Zivilschutz

So steht es um die Bunker in Deutschland

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Autor/in
Luca Sumfleth
Onlinefassung
Antonia Weise
Ralf Kölbel

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine sind viele Menschen beunruhigt. Wären wir in Deutschland auf einen Ernstfall vorbereitet? Wie steht es um den Zivilschutz? Und gäbe es ausreichend Schutzräume?

Die Bilder von Menschen in der Ukraine, die sich in U-Bahn-Stationen und Bunkern vor den Bomben verschanzen, gehen um die Welt. Auch in Deutschland geraten Schutzräume wieder in den Fokus.

Zahl der der Schutzräume in Deutschland stark zurückgegangen

Von einst 2.000 Schutzräumen gibt es heute noch 599 öffentliche Bunker in Deutschland. Das gab das Innenministerium kürzlich bekannt. Ein wenig mehr als eine halbe Millionen Menschen könnten hier Schutz finden, so die zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Die meisten der verbliebenen Anlagen sind in Privateigentum und befinden sich vor allem in Bayern und Baden-Württemberg. Auch die Nachfrage für den Kauf von Privatbunkern ist in Deutschland rasant gestiegen.

In Berlin gibt es neben dem Tiefbunker unter der Badstraße zwei weitere öffentliche und funktionsfähige Anlagen. Das sind jedoch Ausnahmen, erklärt Dietmar Arnold, Vorsitzender des Vereins Berliner Unterwelten: "Unser Verein betreut diese Anlage bereits seit dem Jahr 2001. Wir haben dafür gesorgt, dass die Technik weiterhin funktioniert. Also die Anlage wäre im Ernstfall noch verwendbar."

Bunker nach Ende des Kalten Krieges stillgelegt

Nach Ende des Kalten Krieges wurde das öffentliche Schutzbaukonzept nicht mehr erneuert. Man brauchte die Bunker nicht mehr. Deshalb entschieden Bund und Länder im Jahr 2007, die Schutzräume schrittweise von ihrer Aufgabe zu befreien.

Tief- und Hochbunker, aber auch Stollen oder Mehrzweckanlagen wie U-Bahn Stationen oder unterirdische Parkhäuser mussten ihrer Schutzfunktion fortan nicht mehr nachkommen.

Hinter den Betonwänden entstanden Wohnhäuser, Galerien, Kletterhallen oder auch Musikclubs. Dass die verbliebenen 599 Anlagen im Katastrophenfall aber wirklich funktionstüchtig sind, bezweifelt auch die BImA.

Technische Instandhaltung alleine reicht nicht

Den Zivilschutzbunker unter der Badstraße in Berlin hat der Verein Unterwelten auch ohne Zivilschutzbindung technisch instand gehalten. Das bedeutet, dass technische Funktionen wie der Schutz vor radioaktiver Kontamination oder die Versorgung mit Atemluft funktionieren.

Dietmar Arnold erklärt, dass dies im Ernstfall jedoch nicht ausreicht, um die möglichen 1318 Personen aufzunehmen: "Man muss hier dann noch Wasservorräte und Lebensmittel reinbringen, sowie die ganzen Betten und Sitzbänke aufstellen. Das haben wir nur in einigen Räumen, weil ja keiner damit rechnet, dass so eine Anlage nochmal bestückt wird."

Der Zivilschutz habe auch bei anderen Aspekten wie der Wasserversorgung oder bei Sirenensystemen in den letzten Jahrzehnten zu wenig getan, sagt Arnold.

Stillgelegter Atombunker unter dem Nürnberger Hauptbahnhof
Schlafraum in einem stillgelegten Atombunker unter dem Nürnberger Hauptbahnhof.

"Wir müssen integrierter, ganzheitlicher, in komplexeren Szenarien denken"

Aufgrund des Krieges in der Ukraine hat das Bundesinnenministerium die weitere Aufhebung der Zivilschutzbindung durch die BImA gestoppt. Man will mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe eine Bestandsaufnahme der Schutzräume vornehmen.

Martin Voss leitet die Katastrophenforschungsstelle an der Freien Universität in Berlin und meint, dass die Diskussion über Bunker nur ein Teil der Lösung sein könne: "Wir müssen integrierter, ganzheitlicher, in komplexeren Szenarien denken."

Wir müssen anfangen uns, so Voss, "damit auseinanderzusetzen, dass wir als Gesellschaften ein großes Spektrum an Risiken und damit auch Katastrophenpotenzialen selbst schaffen, fortlaufend in unserem Handeln und darauf gezielt ganzheitliche Antworten suchen." Schutzbauten oder Warninfrastrukturen seien eine Komponente davon, aber die würden sich in ein größeres Ganzes einfügen müssen.

Präventive Maßnahmen wären wirksamer

Ob es um technische Lösungen als Reaktion auf Hochwasserkatastrophen oder die aktuelle Debatte um Schutzräume geht: Solche Lösungen seien immer nur „End-of-Pipe“ gedacht, erklärt Martin Voss. Das bedeutet: Als nachgeschaltete Maßnahme, um den bereits eingetretenen Schaden zu begrenzen.

Dabei gibt es andere, präventive Maßnahmen. Diese wären laut Voss auch im derzeitigen Konflikt viel wirksamer. Dazu zählt unter anderem die Solidarität mit anderen und das Leben als Gemeinschaft in einer Krisen- oder Katastrophensituation.

Eine vorausschauende und ganzheitliche Betrachtung von Katastrophenszenarien ließe sich letztlich auch für die Gestaltung von Schutzräumen denken. Dabei müssten diese nämlich mehr als nur physischen Schutz bieten, meint Martin Voss.

Mehrzweckgebäude als Zufluchtsort

Viel ließe sich seiner Meinung nach wohl durch Mehrzweckgebäude gewinnen, in denen Menschen physischen Schutz finden, aber auch mit grundlegenden Informationen, Nahrungsmitteln und Energie versorgt werden: "Hier könnten Leute erstmal einen Zufluchtsort haben, wo sie mit dem Nötigsten ausgestattet werden. Das können Orte sein, die man auch im Alltag entsprechend gestaltet."

In der Ukraine suchen viele Menschen Schutz vor den russischen Luftangriffen. In Deutschland gibt es derzeit nur eine begrenzte Zahl von Schutzräumen.
In der Ukraine suchen viele Menschen Schutz vor den russischen Luftangriffen. In Deutschland gibt es derzeit nur eine begrenzte Zahl von Schutzräumen.

Konzepte für solche Anlaufstellen gäbe es bereits. Welche Maßnahmen das Innenministerium nach Bestandsaufnahme der Schutzräume für die verbliebenen Anlagen in Deutschland ergreifen wird, bleibt jedoch abzuwarten. Es ließ jedoch bereits verkünden, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe im Jahr 2022 mit zusätzlichen Haushaltsmitteln gestärkt werden soll.

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