Am 11. November 2024 begann die UN-Klimakonferenz in Aserbaidschan, einem der nach Dubai umweltfreundlichsten Länder der Welt, welches man derzeit auch nur "sehr umweltfreundlich" per Flugzeug erreichen kann.
Genauer heißt das, für die Anreise der mehr als 40.000 Teilnehmer und Vertreter von fast 200 Staaten flogen etwa 400 Flüge extra in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku. Das ist ein betrachtlicher Beitrag zur CO2-Bilanz, für eine Konferenz bei der es darum geht, das Abkommen von Paris umzusetzen - also die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Wie ist die Stimmung vor Ort, während die Klimaforschung gerade wieder Alarm schlägt und gleichzeitig das Gastgeberland Aserbaidschan im Vorfeld lieber ominöse Deals zu fossilen Geschäften abschließt? Und das ganz abgesehen vom Wahlsieg eines Donald Trump in den USA und dessen Drohung, aus dem Pariser Klimaabkommen auszutreten. Stefan Troendle im Gespräch mit Janina Schreiber, SWR-Redaktion Umwelt und Klima.
Trump, Erderwärmung und Weltklima: Vorzeichen für schwierige Verhandlungen
Stefan Troendle, SWR: Das aktuelle Jahr wird dem Klimawandeldienst Copernicus zufolge so gut wie sicher das erste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn sein, indem es im Durchschnitt mehr als 1,5 Grad wärmer war als im vorindustriellen Mittel. Also das war's in Sachen Erderwärmung. Ist das ganze Treffen dann nicht überflüssig?
Janina Schreiber: Ja, ich denke, das ist natürlich eine berechtigte Frage. Aber wie wichtig diese Konferenzen sind, das hat ja auch die aktuelle Meldung der Weltwetterorganisation, die ungefähr in die Richtung von der Copernicus Meldung geht, noch einmal deutlich gemacht.
Wir haben jetzt mehr als ein Jahr lang eine globale Temperaturerhöhung von 1,5 Grad. 2024 wird das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Und das 1,5-Grad-Ziel, muss man sagen, das ist zwar keine Überraschung, dass wir das überschreiten werden.
Der Weltklimarat hat ist es ja auch schon angekündigt, das Pariser Ziel von 1,5 Grad, das muss man aber sagen, das werden wir erst gerissen haben, wenn wir diese 1,5 Grad über einen langen Zeitraum wirklich überschreiten. Super ist das trotzdem nicht. Und es zeigt natürlich nur wir müssen ran. Wir müssen weg von diesen Treibhausgasen.
Jennifer Morgan, die Verhandlerin für Deutschland und die EU, die hat heute Morgen auch noch einmal klargemacht, hier in Baku: Das könnten unter diesen Vorzeichen natürlich schwierige Verhandlungen werden, auch wegen des Trump Sieges in den USA. Auch, weil das Ganze hier in Aserbaidschan, in einem Ölstaat stattfindet. Und ich denke, das alles ist es aber trotzdem wert.
Welche Alternative haben wir denn, außer die ganze Welt hier auf einem Gipfel zusammenkommen zu lassen? Denn die Atmosphäre, die gehört schließlich uns allen, und die sorgt eben dann auch dafür, wenn da zu viel Treibhausgase drin sind, dass das Klimasystem überall auf der Welt außer Kontrolle gerät.
Kann die COP trotz globaler Herausforderungen Wirkung zeigen?
SWR: Wenn jetzt der Gastgeber auf fossile Energien setzt und die USA einen Klimawandel-Ignoranten zum Präsidenten gewählt haben, was bringen solche Konferenz überhaupt?
Schreiber: Ja, also die Konferenzen können natürlich im besten Fall ein Momentum schaffen, also das ist das Klima Event des Jahres, das heißt alle gucken drauf. Staats- und Regierungschefs sind im besten Fall hier und schaffen auch dieses Momentum noch mal.
Al Jaber, der Präsident der vergangenen COP aus Dubai, hat das auch noch mal bekräftigt. Der hat das Zepter offiziell an den jetzigen Präsidenten der Klimakonferenz hier in Aserbaidschan übergeben und hat gesagt: Wir müssen ran.
Und seit Paris 2015 haben sich die Prognosen zumindest ja auch schon verbessert. Steuerten wir vorher auf fast eine vier Grad wärmere Welt zu, steuern wir jetzt schon auf eine 2,6 Grad wärmere Welt zu. Also die Prognosen zumindest die sind besser geworden. Es reicht natürlich immer noch lange nicht. Aber die Frage ist welche Alternative haben wir?
Klimigipfel im Zentrum eines Erdölfördergebiets
SWR: Das ist ja dein erster Klimagipfel. Wie ist das denn für dich? Also was bekommst du von der Stimmung vor Ort mit?
Schreiber: Ja, also gerade weil es mein erster Klimagipfel ist, ist das für mich persönlich natürlich wunderbar aufregend. Aber die Stimmung hier insgesamt ist schon angespannt. Also wenn man den Verhandelnden hier in die Gesichter blickt, dann bekommt man das natürlich auch mit. Erst mal wegen des Gastgebers - wegen Aserbaidschan.
Wir sind hier aber auch mitten im Erdölfördergebiet. Also hier wird das aus dem Boden geholt, was die Klimakrise antreibt. Das haben wir auf dem Weg hierher, vom Hotel ins Konferenzcenter, auch schon gesehen.
Außerdem überschattet dieser Trump-Sieg das Ganze natürlich. Die Verhandlerin für Deutschland und die EU, Jennifer Morgan, die hat das heute Morgen auch noch mal gesagt: Es wird die schwierigste Konferenz seit Paris 2015 werden. Um es kurz zu machen: Das Ganze ist spannend, aber auch angespannt. Auch weil natürlich das, was da verhandelt werden soll, gerade auch super schwierig ist, weil es um Finanzen geht.
