Vor allem alte Menschen leiden unter dem fortschreitenden Gedächntnisverlust. Erinnerungen verschwinden, das gesamte Denken wird schwieriger, weil ganze Hirnareale sich immer weiter zurückbilden. Häufigste Ursache der verminderten Hirnleistung: Alzheimer. Bei dieser tückischen Erkrankung verklumpen bestimmte Eiweiße im Hirn.
Rund eine Million Menschen alleine in Deutschland sind Schätzungen zufolge von Alzheimer betroffen. Bislang gilt die Krankheit als unheilbar. Doch ein weiterer wichtiger Schritt hin zum besseren Verständnis von Alzheimer ist jetzt Forscherinnen und Forschern an der Uni Bremen gelungen:
Untersuchungen an Fadenwürmern
An so genannten Nematoden, auch bekannt als Fadenwürmer, lassen sich Alzheimer-Prozesse direkt unter dem Mikrosop beobachten. Den "Alzheimer-Würmern" wurden humane Gene eingepflanzt, die im Verdacht stehen, die Entstehung von Alzheimer zu begünstigen.
Auch genetisch veränderte Fadenwürmer entwickeln Verklumpungen
Und genau diese Aggregation oder Verklumpung, macht die Würmer zu „Alzheimer-Würmern“ und damit so interessant für die Zellbiologin Prof. Janine Kirstein und ihr Team an der Uni Bremen. Die Biolog*innen haben den Würmern zuvor ein menschliches Gen injiziert, das die Ausbildung so genannter Abeta-Peptide anstößt. Diese Proteine entstehen in jedem menschlichen Körper, doch erst wenn sie sich zusammenlagern und so die typischen Verklumpungen im Hirn verursachen, erkrankt der Mensch an Alzheimer. Soweit der wissenschaftliche Kenntnisstand.
Anhand der genmanipulierten Fadenwürmer zeigte sich, dass es die so genannten IL-2-Neuronen sind, in denen die für Alzheimer typischen Verklumpungen beginnen und sich dann unaufhaltsam auf sämtliche Nervenzellen ausweiten. Entsprechende Versuche am Menschen – aus ethischen Gründen undenkbar, sagt Janine Kirstein. Und auch im Vergleich zur Forschung an Mäusen haben die Mini-Würmer entscheidende Vorteile: Die geringe Lebensdauer von maximal vier Wochen etwa.
Alzheimer-Prozesse im Zeitraffer zu beobachten
Sämtliche Prozesse laufen da quasi im Zeitraffer ab, und so konnten die Bremer Biolog*innen eben auch jene Nervenzelle „Zero“ ausfindig machen, in der Alzheimer beginnt – weil die Verklumpungen genau dort zuerst und stets einen Tag früher auftreten als in anderen Nervenzellen der Würmer.
Vielleicht könnte der Nachweis, dass es in einer bestimmten Nervenzelle beginnt, auch als Diagnostikum genutzt werden. Denn stünde die Nervenzelle „Zero“ als Startpunkt von Alzheimer unter besonderer Beobachtung, wäre klar: Patientin A hat wenig zu befürchten, Patient B hingegen, bei dem genau dort erste Verklumpungen auftreten, wird wohl an Alzheimer erkranken: Eine wichtige Erkenntnis, um möglichst früh therapeutisch einzugreifen.
Schon jetzt konnte Kirsteins Arbeitsgruppe in weiteren Versuchen zeigen, dass die Verklumpung und deren Übergreifen auf andere Nervenzellen durchaus verlangsamt werden kann. Das vornehmliche Ziel der weiterführenden Forschung sei es nun, die "Spieler" zu identifizieren, die diese fortschreitenden Aggregationen auch in anderen Zellen auslösen, um diese dann unterbrechen zu können. Das wäre eigentlich das große Ziel der Forschenden aus Maiz. Aber bis sie zu dem Punkt kommen, wird es wohl noch dauern.
Noch weitere Forschung notwendig
Zehn Jahre oder mehr könnte das noch dauern. Denn noch sind viele wichtige Fragen unbeantwortet: Warum etwa sind gerade die IL-2-Neuronen so anfällig für die Eiweiß-Verklumpungen? Und wie funktioniert eigentlich die Übertragung dieser Verklumpungen von einer Zellregion auf andere? Wie so oft in der Wissenschaft sei hier ein langer Atem notwendig, sagt Janine Kirstein, „weil eben vielleicht nicht unsere Generation davon profitiert, aber die Generation unserer Kinder.“