Die Erkältungszeit ist wieder da, und damit beginnt in Kitas die Zeit der ausgedünnten Gruppen. Sowohl bei den Kindern als auch beim Personal macht sich die Krankheitswelle bemerkbar.
Unter Eltern kursieren viele Regeln, die angeblich bestimmen sollen, wann Kinder zu Hause bleiben müssen – etwa basierend auf der Farbe des Nasensekrets. Doch nicht alle diese Regeln sind aus medizinischer Sicht nachvollziehbar.
Dr. Stefan Buchner, Kinderarzt und Pressesprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Rheinland-Pfalz, klärt auf, welche Kita-Regeln bei Krankheiten wirklich sinnvoll sind.
Was bedeutet die Farbe des Nasensekrets wirklich?
SWR: Ist das Nasensekret gelb oder grün bedeutet das, zuhause bleiben – durchsichtig ist okay. Stimmt diese Regel so?
Stefan Buchner: Ja, da fängt es ja schon an, schwierig zu werden. Es hängt vor allen Dingen von der Menge des Nasensekrets ab. Wenn da ein kleines bisschen gelb in der Nase sitzt, heißt das nicht, dass das gleich ansteckend sein muss.
Man muss sich klarmachen: Kinder im Winter sind häufig krank und der Kindergarten ist keine infektfreie Zone. Das heißt, es ist ja auch gewollt, dass das Immunsystem trainiert wird, dass Kinder sich mit Krankheit auseinandersetzen.
Wenn ein Kind einen massiven Schnupfen hat und sich gar nicht mehr auf den Kindergarten konzentrieren kann, wie auf das Spielen, dann sollte es zu Hause bleiben. Aber es gibt manche Kinder, die haben wochenlang bisschen leichten Schnupfen, putzen dreimal am Tag die Nase und dann ist gut. Die können natürlich in den Kindergarten gehen. Wir sagen eigentlich: Wenn das Nasensekret gelb oder grün wird, dann ist der Infekt meist bald vorbei.
Das gilt bei Hautausschlägen bei Kindern
SWR: Eine andere Regel lautet: Bei einem Hautausschlag muss das Kind zu Hause bleiben. Ist jeder Hautausschlag so gefährlich, dass das Kind wirklich zu Hause bleiben sollte?
Stefan Buchner: Bei einem akut auftretenden Hautausschlag würde ich das schon empfehlen, solange man nicht weiß, was die Ursache ist. Häufig sind das Virusinfekte und die sind ansteckend, und das sollte man sehr vermeiden.
Wenn dann klar ist, wo der Ausschlag herkommt – heißt, das Kind hatte 3 Tage Fieber und danach kommt ein Ausschlag – dann ist ja das Dreitagefieber zum Beispiel wahrscheinlich. Das sollte man dann aber trotzdem mit einem Arzt abklären.
Kranke Geschwister – Dürfen gesunde Kinder trotzdem in die Kita?
SWR: Gibt es denn einen Lieblings-Mythos rund um erkrankte Kinder, mit denen Sie immer wieder konfrontiert werden?
Stefan Buchner: Ja, da gibt es wahrscheinlich sehr viele Mythen, und eines hatten Sie ja eben schon genannt: diese Einteilungen der verschiedenen Schnupfenarten. Was wir immer wieder gefragt werden, ist: Wie ist das mit den Geschwisterkindern? Die sind noch gesund, aber darf ich sie trotzdem in den Kindergarten schicken?
In der Regel dürfen Kinder, solange sie gesund sind, in den Kindergarten gehen, auch wenn ein Geschwisterkind akut erkrankt ist, bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen.
So lange sollte das Kind nach Fieber nicht in die Kita
SWR: Noch eine Regel, und ich glaube, die ist den allermeisten ziemlich klar: Wenn ein Kind Fieber hat, gehört es nicht in den Kindergarten. Aber wie lange sollten Eltern nach einer Fiebererkrankung noch warten, bis sie das Kind wieder in die Kita schicken?
Stefan Buchner: Wir empfehlen in der Regel 24 bis 48 Stunden zu warten und zu sehen, dass das Kind wirklich fit ist, das Fieber auch anhaltend wegbleibt und der Infekt, den es durchgemacht hat, auch wirklich auskuriert ist.
Wenn die Kinder zu früh wieder in die Kita geschickt werden, dann passiert es ja relativ häufig, dass dann im Laufe des Tages das Fieber doch wieder auftritt und die Kinder zum Beispiel am frühen Nachmittag aus dem Kindergarten abgeholt werden müssen.
Was ist mit der Kita, wenn das Kind über Wochen hinweg verschnupft ist?
