Jahrelange lagerte das Fossil verborgen in einer verstaubten Kiste des Karlsruher Naturkundemuseums. Der Ärger, welcher sich nun schon seit Sommer 2020 nach und nach um „Ubirajara jubatus“ aufgebaut hat, haben die Mitarbeiter des Museums so bestimmt nicht erwartet. Denn Brasilien möchte das Stück vehement zurückhaben. Und mittlerweile (19.07.22) hat das Wissenschaftsministerium dieser Rückgabe auch zugestimmt. Das Karlsruher Naturkundemuseum habe falsche Angaben gemacht, heißt es von dort. Das Fossil hätte das südamerikanische Land niemals verlassen dürfen. Aber welche wissenschaftliche Bedeutung hat die Versteinerung überhaupt?
Es war einmal vor langer, langer Zeit
Erzählen wir die Geschichte von Anfang an: Die Rede ist vom Fossil eines Dinosauriers, der vor über 100 Millionen Jahren das heutige Brasilien durchstreifte. Er lebte im Nordosten des Landes, in einer Region, die von Geologen heute als Crato-Formation bezeichnet wird. Während der Kreidezeit existierte dort ein flaches Binnenmeer. Der Saurier, um den es in dieser Geschichte geht, muss in diesem flachen Gewässer ums Leben gekommen sein. Er wurde von Sediment überdeckt und versteinerte im Lauf der geologischen Zeitalter zu einem Fossil – einem von abertausenden.
Denn die Crato-Formation ist ein Teil der Santana-Formation und diese ist heute als eine der bedeutendsten Fossillagerstätten der Welt bekannt. Seit 1819 haben Forscher und Paläontologen hier massenhaft Funde zutage gefördert. Für die Wissenschaft ein Fossilien-Paradies das jede Menge Hinweisen auf den Saurier-Alltag vor Millionen von Jahren liefert.
Der Karlsruher Paläontologe Eberhard „Dino“ Frey hat die beiden Platten bei einem Fossilienhändler in Deutschland für das Museum erworben. Der genaue Ablauf ihres Imports ist nicht klar nachvollziehbar und entsprechend umstritten. In Karlsruhe landeten im Laufe der Zeit jedenfalls zwei cremefarbene Kalksteine - eine Platte und ihre Gegenplatte. Der Durchmesser des Fossils beträgt ca. 35 Zentimeter.
Um was es sich genau handelt, war den Forschenden lange Zeit nicht klar. „Es ist nicht so, dass einen das Fossil direkt anspringt und einem ins Gesicht schreit, was es ist." Betont Eberhard "Dino" Frey im Gespräch mit dem SWR.

Zwei Tage Rätselraten
Den ersten Schritt ins Rampenlicht der Wissenschaft machte das fossilienhaltige Stück Gestein, als das Team um Professor David Martill von der University of Portsmouth im Frühjahr 2020 beschloss genauer hinzusehen. Und genaues Hinschauen war nötig, denn bei den fossilen Überresten handelt es sich nur um Fragmente eines Tieres. Sie zeigen keinen Kopf, keine Beine, keinen Schwanz. Zu sehen ist nur die Hals- und Rumpfwirbelsäule und ein kleines Stück vom Becken sowie ein einzelner Arm. Mehr zeigte sich nicht im Gestein und das ließ die Forschenden im Dunkeln tappen. Was sich später als Borsten herausstellte hätten auch Algen oder Kratzer sein können. Zudem verdeckte kristallines Material Teile des Skelettes und die Bauchrippen waren nur noch in sehr zerbröselter Form erkennbar.
Und so lagen die Platten lange Zeit im Museum, ohne dass die Forschenden überhaupt wussten, was sie damit anfangen sollten. Gemeinsam mit seinem britischen Kollegen analysierte auch Eberhard Frey das Stück zwei volle Tage lang von allen Seiten - bis beiden klar wurde, dass es sich um einen Dinosaurier-Fossil handeln musste.

Ein "Glamour-Saurier"
Wenn Paläontologen eine neue Dinosaurier-Art entdecken, wird normalerweise über die Größe oder Geschwindigkeit der uralten Kreatur gestaunt. Bei diesem Fund faszinierte das unerwartete, spannende Äußere.
Von der Schnauze bis zum Schwanz war das Tier etwa 137 Zentimeter lang, hatte eine Schulterhöhe von 36 Zentimeter und wog so viel wie ein Truthahn. Dieser, was den Rumpf betrifft, etwa hühnergroße Theropode trug auf dem Rücken vermutlich eine dicke, voluminöse Mähne sowie ein Paar steife Bänder, die von jeder Schulter nach hinten ragten.
Die Wissenschaftler spekulieren, dass diese 15 Zentimeter langen, starren, speerähnlichen Federn aus Keratin sind – dem gleichen Protein, aus dem menschliche Haare und Nägel bestehen. Röntgenaufnahmen ermöglichten es den Forschenden außerdem, den Körper des Dinosauriers zu rekonstruieren. So konnten sie erkennen, dass der Saurier über zwei Hände mit langen Krallen verfügt haben muss.
Doch wozu seine glamouröse Aufmachung? Die auffälligen Körpermerkmale könnten Ubirajara jubatus dazu gedient haben, Gegner einzuschüchtern und potenzielle Partner anzulocken. „Angesichts seiner Extravaganz können wir uns vorstellen, dass der Dinosaurier sich aufwändigen Tänzen hingegeben hat" schreibt David Martill in einem seiner Berichte über den Fund. Die Forschenden halten es für wahrscheinlich, dass es sich beim brasilianischen Fundstück im badischen Museum um ein junges männliches Exemplar handelt. Dabei orientieren sie sich an jenen Unterschieden, die auch zwischen männlichen und weiblichen Vögeln zu finden sind. „Ubirajara jubatus“ wird jedoch trotz seines gefiederten Aussehens zu den flugunfähigen Dinosauriern gezählt.

Ein Sprachenmix als Name
In Anspielung auf ihren Ursprung und ihr Aussehen haben die Forscher der neuen Art dann den geheimnisvoll klingenden Namen „Ubirajara jubatus“ gegeben - ein Mix aus zwei Sprachen. Ubirajara bedeutet in Brasiliens indigener Tupi-Sprache so viel wie „Herr des Speeres“ , während Jubatus auf Latein für das Wort „Mähne“ steht.