Politisch ist es erstrebenswert, wenn wir später in Rente gehen, denn dann zahlen wir länger in die Rentenkasse ein und erhalten erst später Geld daraus. Das ist angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland kaum anders machbar. Aber ein späterer Renteneintritt hat auch Nebenwirkungen – denn er kann eine geringere Lebenserwartung bedeuten.
Späterer Renteneintritt erhöht Sterblichkeit
Das Forschungsteam der Universitäten Barcelona und Mannheim hat untersucht, ob es zwischen Sterblichkeit und Renteneintrittsalter einen Zusammenhang gibt. Und sie konnten empirisch nachweisen, dass ein späterer Renteneintritt die Sterblichkeit erhöht.
Dabei haben sie auf Sozialversicherungsdaten aus Spanien zurückgegriffen. Dort gab es eine Rentenreform, die das Eintrittsalter von 60 auf 65 Jahre angehoben hat. Wer vor dem 1. Januar 1967 Beiträge in das Rentensystem eingezahlt hat, konnte freiwillig mit 60 in Rente gehen, alle anderen mussten bis zum Alter von 65 Jahren warten. Han Ye von der Universität Mannheim erklärt:
Bausektor und Berufe mit viel psychischem und sozialem Stress besonders betroffen
Durch die Verschiebung des Renteneintrittsalters von 60 auf 65 Jahre steigt das Sterbe-Risiko also mit jedem Jahr, das länger gearbeitet wird. Aber nicht pauschal, bestimmte Gruppen sind besonders betroffen:
Die Forschungsgruppe warnt: Wenn gerade diesen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit schwerer körperlicher Belastung und hoher psychischer Belastung das Recht auf eine Frühverrentung genommen wird, dann kann das zu vorzeitigem Tod führen.
Längerer Verbleib im Job kann auch positive Effekte auf Lebenserwartung haben
Und diese Ergebnisse seien gut auf Deutschland übertragbar, versichert Forscherin Han Ye. Doch wie geht das zusammen mit den zahlreiche Studien, die zeigen, dass ein längeres Verbleiben im Job die geistige Fitness und das soziale Netzwerk fördert und die Menschen so "jünger" erhält. Das ist kein Widerspruch, sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Han Ye. Aber es greift eher bei Menschen mit höherem Qualifikationsniveau. Und dazu kommt es auch stark auf das Arbeitsumfeld der einzelnen Personen an.
Gerade die Arbeitsbedingungen in den letzten Beschäftigungsjahren spielen nach dieser Auswertung also eine wichtige Rolle für die Lebenserwartung. Dabei sind neben der körperlichen und psychosozialen Belastung, der Selbstwert der Arbeit und das Qualifikationsniveau entscheidende Faktoren. Die Forschungsgruppe warnt: Ein pauschales späteres Renteneintrittsalter verschärft die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ungleichheiten bei der Lebenserwartung.
Flexible Lösungen für einen besseren Übergang in den Ruhestand
Einen Ausweg bietet der schrittweise Übergang in den Ruhestand. Genau das haben in Spanien zahlreiche Menschen versucht – sie haben zunächst eine Teilrente beantragt. Und unter diesen Teilrentnern war die Sterblichkeitsrate deutlich niedriger. Forscherin Han Ye aus Mannheim zieht das Fazit:
Außerdem empfiehlt die deutsch-spanische Forschungsgruppe, eine weitere Anhebung des Rentenalters grundsätzlich mit einer besseren Gesundheitsvorsorge zu koppeln.