Landwirtschaft sorgt nach einer neuen Studie auch für bessere Erträge.

Biodiversität

Studie: Vielfältige Landwirtschaft nützt Menschen und Umwelt

Stand
Autor/in
Stefanie Peyk
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Die häufige Sorge, dass bei einer vielfältigeren Landwirtschaft die Erträge leiden, scheint unbegründet zu sein. Eine neue Studie zeigt: Wenn die biologische Vielfalt gefördert wird, kann das manchmal sogar für bessere Ernten sorgen.

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Das Artensterben schreitet voran – und als ein Treiber gilt die intensive Landwirtschaft weltweit. Aber was können Bäuerinnen und Bauern tun – sie müssen von ihrer Arbeit schließlich auch leben können? Antwort: Auf größere Vielfalt setzen – im Ackerbau zum Beispiel auf Fruchtfolgen mit mehr unterschiedlichen Pflanzen und auf gezielten Bodenschutz. Von dieser Art Diversifizierung profitiert nicht nur die Biodiversität – davon haben oft auch die Landwirte etwas. Das zeigt eine umfangreiche globale Studie im Fachmagazin Science unter Leitung der Unis Hohenheim und Kopenhagen.

Auch Wildbienen könnten in Kalifornien Erdbeerplantagen bestäuben

Bienen werden in Kalifornien unter anderem gebraucht, um Erdbeeren zu bestäuben. Aber auf den riesigen Monokulturen summen sie nicht von selbst – die Honigbienen-Völker werden extra zur Bestäubung hingefahren, erzählt der Agrarökologe Ingo Grass von der Universität Hohenheim in Stuttgart. Die neue Studie zeige, dass das auch nachhaltiger geht.

Dafür wurden die vielfältigen Systeme so gestaltet, dass es Blühstreifen zwischen den Erdbeerpflanzen gab, dass es Hecken gab, dass es offene Stellen gab, wo Wildbienen nisten können.

Die Idee dahinter war, so Grass, dass man die natürliche Bienenvielfalt fördert und die Wildbienen die Bestäubung der Erdbeeren gewährleisten. In der Studie hat das auch geklappt.

Das kennen wir auch aus Studien in Deutschland. Wenn wir Wildbienen fördern, dann ist der Ertrag der Erdbeere oft sogar noch besser als bei der Honigbiene, weil Wildbienen oft bessere, effizientere Bestäuber sind.

Erdbeeren benötigen Bienen und anderen Insekten als Bestäuber. Eine vielfältige Landwirdschaft sorgt auch dafür, dass mehr Wildbienen für die Bestäubung der Pflanzen sorgen können.
Erdbeeren benötigen Bienen und anderen Insekten als Bestäuber. Eine vielfältige Landwirdschaft sorgt auch dafür, dass mehr Wildbienen für die Bestäubung der Pflanzen sorgen können.

Mensch und Natur haben Vorteile durch vielfältigere Art der Landwirtschaft

Von dieser vielfältigeren Art der Landwirtschaft profitieren also Mensch und Natur. Und das gilt nicht nur für den Erdbeer-Anbau in Kalifornien. Für die Science-Studie haben die Forschenden Datensätze zu weit über 2.500 landwirtschaftlichen Betrieben auf fünf Kontinenten zusammengefügt – das ging vom Anbau von Winterweizen in Deutschland, über die Rinderhaltung unter Bäumen in Kolumbien bis zur Maisproduktion im afrikanischen Malawi, wo viele Menschen unter Mangelernährung leiden.

Mais macht erstmal satt, aber das Problem bei Mais ist: Mais enthält wenig Nährstoffe. Die Menschen sind viel gesünder, wenn neben dem Mais auch noch Kürbisse angebaut werden, Salat, Hülsenfrüchte wie Bohnen, die Eiweiß liefern, und auf den Feldern auch Obstbäume wachsen.

Das haben wir auch gesehen darin, dass die Leute besser mit Vitaminen versorgt waren, dass die Kinder besser gewachsen sind, also sich besser entwickelt haben, das alles sind dann große Vorteile von einer vielfältigen Landwirtschaft, die wir dort benötigen.
Gleichzeitig sorgt die größere Pflanzenvielfalt zum Beispiel für fruchtbarere Böden.

