Wer einmal in der Wüste oder auf einer einsamen Insel den Sternenhimmel gesehen hat, weiß: Die paar Pünktchen, die wir hier in unseren Städten nachts am Himmel sehen, sind nur ein winzig kleiner Bruchteil der Pracht. Der Grund, weshalb wir so wenig sehen: Bei uns ist es zu hell. Die Städte, Dörfer, Straßen, Fabriken sind hell erleuchet. Es gibt bei uns nachts kaum noch wirklich dunkle Orte. Das ist nicht nur schade, wenn man Sterne bewundern möchte, das ist auch ein großes Problem für die Natur. Eine neue Studie im Journal of Applied Ecology hat jetzt gezeigt: Die Lichtverschmutzung könnte ein größerer Faktor beim Insektensterben sein, als bisher gedacht.
So überleben Motten den Winter
Woher weiß eine Mottenlarve wie das Wetter wird? Was wie eine Scherzfrage klingt, ist für die Motte bitterer Ernst. Denn um den Winter zu überleben, sollte sich die Larve nicht nur zu einer Puppe und dann weiter zu einem Falter entwickeln. Viel besser ist es sich im Herbst zu verpuppen und in den Ruhemodus zu schalten. Stoffwechsel runterfahren, Energie sparen, auf den Frühling warten.
Den richtigen Zeitpunkt für diesen Ruhezustand erkennen die Larven, wenn es im Herbst länger dunkel wird. Das ist ein viel zuverlässigeres Zeichen für den nahenden Winter, als zum Beispiel sinkende Temperatur. Doch dafür muss es auch wirklich dunkel werden. Ein europäisches Forschungsteam hat jetzt untersucht, ob auch ganz leichtes künstliches Licht ausreicht, um diesen Mechanismus durcheinander zu bringen.
Dafür sammelten sie in ländlichen und städtischen Gebieten in Europa sogenannte Gitterspanner. Diese Nachtfalter sind an sich weit verbreitet, doch ihre Anzahl nahm in den letzten Jahrzehnten rasant ab.
Lange, dunkle Nächte tragen zum Überleben der Motten bei
Für ihre Versuche züchteten die Forscherinnen und Forscher Gitterspanner-Nachkommen und teilten die Larven in zwei Gruppen. Die einen hatten eine normale Tag-Nacht-Umgebung: Tags war es hell, nachts dunkel, in einem Rhythmus, wie man ihn im Herbst beobachten würde. Bei den anderen aber blieb es auch nachts ganz leicht hell – in etwa so, wie ein Glimmen des Nachthimmels, der von einer weit entfernten Stadt noch etwas angeleuchtet wird. Anschließend beobachteten sie, wie sich die Larven entwickeln.
Das Ergebnis war eindeutig: Die Tiere, deren Nächte dunkel waren, gingen öfter in die Ruhephase über, bereiteten sich auf den Winter vor. Die Larven, die auch nachts noch ein klein wenig Licht wahrnahmen, entwickelten sich deutlich häufiger direkt weiter zum Falter. Dabei machte es auch keinen Unterschied, ob die Tiere aus der Stadt oder vom Land stammen: Offenbar konnten sie ihre Entwicklung bisher nicht an die Lichtverhältnisse der Umgebung anpassen.
Für die Populationen kann das in der Natur fatale Folgen haben – die Falter sind temperaturempfindlich. Wenn sie von der Kälte überrascht werden, ist das ihr Ende.
Die Lichtverschmutzung in Europa könnte also einen großen Anteil an dem Verschwinden der Gitterspanner haben, so die Autorinnen- und Autoren der Studie. Und wahrscheinlich ist der Falter nur ein Beispiel, denn es gibt viele Arten, die sich am Hell-/Dunkelrhythmus im Laufe des Jahres orientieren. Doch richtig dunkel wird es in Europa nur noch selten.