Auch beim Klima ein springender Faktor: Geld
SWR: Genau. Du sagst es gerade, bei den meisten Konferenzen geht es um ein bestimmtes Thema - ums Geld. Das ist jetzt hier auch so. Was heißt denn das genau?
Schreiber: Ja, wenn wir Klimaschutz umsetzen wollen, dann geht es eben darum, erneuerbare Energien auszubauen oder Moore und Wälder zu schützen. Und das kostet eben erst mal Geld. Deshalb steht auch das im Zentrum der diesjährigen Verhandlungen. Die Länder sollten sich im besten Fall auf ein neues Klima-Finanzierungsziel einigen, also im besten Fall eine konkrete Summe Geld benennen, die vor allem die Industriestaaten nach 2025 dann mobilisieren sollen für ärmere, einkommensschwache Länder.
SWR: Um welche Summen geht es da?
Schreiber: Bislang galt: Jährlich hundert Milliarden US Dollar. Aber dieses Ziel wurde eigentlich auch erst zwei Jahre zu spät erreicht - das sagt die OECD - und das ist auch viel zu wenig. Jetzt liegen Forderungen von mindestens einer Billion auf dem Tisch, also das Zehnfache dessen, was bislang mobilisiert werden musste im besten Fall. Und wenn es wirklich den Bedarf decken soll, dann, sagen Berechnungen, brauchen wir eigentlich 2,4 Billionen pro Jahr.
Und viele Länder wie Bangladesch oder Pakistan, das müssen wir uns mal vor Augen führen, die bekommen die Klimakrise natürlich jetzt schon knallhart zu spüren. Und deshalb fordern zum Beispiel auch deutsche NGOs, wie ‚Brot für die Welt‘, die Klimafinanzierung, die darf eigentlich nicht nur für Klimaschutz, also den Ausbau von Erneuerbaren oder Waldschutz, genutzt werden. Die muss eigentlich auch die Zahlungen für Schäden und Verluste irgendwie abdecken.
Klimaschutz versus umweltschädliche Subventionen
SWR: Trotzdem: Sind solche Beträge, die du gerade genannt hast, auch nur im Entferntesten irgendwie realistisch? Also ohne die USA, vermutlich als wichtigsten Geldgeber? Und bei uns ist ja auch wegen dem Haushalt gerade die Regierung geplatzt, also wird auch nichts entschieden. Also, wie echt ist das, was da überhaupt gefordert ist? Was kann dabei rumkommen?
Schreiber: Ja du hast vollkommen recht, das ist ein großer Knackpunkt. Aber Geld oder Investitionen, das sind ja Fragen der Priorisierung. In Deutschland zum Beispiel könnten wir auf Bundesebene fast 50 Milliarden Euro frei machen. Die fließen nämlich gerade in umweltschädliche Subventionen, wie zum Beispiel das Dienstwagenprivileg oder die Kerosinsteuerbefreiung beim Fliegen.
Und es wird schon auch gerade diskutiert, mehr die in die Verantwortung zu nehmen, die eben große Mengen Treibhausgase in die Atmosphäre pusten - also Konzerne und Superreiche. Die G20 zum Beispiel, die will eigentlich auch da ran, bei der Besteuerung von Superreichen. Und da könnte man natürlich auch noch mal zusammenarbeiten, auf das hat sie sich zumindest geeinigt.
Öl und Gas als Ressourcen seien 'Geschenke Gottes'
SWR: Ja, oder das aktuelle Gastgeberland. Also ein hochrangiger Beamter der Konferenz in Aserbaidschan soll ja seine Rolle genutzt haben, um mögliche Abkommen über fossile Brennstoffe zu erörtern. Also kann da jetzt, du hast es ja vorhin auch schon angesprochen, überhaupt ein vorzeigbares Ergebnis rauskommen? Oder ist das für die Aserbaidschaner erstmal eine gute Show?
Schreiber: Ja also, diese Vorverhandlungen im Vorfeld der Konferenz, das reiht sich natürlich so ein bisschen ein in die Befürchtung, die sowieso schon viele Entwicklungsorganisationen auch beim Blick auf das Gastgeberland hatten. Das ist natürlich ein schwaches Vorzeichen.
Das Land ist eben bislang auch noch extrem abhängig von seinen Einnahmen aus der staatlichen Öl- und Gasförderung. Fossile Brennstoffe machen hier 90 Prozent der Exporteinnahmen aus, 60 Prozent der Staatseinnahmen, das ist natürlich auch ein riesen Ding für Aserbaidschan.
Aber zumindest hat Babayev heute Morgen bei der Eröffnung auch noch mal gesagt, man möchte den Ausbau der Erneuerbaren Energien fördern, und es hat sich auch schon eine Tochter gegründet, von diesem staatlichen Öl und Gaskonzern, und der will in Erneuerbare Energien investieren.
Andererseits hat auch der Präsident von Aserbaidschan auf dem Petersberger Klimadialog noch einmal klargemacht, man wolle bitte nicht dafür kritisiert werden, dass man weiterhin auch Öl und Gas fördert. Es sind eben Ressourcen, die da sind, und es sind auch Geschenke Gottes.
All das ist natürlich jetzt nicht gerade ein gutes Vorzeichen vor dem Hintergrund, dass man sich Dubai im vergangenen Jahr eigentlich auf den Einstieg aus dem Ausstieg aus den fossilen Energien geeinigt hat. Aber was wirklich Aserbaidschan für den Erfolg dieser Konferenz leisten wird, das wird sich in den kommenden zwei Wochen dann zeigen, wie ehrlich dieser Makler wirklich sein kann.