Gesundheit

Wie wirkt sich Mikroplastik im Blut auf den Körper aus?

Stand
Interview
Jochen Steiner
Dr. Ann-Kathrin Vlacil
Onlinefassung
Vinetta Richter
Vinetta Richter, Reporterin und Social Media Redakteurin SWR Wissen aktuell
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Mikroplastik ist inzwischen nahezu überall in der Umwelt zu finden, auch im Wasser. Über Meerestiere gelangt es auch in uns Menschen. Welche Folgen hat Mikroplastik für Immunzellen und Blutgefäße?

Im Jahr 2019 wurden nach Angaben des Weltverbands der Plastikhersteller weltweit 368 Millionen Tonnen Kunststoffe hergestellt. Plastik ist leicht und günstig, aber ein großer Teil landet irgendwann als Plastikmüll in der Umwelt und die kleinsten, haäufig auch zermahlenen Plastikteile, das Mikroplastik, gelangt in den Boden, ins Wasser und damit auch in Fische und Muscheln. Auch in menschlichen Ausscheidungen wurde schon Mikroplastik nachgewiesen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Marburg wollten wissen, wie sich Mikroplastik auf die Immunzellen und die Blutgefäße auswirkt. Das Team hat zunächst Experimente im Labor an Zellkulturen durchgeführt, dann an Mäusen. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden im Fachblatt Plos One veröffentlicht.

Forschende aus Marburg untersuchten die Auswirkungen von Mikroplastik im Blut am Modell von Mäusen.
Forschende aus Marburg untersuchten die Auswirkungen von Mikroplastik im Blut am Modell von Mäusen.

Ergebnisse der Untersuchungen

Das wichtigste Ergebnis aus den Untersuchungen ist, dass diese Mikroplastikpartikel Entzündungsreaktionen auslösen können, sagt die Humanbiologin Dr. Ann-Kathrin Vlacil. Sie ist die Hauptautorin der Studie der Forschenden der Uni Marburg.

Lange bekannt ist schon, dass zum Beispiel Rauchen oder Bluthochdruck oder auch erhöhte Blutfette diese Prozesse starten und zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Jetzt weisen die Ergebnisse der Studie erstmals darauf hin, das womöglich auch Mikroplastik zu diesen Risikofaktoren gezählt werden kann.

Mikroplastikpartikel im Blutsystem

Bei den Untersuchungen an Ratten und Mäusen hat sich gezeigt, dass das über die Nahrung aufgenommene Mikroplastik sich in verschiedenen Organen wie zum Beispiel der Leber ablagert. Das bedeutet, dass diese Partikel die Barriere der Darmwand überschritten haben und über den Blutkreislauf in die Leber gelangt sind.

Hier stellt sich der Wissenschaftlerin Vlacil die Frage, ob das Mikroplastik nur als eine Art "blinder Passagier" und ohne Konsequenzen durch die Blutgefäße im Organismus verteilt wird oder ob die Mikroplastikpartikel auch Einfluss auf die Zellen unseres Herz-Kreislauf-Systems haben.

Mikroplastikpartikel werden über den Blutkreislauf auch in Organe transportiert.
Mikroplastikpartikel werden über den Blutkreislauf auch in Organe transportiert.

In den Zellkultur-Versuchen beobachteten die Forschenden eine Entzündungsreaktion, wenn bestimmte Zellen mit Mikroplastik stimuliert werden. Die untersuchten Zellen waren sogenannte Endothelzellen. Das sind die Zellen, die unsere Blutgefäße von innen auskleiden und dementsprechend in direktem Kontakt mit Blut sind.

Bei Kontakt mit Mikroplastik produzieren sie außerdem Botenstoffe. Diese vermehrt vorhandenen Botenstoffe führen zu einer Bindung von Immunzellen an die Endothelzellen und somit zu einer Entzündung. Andauernde Gefäßentzündungen können zu Arteriosklerose und letztlich auch zu einem Herzinfarkt führen.

Für die Einschätzung, ob Mikroplastikpartikel als Risikofaktor eingestuft werden müssen, sind nach Einschätzung der Humanbiologin Dr. Ann-Kathrin Vlacil noch weitere Studien nötig.

Von der Zellkultur zu Versuche an Mäusen

Die Versuche zum Mikroplastik im Blutkreislauf wurden dann an Mäusen gemacht. Hier wurde Mikroplastik per Injektion verabreicht. Dabei traten die gleichen Entzündungsreaktionen auf, wie auch schon in den Zellkultur-Experimenten.

Die Verabreichung von Mikroplastik per Injektion ist nicht repräsentativ, da sich niemand Mikroplastik spritzt. Der Mensch nimmt den Großteil des Mikroplastiks vermutlich über die Verdauung und die Atemwege auf

Aktuell laufen deswegen noch weitere Untersuchungen, bei denen den Versuchtieren das Mikroplastik über die Verdauung zugeführt wird. Um das Experiment außerdem möglichst realistisch und auch aussagekräftig zu machen, werden die Partikel über einen längeren Zeitraum verabreicht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhoffen sich daraus Erkenntnisse über den Einfluss von Mikroplastik auf die Gesundheit von Herz und Gefäßen zu gewinnen.

Mikroplastik als Gesundheitsrisiko?

Auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse sieht es laut der Humanbiologin Dr. Ann-Kathrin Vlacil eher besorgniserregend aus. Noch liegen aber keine Daten zur Belastung der Menschen durch Mikroplastik vor. Es ist aber bekannt, dass wir Mikroplastik aufnehmen und dieser zum Beispiel über unseren Stuhl ausgeschieden wird.

Es ist aber noch nicht bekannt, ob die Mikroplastikpartikel wie bei den Mäusen auch die Darmbarriere überschreiten und ins Blut gelangen. Das hat vor allem technologische Gründe, weil es gar nicht so leicht ist, die mikrokleinen Partikel im Körper zu verfolgen.

Außerdem gibt es verschiedene Plastikarten. Für die Experimente nutzten die Forschenden der Uni Marburg vor allem Plastik, das in Autoreifen, Einweg-Plastikbesteck und Lebensmittelverpackungen steckt.

Generell kann man sagen, dass die Partikel leichter biologische Barrieren überschreiten und im Organismus aufgenommen werden, je kleiner sie sind.

Und der vermutlich größte Teil wird über die Atmung und die Verdauung aufgenommen.

Mikroplastik gelangt über verschiedene Wege meist über die Nahrung auch in unserem Körper.
Mikroplastik gelangt über verschiedene Wege meist über die Nahrung auch in unserem Körper.

Weitere Forschung in Arbeit

Die Aufmerksamkeit der Wissenschaft an diesem Thema ist in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Und damit auch das Bewusstsein in der Gesellschaft.

Bis jetzt ist leider viel im Zusammenhang mit Mikroplastik und dem Menschen noch nicht erforscht. Die Humanbiologin Dr. Ann-Kathrin Vlacil hoffen, dass ihre Arbeit den Weg für weitere Studien freimacht, die sich mit dem Thema in ganz unterschiedliechen Bereichen auseinandersetzen.