Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat Anfang Januar 2023 ein neuartiges Medikament zur Behandlung von Alzheimer zugelassen. Das von den Pharma-Firmen Eisai und Biogen entwickelte Mittel mit dem Wirkstoff Lecanemab, das unter dem Namen Leqembi auf den Markt kommen soll, ziele "auf den Alzheimer zugrunde liegenden Krankheitsprozess ab" und beeinflusse ihn, anstatt nur die Symptome der Krankheit zu behandeln, erklärte FDA-Vertreter Billy Dunn.
Die nun erfolgte Zulassung von Leqembi durch die FDA durchlief ein beschleunigtes Zulassungsverfahren. Dieses ermöglicht es der Arzneimittelbehörde Medikamente für schwerwiegende Erkrankungen, ohne bereits zugelassene Behandlungen schneller freizugeben.
Kurz vor der Zulassung hatte eine Studie im New England Journal of Medicine weltweit für Schlagzeilen gesorgt: Der Wirkstoff Lecanemab hatte bei den Probandinnen und Probanden mit Alzheimer im Frühstadium das Fortschreiten der Krankheit ein Stück weit gebremst. Die beschleunigte FDA Zulassung basiert laut Nature News allerdings noch auf älteren Studiendaten, die schon vor einiger Zeit eingereicht wurden. Ist das nun der lange erwartete Durchbruch im Kampf gegen Alzheimer?
Medikament löst Ablagerungen im Gehirn
Ob Lecanemab das Leben von Menschen mit frühem Alzheimer deutlich verbessern kann, ist im Moment noch fraglich. Einige Fachleute sprechen von einem Meilenstein, andere raten angesichts riskanter Nebenwirkungen zur Zurückhaltung. Klar ist jedoch, dass die jüngsten Forschungsergebnisse ein großer Fortschritt sind.
Lecanemab löst Vorstufen der Ablagerungen im Gehirn auf, die als Hauptursache von Alzheimer gelten. Mit der Studie ist jetzt zum ersten Mal bewiesen, dass es bei Kranken messbare Verbesserungen gibt, wenn diese Plaques durch Medikamente verschwinden.
Damit können sich auch die Anhänger der „Beta-Amyloid-These“ bestätigt fühlen: jene große Gruppe der Alzheimer-Forschenden, die Ablagerungen des Eiweißmoleküls Beta-Amyloid für den geistigen Abbau verantwortlich machen.
Positive Veränderungen bei Gedächtnistests sichtbar
Eineinhalb Jahre lang wurden rund 900 Probandinnen und Probanden mit frühen Symptomen von Alzheimer mit dem experimentellen Antikörper behandelt, weitere 900 erhielten ein Placebo. Nach einem halben Jahr zeigten sich erste Unterschiede. Die Lecanemab-Gruppe schnitt bei Gedächtnistests und anderen Aufgaben besser ab – am Ende aber nur um einen halben Punkt auf einer Skala von Null bis 18.
Die positiven Veränderungen sind statistisch klar nachweisbar, aber was sie tatsächlich im Alltag bedeuten, ist umstritten: Manche Fachleute sagen, davon merken Patientinnen und Patienten kaum etwas, andere versichern, das sei ein deutlicher Effekt und auf jeden Fall relevant. Aber die positive Wirkung könnte sich mit der Zeit verstärken – das ist eine der großen Hoffnungen.
Vorsicht vor Nebenwirkungen
Wie viel eine Langzeittherapie tatsächlich bringt und ob man dann weiter alle zwei Wochen Infusionen mit dem Antikörper geben muss – das alles ist im Moment noch offen.
Auch die Nebenwirkungen führen zu Diskussionen: Lecanemab kann zu Blutungen und Schwellungen im Gehirn führen. In der Studie merkten die meisten Betroffenen davon aber wenig und klagten allenfalls über Schwindel.
Nutzen versus Risiken
Allerdings kam es häufiger zu Hirnblutungen und somit Schlaganfällen als in der Placebogruppe. Außerdem werden drei Todesfälle in Zusammenhang mit dem Mittel gebracht. Noch ist nicht klar, wie sie zu bewerten sind. Es zeichnet sich aber schon ab, dass die Behandlung für Menschen, die Blutverdünner einnehmen, zu gefährlich sein dürfte. Die FDA nahm in ihrer Zulassung eine Warnung vor möglichen Blutungen in die Arzneimittelinformationen auf.
Jedoch ist das Medikament nur für Menschen im ganz frühen Stadium geeignet, sonst sind die Schäden im Gehirn schon zu groß. Und: Das Mittel kann bestenfalls den Verlauf bremsen, ein Heilmittel ist es nicht.
Zulassung in Deutschland/Europa
Die Hersteller haben auch für Europa einen Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) gestellt. Wenn alles gut geht, könnte die Behandlung mit Lecanemab im Jahr 2023 auch in Europa möglich sein.
Auch Studien zu einem weiteren Antikörper-Medikament gegen Alzheimer mit dem Wirkstoff Donanemab zeigten Erfolge. Die Hersteller planen bereits den Zulassungsantrag für die USA zu stellen.