Sechs Fälle von Dengue-Fieber hat die europäische Seuchenschutzbehörde bis jetzt registriert. Fachleute sprechen vom sogenannten "Lombardei-Cluster". Die Betroffenen haben sich vor Ort angesteckt, durch den Stich einer infizierten Tigermücke. Fachleute sagen: keine Panik, aber die Mücken müssten dort jetzt schnell bekämpft werden. Das Auswärtige Amt hat seine Reisehinweise für Italien deshalb aktualisiert.
SWR2 Impuls im Gespräch mit dem Virologen Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin.
Nicht die ersten Fälle von Dengue-Fieber in Europa
SWR2 Impuls: Sind Sie besorgt wegen der aktuellen Fälle?
Jonas Schmidt-Chanasit: Jetzt als Wissenschaftler ist das natürlich eine Situation, mit der man sich beschäftigt. Aber man sollte natürlich sehr vorsichtig sein und keine Panikmache betreiben. Wir sehen seit Jahren Dengue-Virusfälle, die in Spanien, Italien, Frankreich auftreten und dort erworben wurden. Insofern ist das jetzt nichts Neues für uns. Nichtsdestotrotz ist es natürlich etwas, womit man sich beschäftigen muss als Wissenschaftler.
SWR2 Impuls: Das heißt, Sie sind natürlich aufmerksam?
Jonas Schmidt-Chanasit: Richtig, und man muss natürlich auch etwas machen. Und das machen ja die Behörden vor Ort. Das heißt, man muss sehr schnell mit der Bekämpfung beginnen, damit es sich eben nicht ausweitet und noch mehr Fälle auftreten. Auf der anderen Seite muss man auch zurückhaltend sein. Was jetzt die Berichterstattung angeht. Es sind zum Teil noch nicht bestätigte Fälle, die in den offiziellen Meldesystemen eben auch so erfasst wurden. Insofern haben wir hier erst einmal wenige Einzelfälle, und man muss jetzt sehen, wie sich diese Situation wirklich darstellt.
Betroffene steckten sich in Italien mit der Tropenkrankheit an
SWR2 Impuls: Aber das Besondere bei den Fällen ist ja die lokale Ansteckung am Gardasee. Alle Betroffenen haben sich dort infiziert und nicht bei einer Fernreise nach Asien, oder?
Jonas Schmidt-Chanasit: Richtig. Aber genau diese Situation haben wir seit Jahren in Europa. Insofern ist das nichts Neues und nichts Besonderes. Lokal in Europa erworbenen Dengue-Virusinfektionen haben wir zum Beispiel letztes Jahr in Frankreich über 60 gehabt.
Aber man muss es natürlich weiter beobachten, weiter erforschen. Und vor allen Dingen muss man die Behörden befähigen, wenn so etwas passiert, wenn ein lokaler Fall auftritt, dass man dann schnell reagieren kann und eben Stechmücken gezielt bekämpfen kann.
SWR2 Impuls: Was ist denn für Sie das Interessante an diesen lokalen Fällen, das heißt, diese Mücken haben einen Menschen gestochen, der infiziert war, und haben sich dann selbst infiziert und tragen das Virus weiter an einen anderen Menschen, oder?
Jonas Schmidt-Chanasit: Genauso ist das: Reiserückkehrer bringen das Virus mit - zum Beispiel aus Thailand oder Brasilien. Sie werden dann dort vor Ort von der Tigermücke gestochen, die das Virus eben dann auch an dort ansässige Menschen übertragen kann. Wir sprechen dann von autochthonen Infektionen, also vor Ort erworbenen Infektionen. Und das ist eben etwas, was in den letzten Jahren zugenommen hat in Europa. Glücklicherweise haben wir bisher noch keinen einzigen solchen Fall in Deutschland gehabt.
Dengue wird auch in Deutschland auftreten
SWR2 Impuls: Ist es nur eine Frage der Zeit ist, bis sowas in Deutschland auftritt?
Jonas Schmidt-Chanasit: Es ist nur eine Frage der Zeit. Die Tigermücke breitet sich auch in Deutschland aus. Wir haben sie ja schon entlang des Rheins von Freiburg bis nach Frankfurt. Auch in Berlin gibt es Nachweise. Das wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen.
