Wenn man die Infektionszahlen von Ringelröteln und Keuchhusten im Jahr 2024 mit den Jahren 2021 und 2022 vergleicht, kann man den Eindruck bekommen, es bahne sich eine Pandemie an. Die aktuellen Zahlen für mehrere Krankheiten liegen weit über den Werten der vergangenen Jahre.
Aber: Zum Teil liegt das an der Ausnahmesituation während der Corona-Pandemie. Viele Infektionskrankheiten, die uns - oft durch Impfungen kontrolliert - seit Jahrzehnten mehr oder weniger harmlos, aber beständig begleiten, sind in der Pandemie drastisch zurückgedrängt worden. Durch Kontaktbeschränkungen und das Tragen der Atemschutzmasken.
Zehn Mal mehr Fälle von Ringelröteln als vor der Pandemie durch Covid
So verhielt es sich auch im Fall der durch das Parvovirus ausgelösten Kinderkrankheit Ringelröteln. Sie sind vor allem für Säuglinge und für Feten während der Schwangerschaft gefährlich.
Vor der Pandemie konnte Martin Enders, Professor für Virologie und Leiter des Konsiliarlabors für Parvoviren in Stuttgart, die Infektion typischerweise bei zehn bis zwanzig schwangeren Frauen in einem Sommermonat nachweisen. Zur Zeit der Kontaktbeschränkungen fand sich nur ein Fall in zwei Jahren.
Nach der Pandemie stieg die Zahl beständig und übersprang allein im März 2024 die Marke von 240 Fällen. Also eine Verzehnfachung gegenüber der Vorpandemiezeit.
Der Virologe führt das auf ein durch die Kontaktbeschränkungen unterfordertes und dadurch geschwächtes Immunsystem zurück.
Die meisten Erwachsenen hatten irgendwann Ringelröteln
Lateinisch parvus heißt klein. Und tatsächlich ist das Parvovirus das kleinste bekannte krankmachende Virus beim Menschen. Es löst die Krankheit Ringelröteln aus.
Ringelröteln verlaufen in den allermeisten Fällen harmlos und ohne Symptome - sind aber weit verbreitet. Im Vorschulalter haben schon fünf bis zehn Prozent der Kinder eine Infektion durchgemacht, im Erwachsenenalter liegt die Rate bei 60 bis 70 Prozent. Die Infektion führt wahrscheinlich zu einer lebenslangen Immunität gegen die Krankheit.
Infektionskrankheit kann für Säuglinge und Föten gefährlich werden
Gefährlich werden kann das Parvovirus vor allem bei Säuglingen oder sogar schon bei Föten im Mutterleib, sagt der Stuttgarter Virologe Martin Enders: "Wenn man dort im Ultraschall einen Hinweis darauf findet, dass das Kind eine schwere Anämie oder auch eine Herzinsuffizienz entwickelt, dann kann man auch intrauterin (also: innerhalb der Gebärmutter) eine Bluttransfusion durchführen. So kann man den Föten Blut geben und so die Blutarmut ausgleichen und damit die Prognose bei den Kindern verbessern."
Eine Impfung gegen das Parvovirus gibt es nicht. Auch ist es kaum möglich, ihm aus dem Weg zu gehen. Denn Infizierte, die das ansteckende Virus weitergeben, zeigen in ihrer infektiösesten Zeit noch gar keine Symptome. Erscheinen die typischen roten Flecken im Gesicht und am Oberkörper, sind die Betroffenen kaum noch infektiös.
Wie schätzt der Fachmann für das Parvovirus die Lage ein? Besteht aktuell eine ernsthafte Gefahr? "Es macht mir insofern keine Sorgen, als man davon ausgeht, dass sich das wieder einspielen wird", sagt Virologe Martin Enders. Es werde keine Pandemie geben, das zeigten die niedrigen Zahlen. Aber schwangere Frauen, die in ihrem Umfeld Fälle von Ringelröteln wahrnehmen, sollten beim Frauenarzt abklären, ob sie auch infiziert seien.
Zahl der Fälle von Keuchhusten hat sich lediglich normalisiert
Anders verhält es sich beim Keuchhusten. Auch hier waren die Infektionszahlen durch die Kontaktbeschränkungen drastisch zurückgegangen. Von einem typischen Niveau vor der Pandemie von etwa 14.000 Fällen pro Jahr brach das Infektionsgeschehen auf etwa nur noch ein Zehntel der Fälle ein.
Im Vergleich dazu wirken die immerhin schon 3.000 gemeldeten Fälle aus 2024 bedrohlich. Aber eben nur im Vergleich mit den Rekordtiefständen zur Zeit der Kontaktbeschränkungen. Tatsächlich - und so meldet es auch das für Infektionskrankheiten zuständige Robert Koch-Institut - haben sich die Zahlen bei Keuchhusten seit dem Beenden der Schutzmaßnahmen aus Corona-Zeiten lediglich normalisiert.