Preisträger 2021

Medizinische Grundlagenforschung

Biontech-Forschende erhalten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstädter-Preis

Stand
Autor/in
Veronika Simon
Onlinefassung
Ralf Kölbel

Özlem Türeci, Ugur Sahin und Katalin Kariko vom Mainzer Unternehmen Biontech erhalten den renommierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstädter-Preis für medizinische Grundlagenforschung.

Der Paul Ehrlich – und Ludwig Darmstädter-Preis für medizinische Grundlagenforschung ist mit 120.000 Euro dotiert. Viele der Preisträger*innen haben in den folgenden Jahren den Medizin-Nobelpreis erhalten.

Weshalb haben die drei den Preis verdient?

Die beiden Biontech-Gründer Özlem Türeci, Ugur Sahin und die für das Unternehmen arbeitende Forscherin Katalin Kariko bekommen den renommierten Preis für die Nutzung der mRNA-Technik. In deren Erforschung waren die drei Preisträgerinnen und -träger aus Sicht des Stiftungsrats nämlich sehr wichtig. Unter anderem durch ihre Arbeit war es überhaupt erst möglich, dass es bereits so kurz nach Beginn der Corona-Pandemie einen hochwirksamen Impfstoff gibt.

Die in Deutschland weniger bekannte von den dreien ist sicher Katalin Kariko. In den USA und erst recht in Ungarn, wo sie gebürtig herkommt, ist sie aber sehr berühmt und gilt als "Mutter des mRNA-Impfstoffs". Sie hat schon vor Jahrzehnten daran geforscht, wie man mRNA nutzen könnte, auch als kaum jemand anders daran geglaubt hat. Und sie hat sehr viel Grundlagenforschung betrieben. Sie hat zum Beispiel herausgefunden, wie man die mRNA verpacken kann, dass der Körper sie nicht als fremd erkennt und direkt wieder zerstört. Und seit 2014 arbeitet sie für Biontech.

Ugur Sahin, Katalin Kariko und Özlem Türeci (von l. nach r.)
Ugur Sahin, Katalin Kariko und Özlem Türeci (von l. nach r.) vom Mainzer Unternehmen Biontech erhalten den Paul Ehrlich – und Ludwig Darmstädter-Preis für ihre Entwicklung von mRNA-Impfstoffen.

Langjährige mRNA-Forschung zur Therapie von Krebs

Die anderen beiden sind in Deutschland etwas bekannter: Das Gründer-Ehepaar von Biontech: Ugur Sahin und Özlem Türeci. Die beiden haben sehr viel Zeit in die mögliche Anwendung von mRNAs in der Krebstherapie gesteckt und daran geforscht. Das heißt, sie haben überlegt, wie man das Immunsystem so trainieren kann, dass es Tumorzellen präzise erkennt und ausschalten kann.

Auf diesem Feld haben sie aktuell auch mehrere klinische Studien, mit Ansätzen gegen etliche unterschiedliche Tumorarten. Und diese Erfahrungen mit der Frage, wie man das Immunsystem auf die Abwehr von Tumorzellen trainieren kann, haben sie sich für die Entwicklung eine Covid-19-Impfstoffes zunutze gemacht. Sie haben dieses Wissen genutzt, um einen Impfstoff zu entwickeln, der das Immunsystem auf die Abwehr von Coronaviren trainiert. Und das hat offensichtlich gut geklappt.

Biontech will die mRNA-Technologie auch im Kampf gegen Krebs, wie z.B. gegen Hautkrebs nutzen.
Biontech will die mRNA-Technologie auch im Kampf gegen Krebs, wie z.B. gegen Hautkrebs nutzen.

Alle reden von mRNA, wenn es um die Impfstoffe geht – aber was ist das überhaupt und wieso kann man das für eine Impfung verwenden?

Die mRNA (eigentlich messengerRNA) kommt ganz natürlich im Körper vor. Man braucht sie, damit die Zellen wissen, wie sie Proteine bauen können. Denn die Bauanleitung für diese Proteine liegt im Zellkern, in der DNA und da bleibt sie auch. Die Proteine werden aber woanders gebaut, außerhalb des Zellkerns bei den Ribosomen.

Die mRNA macht quasi eine Kopie der DNA, kopiert also die Bauanleitung und transportiert sie raus aus dem Zellkern hin zu den Ribosomen, sodass die wissen, wie das Protein aussehen soll. Wenn man jetzt dem Körper eine künstliche mRNA "unterjubelt", zum Beispiel bei der Impfung, dann bringt man den Körper dazu, das Protein selber herzustellen, die eigentliche Bauanleitung, die DNA bleibt aber unberührt. Im Fall der Corona-Impfung stellt der Körper dabei kleine Teilchen der Virus-Spikes her und trainiert damit das Immunsystem.

Bei der mRNA-basieren Impfung wird der Körper dazu gebracht, Antikörper gegen das Spike-Protein des Virus zu produzieren.
Bei der mRNA-basieren Impfung wird der Körper dazu gebracht, Antikörper gegen das Spike-Protein des Virus zu produzieren.

Was viele bei der mRNA-Impfung irritiert, ist ja die Sache, dass die Entwicklung von so einer neuen Technik so schnell ging. Wieso war das möglich?

Wenn man so will, hatten die Forschenden zu Beginn der Pandemie gerade alle Werkzeuge zusammen, um so einen Impfstoff herstellen zu können: Unter anderem durch die Arbeit von Katalin Kariko konnte man die mRNA sicher in die Zelle bringen und zum Beispiel durch die Arbeit von Shahin und Türeci gab es schon einige klinische Erfahrungen mit der Gabe von mRNA.

Darauf konnte man aufbauen und das haben die Leute von Biontech dann auch sehr schnell getan. Nicht nur sie, aber sie waren eben sehr schnell in der Produktion und Entwicklung. Ein mRNA-Forscher hat mal gesagt, dass die Pandemie nicht viele Jahre früher hätte kommen dürfen, denn dann wäre man vielleicht noch nicht so weit gewesen und wir hätten lange nicht so schnell so wirksame Impfstoffe in so großer Zahl zur Verfügung gehabt.

Ohne die Forschung von Biontech hätte die Entwicklung von Corona-Impfstoffen wohl wesentlich länger gedauert. (Symbolfoto)
Ohne die Forschung von Biontech hätte die Entwicklung von Corona-Impfstoffen wohl wesentlich länger gedauert.

Wird es in Zukunft weitere Medikamente und Impfstoffe auf mRNA-Basis geben?

Ja, tatsächlich gibt es Expertinnen Experten, die sagen, dass wir am Anfang der mRNA-Ära stehen. Es gibt Forschung zu sehr vielen unterschiedlichen Erkrankungen. Und es könnte tatsächlich sein, dass viele Krankheiten, die wir heute nicht therapieren können, mit mRNA geheilt werden könnten, z.B. eben Krebs oder Leberzirrhosen. Es könnte Impfungen gegen viele Infektionskrankheiten geben, wie z.B. HIV oder Malaria. Das ganze Feld "vibriert" aktuell und der Erfolg der Corona-Impfung ist da natürlich ein zusätzlicher Schub.

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Ralf Kölbel