Ölpalmen müssen nicht unbedingt als Monokulturen angebaut werden

Die häufige Sorge, dass bei einer vielfältigeren Landwirtschaft die Erträge leiden, scheint unbegründet zu sein. Ingo Grass nennt als Beispiel den Ölpalmen-Anbau in Indonesien. Nach einer Schätzung der Umweltorganisation WWF steckt Palmöl in etwa jedem zweiten Supermarkt-Produkt, in Nuss-Nougat-Creme genauso wie in Waschmitteln oder Lippenstift. Für viele Palmöl-Plantagen musste Regenwald weichen. Der Regenwald kommt nicht zurück, aber die Monokultur muss auch nicht sein.

In der Studie haben sich die Forschenden auch sogenannte Agroforst-Ölpalm-Systeme angeschaut. Agroforst heißt: Landwirtschaft wird mit Forstwirtschaft kombiniert. In diesem Fall wurden zusätzlich zu den Ölpalmen, die ursprünglich aus Westafrika stammen, auch heimische Bäume gepflanzt.

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Damit bekomme man, so der Agraökologe Ingo Grass, die verlorene Artenvielfalt teilweise wieder zurück:

Einige Vogelarten, die wir sonst nur im Regenwald hätten, finden wir dann auch in der Ölpalme wieder. Und gleichzeitig haben wir auch dort festgestellt, dass der Ertrag nicht vermindert ist. Ganz im Gegenteil, es gibt sogar Ölpalmen, die dann sogar mehr produziert haben, vielleicht, weil sie von dieser Nachbarschaft mit den Bäumen profitieren.

Weniger Schädlinge im Streifenanbau

Mehr Vielfalt in der Landwirtschaft, das kann heißen, dass deutsche Bauern auf einem Feld nicht Raps oder Weizen anbauen, sondern beides nebeneinander in Streifen, die knapp 30 Meter breit sind. Dann gibt es weniger Schädlinge, das kann Pestizide sparen. Oder Landwirte legen Hecken und Blühstreifen als Lebensräume für etliche Vögel und Insekten an.

Was fast weltweit Vorteile bringt: die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten, zum Beispiel durch Mulchen oder mit Kompost. In Entwicklungsländern trägt eine Vielfalt an Weidetieren wie Rindern und Schafen auch zur Ernährungssicherheit bei. Je mehr unterschiedliche Maßnahmen, desto besser. In Zeiten des Klimawandels ist das wie Risikostreuung auf dem Aktienmarkt, sagt Grass.
Größtes Problem: Die Diversifizierung verursacht auch Kosten. Hecken anlegen oder mit Kompost arbeiten – das ist aufwändig.

Wenn wir Vielfalt und Nachhaltigkeit wollen, dann müssen wir uns politisch fragen: Was ist es uns wert? Und das dann entsprechend bei den Landwirten fördern.

Schon beim Einkauf können wir für mehr Vielfalt in der Landwirtschaft sorgen.
Schon beim Einkauf können wir für mehr Vielfalt in der Landwirtschaft sorgen.

Vielfalt in der Landwirtschaft beim Einkauf fördern

Beim Einkaufen könnten Verbraucherinnen und Verbraucher zum Beispiel auf Bio- und Fairtrade-Siegel achten oder bei Kaffee oder Kakao aus den Tropen auf das Siegel der Rainforest Alliance mit dem grünen Frosch. Das sind alles Labels, die eine größere Nachhaltigkeit garantieren sollen. Ein echtes Label für vielfältige Landwirtschaft allerdings gebe es nicht, bedauert der Wissenschaftler. Ihm ist wichtig, dass die Sache mit der vielfältigen Produktion nicht nur was für Bio-Landwirte ist.

Wir müssen gerade auch die konventionelle Landwirtschaft mitdenken. Sie macht in Deutschland mehr als 80 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche aus. Wenn wir wirklich etwas bewegen wollen, dann müssen wir sogar genau diesen Sektor ansprechen.

In der Naturkrise und der Klimakrise müsse die konventionelle Landwirtschaft Teil der Lösung sein.

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