Medizin

Wie riskant ist die Corona-Impfung für schwerkranke Hochbetagte?

Stand
Autor/in
Ulrike Till
Onlinefassung
Ralf Kölbel

Die Meldung von 23 Todesfällen in Norwegen bei schwerkranken, sehr alten Menschen nach Corona-Impfung sorgt für Aufregung: Deutsche Senioren sind verunsichert. Impfskeptiker nehmen die Nachricht als Beleg dafür, dass ihre Ängste berechtigt sind. Ulrike Till mit einer Einordnung:

Wenn Menschen kurz nach einer Impfung sterben, denken die meisten, dass die Impfung der Auslöser war. Das ist zwar möglich, sehr oft ist es aber nur ein zufälliges Zusammentreffen. Das gilt auch für schwere Nebenwirkungen.

Herzinfarkte gibt es auch bei Scheinimpfungen

Das Paul-Ehrlich-Institut hat das bei einem Pressebriefing in der vergangenen Woche anschaulich vorgerechnet: Wenn man eine Million Hochbetagte über 85 mit einem Placebo impft – also einer Salzlösung ohne Wirkstoff – dann treten in der Woche nach der Scheinimpfung 191 Herzinfarkte und 27 Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse auf. Wohlgemerkt nach einer harmlosen Placebo-Spritze – der Zusammenhang ist also rein zeitlich, nicht ursächlich.

Mehrere schwer kranke, hochbetagte Menschen sind kurz nach einer Corona-Impfung verstorben. Ein direkter Zusammenhang muss da aber nicht zwingend bestehen.
Mehrere schwer kranke, hochbetagte Menschen sind kurz nach einer Corona-Impfung verstorben. Ein direkter Zusammenhang muss da aber nicht bestehen.

Todesfälle in Hochrisikogruppen

Richtschnur bei der Bewertung vermuteter Nebenwirkungen bis hin zu Todesfällen ist daher die Frage: Wie häufig sind die beobachteten Ereignisse normalerweise? Kommt es nach der Impfung plötzlich zu einer auffälligen Häufung? Auch in Deutschland sind bis zum 10. Januar sieben hochbetagte, schwer kranke Menschen kurz nach der Impfung verstorben.

Das Paul-Ehrlich-Institut geht allerdings davon aus, dass sie nicht an den Folgen der Impfung, sondern an ihren schweren Grunderkrankungen gestorben sind: Die Patienten oder Patientinnen litten unter anderem an Krebs, Niereninsuffizienz, Alzheimer und Hirnhautentzündung. Es gab in dieser Hochrisikogruppe keine auffällige Häufung von Todesfällen, so das PEI. Die Fälle werden aber weiter untersucht.

Für schwer kranke, hochbetagte Menschen kann die Corona-Impfung auch eine Belastung sein.
Für schwer kranke, hochbetagte Menschen kann die Corona-Impfung auch eine Belastung sein. Da sollte abgewogen werden, welches Risiko größer ist: das einer Impfung oder das einer Infektion mit dem Virus.

Abwägen von Risiko und Nutzen einer Corona-Impfung bei schwer kranken älteren Menschen

Auch die 23 Todesfälle in Norwegen sind bei sterbenskranken Hochbetagten aufgetreten. Die norwegischen Behörden halten es nicht für ausgeschlossen, dass Nebenwirkungen der Impfung mitverantwortlich für die Todesfälle seien. Das ist sehr vorsichtig formuliert. Der Chef der norwegischen Gesundheitsbehörde sagte dem British Medical Journal auch, er sei weder alarmiert noch besorgt.

Fieber könnte für schwer kranke ältere Menschen sehr belastend sein

Allerdings sollen norwegische Ärzte nun bei alten Patienten mit schweren Grunderkrankungen im Einzelfall abwägen, ob der Nutzen der Impfung größer ist als die Gefahr von Nebenwirkungen. Das sollte auch in Deutschland Standard sein.

Die norwegischen Behörden betonen, dass zum Beispiel Fieber, eine häufige Nebenwirkung der Impfung, schwer kranke Menschen besonders stark belastet. Gleichzeitig belegen aber die Daten aus den großen Zulassungsstudien, dass Nebenwirkungen bei jungen, gesunden Menschen häufiger auftreten als bei Seniorinnen und Senioren – einfach deshalb, weil ein junges und fittes Immunsystem stärker auf die Impfung reagiert.

Ob ältere, schwer kranke Menschen letztlich in Zusammenhang mit einer Impfung sterben oder letztlich an den Folgen ihrer schweren Erkrankung, lässt sich nicht immer sagen.
Ob ältere, schwer kranke Menschen in Zusammenhang mit einer Impfung sterben oder letztlich an den Folgen ihrer schweren Erkrankung, lässt sich nicht immer sagen.
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Ulrike Till
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