Durchbricht ein Flugzeug in Überschallgeschwindigkeit die Schallmauer, erzeugt das am Boden einen höllischen Lärm. Deshalb dürfen Überschallflugzeuge nur über See fliegen. Doch ein Ingenieurskunststück aus den USA könnte das ändern. Ingenieure sollen den Überschallknall nun deutlich reduziert haben – so laut wie eine zufallende Autotür soll er noch sein.
Warum knallt es, wenn ein Flugzeug die Schallmauer durchbricht?
In Überschallgeschwindigkeit fliegt ein Flugzeug schneller als seine eigenen Schallwellen. Die Schallwellen können sich also nicht mehr nach vorn vom Flugzeug wegbewegen. Dadurch entsteht ein hoher Schalldruck am Flugzeug selbst.
Da sich die Schallwellen nun mal nicht nach vorn ausbreiten können, bleibt ihnen nur ein Weg offen: Sie bilden einen Schallkegel, der sich hinter dem Flugzeug nach allen Seiten ausbreitet. Überquert dieser Schallkegel eine am Boden stehende Person, hört diese einen lauten Knall.
„Es ist also nicht nur einmalig, wie es im gesellschaftlichen Sprachgebrauch oft wahrgenommen wird, sondern dieser Überschallknall bewegt sich im Prinzip mit dem Flugzeug mit und ich erfahre den als Beobachter am Boden zu einem bestimmten Zeitpunkt“, erklärt Jochen Kirz, Forschungsingenieur für Aerodynamik am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) in Braunschweig.
Die Form macht die Musik: Lange Flugzeugnase reduziert Überschallknall
Ingenieure der NASA und des Unternehmens Lockheed Martin zeigten jüngst mit dem Überschalljet X-59: Es kann auch leise knallen – trotz 1.500 km/h Reisegeschwindigkeit. Entscheidend ist eine geschickte Form, etwa sehr schlank designte Flugzeuge, stark gepfeilte Vorderkanten der Flügel und eine lange Flugzeugnase.
Vor allem letztere wirkt wie ein Schalldämpfer: Sie teilt den Überschallknall in mehrere Häppchen und lenkt ihn somit nach oben in die Atmosphäre. Dadurch klingt er für uns am Boden sehr viel leiser.
„Lange Zeit war es besonders schwierig, den Überschallknall eines Flugzeugs vorherzusagen “, sagt Kirz.
In den letzten Jahren hat sich das gewandelt. Heutzutage helfen Simulationsmodelle Ingenieuren ein Flugzeug so zu designen, dass der Überschallknall kaum mehr zu hören ist.
Wissenschaftler untersuchen Umwelteinflüsse von Überschallflugzeugen
Im nächsten Schritt soll die X-59 Testflüge in den USA absolvieren, um Erkenntnisse zu liefern, wie die Bevölkerung den Lärm empfindet. Den Lärm des Überschallknalls zu senken, reicht jedoch allein nicht aus, um Passagierüberschallflugzeuge wieder an den Himmel zu bringen.
„Auch der Lärm bei Start und der Landung muss berücksichtig werden“, sagt Kirz. Die Triebwerke eines Überschallflugzeugs müssen mehr Schubleistung erbringen als Unterschallflugzeuge. Deshalb sind die Triebwerke eher für den Reiseflug, nicht aber für den Start und die Landung optimiert.
Das soll und muss sich ändern, da Überschallflugzeuge ähnliche Lärmgrenzwerte einhalten müssten wie Unterschallflugzeuge, damit sie von der Bevölkerung akzeptiert werden.
Auswirkungen von Überschallflugzeugen auf die Atmosphäre bislang unklar
Fest steht auch: Überschallflugzeuge haben aufgrund des höheren Tempos und Luftwiderstands einen höheren Verbrauch. „Wir gehen allerdings davon aus, dass die Triebwerke mit synthetischen, sogenannten SAFs, also sustainable aviation fuels, angetrieben werden“, so der DLR-Experte Kirz.
Welche Auswirkungen Überschallflugzeuge auf die Atmosphäre haben, lässt sich derzeit nicht sagen. „Wir haben aktuell sehr wenig Erfahrungswerte, was die Triebwerke von Überschallflugzeugen angeht“, sagt Kirz. Es gebe noch keine vergleichbaren Triebwerke, die ein Überschallflugzeug in der Größe eines Airliners für 50 bis 70 Passagiere antreiben.
Luftfahrt in Überschallgeschwindigkeit braucht klare Regeln
Noch gibt es keine klar definierten Emissions- und Lärmgrenzwerte für kommerzielle Überschallflugzeuge. Um den Flugverkehr über Land zuzulassen, arbeiten Wissenschaftler daran, Regeln für Überschallflüge aufzustellen, die denen von Unterschallflugzeugen ähnlich sind.
Außerdem nehmen sich Ingenieure weltweit der Mammutaufgabe an, Form und Antriebstechnik eines kleinen Jets wie der X-59 auf ein großes Passagierflugzeug zu übertragen. Das kann noch viele Jahre dauern.
Die nächste Generation von Überschallflugzeugen wird vermutlich noch nicht durch die Schallmauer "schleichen" können und daher nur über See fliegen dürfen.