SWR: Oft heißt es auch, Kinder sollen nur symptomfrei kommen. In der Erkältungszeit sind Kinder aber manchmal wochenlang verschnupft – die sollten dann gar nicht kommen? Aber Sie haben ja gesagt, ein leichter Schnupfen geht ja schon, oder?
Stefan Buchner: Genau, vielleicht sollten Eltern sich auch ein bisschen an sich selbst orientieren. Wenn die sagen: "Ich bin ein bisschen erkältet, aber ist nicht so schlimm, ich kann zur Arbeit gehen", so ähnlich ist es beim Kind ja auch. Solange das kein erschöpfender Husten ist, dass sie wirklich auch gar nicht mehr sich auf ihre Aufgabe oder das Spielen konzentrieren können.
Solange der Allgemeinzustand gut ist, keine starken Schmerzen da sind oder das Kind sehr müde ist, sodass es sowieso nur noch schlafen will, kann es normalerweise in den Kindergarten gehen – also bei leichten Erkältungssymptomen. Das Fieber sollte zum Beispiel nicht über 38,5 Grad Celsius sein. Wenn es höher ist, sollte ein Kind nicht mehr in den Kindergarten gehen.
Durchfall und Erbrechen – Regelungen bei Magen-Darm-Infekten
SWR: Jetzt haben Sie gerade schon ein paar sinnvolle Faustregeln genannt. Gibt es denn noch weitere, die hilfreich sind?
Stefan Buchner: Das Thema Durchfall und Erbrechen hatten wir noch nicht, auch da gilt: 24 Stunden Beschwerdefreiheit. Bei Magen-Darm-Infekten ist es in der Regel so: Die sind am Anfang besonders anstrengend, da werden die meisten Viren ausgeschieden, im Verlauf wird das dann deutlich besser.
Auch wenn ein Kind dann vielleicht noch einmal am Tag Durchfall hat und bei einem Windel-Kind die Windel nicht überläuft, ist es eher nicht mehr ansteckend. Da ist oft das Personal dann auch eher vorsichtig, aber natürlich auch zurecht.
Wie gut ist das Kita-Personal vorbereitet?
SWR: Erzieherinnen und Erzieher sind ja keine Ärzte, aber ein bisschen sollten sie sich ja um die Gesundheit der Kinder kümmern – das tun sie ja auch – und sie sollten sich auch ein bisschen auskennen. Aber wie gut kennen sie sich aus, gibt es da Umfragen oder Erhebungen?
Stefan Buchner: Dazu kenne ich keine Erhebungen, aber aus der Erfahrung heraus sind die Kindergärten eigentlich schon in der Regel relativ vernünftig und gut geschult. Das heißt, ich erlebe selten, dass Kinder jetzt unberechtigt weggeschickt werden, das kommt eher selten vor.
SWR: Oft ist es ja so: Die Eltern stehen unter einem gewissen Druck, müssen ja auch irgendwie arbeiten. Haben Sie aus Ihrer Erfahrung mitbekommen, dass der Druck dazu genommen hat, dass die Kinder ja doch irgendwie in die Betreuung geschickt werden müssen, auch wenn sie nicht so wirklich fit sind?
Stefan Buchner: Leider höre ich sowas immer wieder, dass Eltern auf der Arbeit nicht fehlen können und ihre Kinder dann kränker als erlaubt in den Kindergarten schicken.
Und das ist sehr schade, weil eigentlich haben die Eltern ja ein Anrecht auf Kinderkrankentage. Das heißt, 20 Tage pro Elternteil können theoretisch gefehlt werden. Insofern sehr schade, wenn die Kinder dann doch krank in den Kindergarten geschickt werden.
Vorbeugung von Infekten – Praktische Tipps für den Winter
SWR: Haben Sie zum Schluss noch den ein oder anderen Tipp, wie man jetzt gerade zur kalten Jahreszeit diesen Kreislauf der dauernden Ansteckung zu Hause irgendwie durchbrechen kann?
Stefan Buchner: Ja, das wäre schön, wenn es da einen Tipp gäbe. Die üblichen Regeln, um Infekte zu vermeiden, sprich: Händewaschen, wenn die Kinder nach Hause kommen aus dem Kindergarten, Anniesen und Anhusten vermeiden. Das klappt natürlich bei kleinen Kindern im Kindergarten nicht, aber auch da kann man ja schon ein bisschen erzieherisch wirken, dass sie eben in die Ellenbeuge versuchen zu husten, je nach Alter.
Den perfekten Tipp gibt es nicht, aber was man sagen muss: Es gibt auch kein Vitaminpräparat, was einem da hilft.
Hilfreich ist Abhärtung, das heißt, die Heizung zu Hause nicht zu hoch drehen, gesunde und abwechslungsreiche Ernährung und viel auch mit den Kindern rausgehen, wenn sie gesund sind, einfach um das Immunsystem zu trainieren.