Rund 1,6 Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Demenz – die häufigste Form ist Alzheimer. Bei fast jedem dritten Patienten haben die Gedächtnisprobleme allerdings andere Ursachen und müssen anders behandelt werden:
Bei einer sogenannten vaskulären Demenz sind zum Beispiel Gefäßprobleme die Ursache. Hier können Blutverdünner helfen. Bisher ist die korrekte Diagnose aufwendig: Sichere Ergebnisse liefert eine schmerzhafte Biopsie des Rückenmarks oder ein teurer Hirnscan.
Nach Alzheimerspuren im Blut suchen Forscher schon lange. Bisher aber ist kein verlässlicher Test in Sicht. Das könnte sich ändern: In letzter Zeit haben Forscher im Amerikanischen Ärzteblatt JAMA und im Fachblatt Neurology gleich zwei vielversprechende neue Ansätze vorgestellt.
Könnte es bald einen Bluttest auf Alzheimer geben?
Einen Bluttest auf Alzheimer wird es sicher nicht ganz bald geben, denn dafür müssen sich die Ergebnisse erst noch in weiteren Studien bestätigen. Aber die neuen Ansätze könnten tatsächlich zu einem aussagekräftigen Bluttest führen. Die deutsche Gesellschaft für Neurologie hält das vor allem bei einem jetzt neu entdeckten Biomarker für möglich: Es geht um das Protein ptau-217.
Wenn das Protein im Blutplasma der Probanden deutlich erhöht war, fanden sich in der Regel auch die für Alzheimer typischen Ablagerungen im Gehirn. Ein internationales Forscherteam unter schwedischer Leitung hat das jetzt bei rund 1400 Menschen gezeigt. Auch in einer kleineren Studie in St. Louis haben Plasma-Tests auf ptau-217 gute Ergebnisse geliefert.
Die zweite neue Methode setzt nicht auf einen einzigen Biomarker, sondern auf zwei. Nämlich bestimmte Varianten des Proteins Amyloid-Beta. Das Verhältnis der beiden Proteine ändert sich, wenn die Ablagerungen im Gehirn zunehmen. Das lässt sich im Blut messen.
Waren diese Blutuntersuchungen aussagekräftiger als herkömmliche Methoden?
Nein, nicht besser, aber die Trefferquote war genauso gut wie bei den etablierten Verfahren, das ist schon beachtlich. Frühere experimentelle Bluttests hatten immer deutlich schlechter abgeschnitten. Mit dem ptau-217 Test ließen sich auch Träger einer Genmutation für Alzheimer schon Jahre vor dem Ausbruch der Krankheit identifizieren. Und bei der anderen Methode vermuten die Forscher sogar, dass der Bluttest vielleicht anschlägt, bevor überhaupt Ablagerungen im Gehirn entstehen. Da ist aber noch weitere Forschung nötig.
Im Moment ist die Diagnose von Alzheimer noch sehr aufwendig: Gedächtnistests alleine reichen nicht aus. Gewissheit bringen im Moment nur zwei Methoden: eine ist die sogenannte Liquorpunktion. Das heißt, es wird Nervenwasser aus dem Rückenmark entnommen. Darin lassen sich dann Spuren der Ablagerungen im Gehirn nachweisen. Eine solche Punktion kann für Patienten aber ziemlich schmerzhaft sein.
Das zweite Verfahren tut nicht weh, man braucht dafür aber sehr teure Geräte: nämlich einen Positronen-Emissions-Tomografen für einen PET-Scan des Gehirns. Ein Test im Blut oder Blutplasma wäre ungleich einfacher, und man könnte problemlos auch viel mehr Menschen damit untersuchen.
