Mit künstlichem Licht machen wir Menschen die Nacht zum Tag. Für uns ist das ziemlich praktisch: In der Industrie zum Beispiel ermöglicht die nächtliche Ausleuchtung der Anlagen einen von Tageszeiten unabhängigen Betrieb. Doch genau das ist für viele Tiere ein Problem. Nachtaktive Tiere werden gestört, tagaktive Tiere sind plötzlich auch nachts unterwegs.
Jetzt untersucht ein Forschungsprojekt vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung GEOMAR in Kiel, wie sich künstliches Licht auf Lebewesen im Meer auswirkt. Denn auch unsere Küsten sind stark bebaut und damit auch beleuchtet.
Einfluss der Lichtverschmutzung bei Meerestieren wenig erforscht
Untersuchungen an terrestrischen Tieren zeigen, dass künstliches Licht das Orientierungsvermögen beeinträchtigt. Auch bei Meeresschildkröten konnte demnach gezeigt werden, dass Kunstlicht die Navigation der frisch geschlüpften Tiere zum Meer beeinflusst.
Natürlich beeinflusst die Lichtverschmutzung auch die Unterwasserwelt. Bisher sei dieser Aspekt jedoch weniger erforscht. Mit seinem Forschungsprojekt will der Meeresbiologe Mark Lenz einen Anfang machen, um den Einfluss künstlicher Beleuchtung auf Meeresbewohner, aber auch auf das gesamte Ökosystem besser zu verstehen.
Laborversuche sollen lichtabhängiges Verhalten untersuchen
Im Fokus der Forschung stehen pflanzenfressende Meerestiere, die sich am Boden des Meeres tummeln, also zum Beispiel Schnecken, Seeigel und verschiedene Krebstiere. Zur Untersuchung ihres Verhaltens in verschiedenen Lichtregiemen wurden die Meeresbewohner an mehreren Orten weltweit im Meer gesammelt und dann in die jeweiligen Labore überführt.
In den Laborexperimenten wurde ihnen zum einen die natürliche Dunkelheit in der Nacht simuliert. Sie wurden aber auch Kunstlicht ausgesetzt, das die nächtliche Lichtverschmutzung nachempfinden soll. Beobachtet wurde, wann die Tiere aktiv sind, also wann sie Nahrung aufnehmen, und wann sie schlafen.
Experimente finden weltweit statt
Das natürliche Lichtregime verändert sich mit den geographischen Breiten. Die Forschenden vermuteten daher, dass die Sensibilität gegenüber der Lichtverschmutzung von der Breite abhängen könnte. Aus diesem Grund haben sie in Laboren verschiedener Breiten, vom Äquator bis hin zu den Polarkreisen, in Europa und in Asien gearbeitet.
Die Forschenden arbeiteten ausschließlich in den Sommermonaten der Nordhalbkugel. Je weiter man nach Norden geht, desto länger werden also die Tage. In den Tropen wiederum ist die Tag-Nacht Länge über das Jahr konstant.
Lichtverschmutzung könnte Schlaf- und Fressverhalten verändern
Die nächtliche Beleuchtung gaukelt den Meerestieren einen längeren Tag vor. Als Konsequenz, so vermuten die Forscher, könnten die Tiere für eine längere Zeit aktiv sein, als das bei der natürlichen Tageslänge der Fall wäre. Längere Wachzeiten steigern den Energiebedarf, den die Tiere durch Fressen stillen müssten.
Bei nachtaktiven Tieren hingegen würde die Aktivitätsphase kürzer. Es könnte sein, dass diese dann weniger Futter benötigen.
Erste Ergebnisse: Tiere verändern ihr Verhalten
Die Experimente sind mittlerweile abgeschlossen. Auch wenn die Analysen noch andauern, sind erste Ergebnisse zu verzeichnen. Je nach Art zeigt sich, dass die Tiere unter Einfluss des Kunstlichts mehr oder weniger fressen.
Folgen für das Ökosystem noch ungewiss
Jetzt geht es darum herauszufinden, wo solche Effekte auftreten können und welche Folgen sie für das Ökosystem haben. Die beobachteten Pflanzenfresser regulieren durch ihr Fressverhalten beispielsweise die Verbreitung von Algen. Ändert sich die Fressaktivität, so gerät das Ökosystem aus dem Gleichgewicht.
Auch die pflanzenfressenden Meeresbewohner selbst könnten Leidtragende sein. Fressen sie beispielsweise weniger als unter normalen Lichtbedingungen, so könnte ihnen die notwendige Energie zur Fortpflanzung fehlen. Der Bestand würde abnehmen.
Ob es zu diesen Kettenreaktionen kommen kann, ist bisher reine Spekulation. Das Forschungsprojekt ist ein Startpunkt. Mit diesem Wissen können weitere Experimente über längere Zeit gestartet werden und der Einfluss auf das Gesamtsystem untersucht werden.
Zwei Ansätze zur Verminderung von Lichtverschmutzung
Um die Meereslebewesen und das Ökosystem zu schützen, muss die Lichtverschmutzung reduziert werden. Einerseits können die Beleuchtungszeiten optimiert werden. Das wäre zum Beispiel durch bewegungsempflindliche Lampen oder durch das Festlegen von Kernzeiten möglich, bei denen die Lampen ausgeschaltet werden.
Aber auch die Art des Lichtes spielt eine Rolle. Die nun vielerorts eingesetzten LED Lampen sind zwar energiesparend, sie strahlen aber ein ähnliches Lichtspektrum wie unsere Sonne aus. Tiere „verwechseln“ sie daher mit natürlichem Licht. Bei älteren Leuchtmitteln war dies nicht der Fall. Eine Lösung könnte es also sein, das Spektrum der LED Lampen so zu modifizieren, dass es dem Sonnenspektrum weniger gleicht.