Und je größer diese Tigermückenpopulation sind, je mehr Tigermücken sozusagen vorhanden sind, desto größer ist natürlich auch die Gefahr, dass sie mal einen Reiserückkehrer stechen und es dann zu lokalen Zellen kommt.
Aber wir reden hier nicht von großen Ausbrüchen, sondern von einzelnen Fällen, kleineren Clustern, weil wir dann einfach im Herbst Temperaturen haben, die eine Übertragung nicht mehr ermöglichen.
SWR2 Impuls: Wäre es möglich, dass ich am Oberrhein, wenn ich in einen Hotspot komme, wo viele asiatische Tigermücken rumschwirren, so etwas bekommen könnte?
Jonas Schmidt-Chanasit: Genau, das kann jederzeit passieren. Damit rechnen wir auch. Man muss hier aber gut überwachen. Und vor allen Dingen: Wenn so etwas passiert, muss eine schnelle Bekämpfung der lokalen Tigermückenpopulation erfolgen, damit es nicht zu weiteren Ansteckungen kommt.
Symptome sind unspezifisch
SWR2 Impuls: Woran merke ich denn, dass ich so eine Erkrankung habe? Was sind die Symptome von Dengue?
Jonas Schmidt-Chanasit: Das Problem ist, dass das relativ unspezifische Symptome sind: Muskelschmerzen, Abgeschlagenheit, Fieber. Dann sollte ich natürlich auch immer zum Arzt gehen und vor allen Dingen sagen: Ich bin hier in einer Region, wo massenhaft Tigermücken vorkommen. Oder ich bin sehr stark von Tigermücken gestochen worden.
Das ist natürlich ein Hinweis, bei dem man dann auch gezielt als Arzt eine Diagnostik veranlassen kann, um eine lokal erworbene Dengue-Virus-Infektion auch nachzuweisen.
Tigermücken sind klein und auch tagsüber stechfreudig
SWR2 Impuls: Wie sehen Asiatische Tigermücken denn aus?
Jonas Schmidt-Chanasit: Asiatische Tigermücken sind im Vergleich zu einheimischen Mücken viel kleiner und viel dunkler, so richtig schwarz. Das erkennt man aber eigentlich ohne Lupe gar nicht.
Wirklich auffällig ist, dass sie kleiner sind, dass sie schreckhafter sind. Sie fliegen sehr schnell weg und können somit auch die Viren sehr gut verbreiten, weil sie eben versuchen, zu stechen, dann werden sie aufgescheucht und fliegen zum nächsten Menschen. Und das ist eben etwas, was sie gefährlich macht.
Und vor allen Dingen sind sie tagaktiv. Das ist ein großer Unterschied zu den einheimischen Arten, die eher dämmerungs- und nachtaktiv sind. Also wenn man am Tag durch kleine Stechmücken drangsaliert wird, dann ist das schon mal ein Hinweis.
Wirkstoff soll Mückenplage eindämmen
SWR2 Impuls: Die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage KABS hat gerade neue Einsätze in Baden-Württemberg angekündigt. Lässt sie mit dem Versprühen des biologischen Wirkstoffs BTI auch die Ausbreitung dieser tropischen Mücken wirksam bremsen?
Jonas Schmidt-Chanasit: Ja, das ist eine Methode. Man muss sich immer darüber im Klaren sein: Professionelle Stechmückenbekämpfung basiert auf vielen Methoden. Insbesondere sind sie auch auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen, weil es geht darum, Brutplätze der Tigermücke trockenzulegen. Das BTI kann ein zusätzlicher Faktor sein, um die Tigermückenlarven gezielt abzutöten.
Aber es braucht eben die Mithilfe der Bevölkerung, gerade in Kleingartenanlagen, wo man eben darauf achtet, diese Brutstätten trockenzulegen. Das ist ganz wichtig. Nur gemeinsam geht es. Und selbst dann kann man die Ausbreitung der Tigermücke nur verlangsamen. Niemand spricht davon, dass man sie komplett ausrotten wird. Das ist mit den jetzt vorhandenen Methoden leider noch nicht möglich, aber zumindest die Populationsdichte niedrig halten und die Ausbreitung verlangsamen. Das ist möglich.