Aber was würde das in der Praxis bringen? Es gibt ja immer noch kein Heilmittel gegen Alzheimer, von daher ist die Diagnose ja erstmal nur extrem frustrierend…
Das stimmt, und das ist auch ein sehr berechtigter Einwand. Aber rund 30 Prozent der Patienten mit Demenz leiden gar nicht an Alzheimer, sondern an anderen Demenzformen. Es gibt zum Beispiel auch die frontotemporale und die vaskuläre Demenz. Bei der vaskulären Demenz spielen Durchblutungsstörungen in den Gefäßen eine Schlüsselrolle. Deshalb ist es wichtig, Blutdruck, Blutzucker und die Fettwerte richtig einzustellen. Dafür muss aber erstmal die richtige Diagnose da sein. Viel heikler ist die Frage, ob auch Menschen ohne Demenzsymptome von einem schnellen Alzheimertest profitieren.
Könnte ein Bluttest auf Alzheimer auch für ein Screening, also Reihenuntersuchungen von Tausenden von Menschen taugen, die geistig noch fit sind?
Solange es kein Heilmittel gibt, wäre das ethisch auf jeden Fall problematisch. Ich persönlich sehe das im Moment kritisch. Ich fürchte, dass das bei Betroffenen vor allem Panik schürt, wenn sich im Blut Zeichen für Alzheimer finden. Manche Experten sehen das anders: Sie meinen, dann könnte man Risikokandidaten zu mehr Bewegung, gesünderer Ernährung und einem aktiveren Sozialleben motivieren. Also eine breit angelegte Alzheimer-Prävention betreiben. Verhindern lässt sich die Krankheit so natürlich nicht, aber vermutlich lässt sich der Ausbruch zumindest ein Stück weit nach hinten schieben. Das ist der optimistische Blick auf ein Alzheimer-Screening.
Aber ist es denn sicher, dass jemand mit Biomarkern für Alzheimer im Blut auch wirklich krank wird?
Irgendwann vermutlich schon, aber vielleicht dauert es so lange, dass der Betroffene dann schon gar nicht mehr lebt. Diese ganz zentrale Frage ist noch offen: bisher prüfen Studien vor allem, ob Bluttests Ablagerungen im Gehirn so sicher entdecken wie bildgebende Verfahren oder Untersuchungen des Nervenwassers. Das ist aber ein Stück weit trügerisch.
Denn bisher werden diese etablierten Methoden fast nur bei Patienten genutzt, die schon deutliche Symptome von Demenz zeigen. Aber wie gut sich solche Messungen zur Prognose von Symptomen eignen, ist noch gar nicht klar. Auch Menschen mit gut funktionierendem Gedächtnis haben manchmal die gefürchteten Ablagerungen im Gehirn. Das hat sich bei Hirnschnitten von Verstorbenen gezeigt. Verdächtige Marker im Blut sagen leider nichts darüber aus, ob jemand wirklich noch zu Lebzeiten dement werden wird.
Wie lebt es sich mit Alzheimer?
Man hört immer wieder, dass ein verlässlicher Bluttest auch nützlich wäre für die Forschung an neuen Mitteln gegen Alzheimer – wie ist das zu erklären?
Da könnten schnelle, einfache Tests wirklich ausgesprochen nützlich sein. Denn die anderen Methoden sind entweder sehr unangenehm oder sehr teuer, beides macht es schwer, viele Probanden für Medikamentenstudien zu gewinnen. Mit einem sicheren Bluttest könnte man ohne Mehrkosten doppelt so viele Studien durchführen wie bisher – das sagt zumindest der amerikanische Alzheimerforscher Randall Bateman.
Außer dem Geld gibt es noch eine zweiten wichtigen Aspekt: Vermutlich scheitern viele Alzheimermittel deshalb, weil sie erst viel zu spät zum Einsatz kommen. Wenn man Probanden in ganz frühen Stadien, vielleicht sogar noch ganz ohne Symptome findet, wäre die Wirkung möglicherweise besser. Davon könnten dann eines Tages auch Patienten profitieren – wenn man sie schnell genug behandeln kann. Das ist gerade alles noch Zukunftsmusik, aber es sind auf jeden Fall positive Signale.