Ob auf Demos, bei Fußballspielen oder bei Hilfseinsätzen: Immer öfter werden Rettungskräfte Opfer von Gewalt. Baden-Württembergs Innenminister Strobl will daher bei der Innenministerkonferenz in Berlin vorschlagen, das Mindeststrafmaß für Angriffe auf Rettungskräfte zu erhöhen - von drei auf sechs Monate. Das signalisiert Härte und konsequentes Durchgreifen. Aber was soll das bringen, wenn eigentlich ganz andere Schritte nötig wären, findet Stefan Troendle in seinem Kommentar.
Die echten Probleme werden von der Politik nicht angegangen
Nein wir brauchen keine härteren Strafen. Ganz einfach, weil die nichts bringen. Ob jemand auf dem Papier drei oder sechs Monate in den Knast wandert, wenn er Rettungskräfte attackiert – welchen Unterschied macht das, wenn Strafen unter zwei Jahren in der Regel zur Bewährung ausgesetzt werden?
Mal abgesehen davon, dass nach dem Gesetz in diesen Fällen schon heute bis zu fünf Jahre drin sind – für die, die Helfer mit Steinen bewerfen oder an Silvester mit Böllern, die Feuerwehrautos beschädigen. Der baden-württembergische Innenminister versucht sich, mit seinem Vorstoß lieb Kind bei Polizisten und Feuerwehrleuten zu machen – die echten Probleme geht er aber nicht an.
Als Gesellschaft müssen wir uns fragen, woran das liegt, dass Menschen diejenigen angreifen, sie bedrohen, sie behindern, die ihnen helfen wollen? Ist das nur Selbstüberhöhung, ist das purer Egoismus? Schlechtes Benehmen, mangelnde Erziehung, Werteverfall? Radikalisierung durch soziale Medien?
Strafen können auch einen erzieherischen Aspekt haben
Ich habe bisher niemanden gefunden, der eine klare Antwort darauf hat. Aber: ich hätte einen Vorschlag. Strafen sollen im Idealfall bekanntlich nicht nur weh tun, sie können auch einen erzieherischen Aspekt haben. Daher halte ich es für sinnvoll, derartige Täter zu einer hohen Anzahl von Sozialstunden zu verpflichten, gerne auch zusätzlich zur Bewährungsstrafe und zwar am besten genau bei der Hilfsorganisation, die derjenige angegriffen hat.
Wer einmal ein Feuerwehrauto per Hand gewaschen und poliert hat, der dürfte Rettungsfahrzeuge künftig wohl nicht mehr mit Steinen bewerfen. Wer einen verpflichtenden Erste-Hilfe-Kurs absolviert hat und Sanis zum Kreisligaspiel auf dem Fußballplatz begleiten muss, der, so bleibt zu hoffen, wird keine Retter mehr attackieren, die auf der Straße Hilfe leisten.
Frust am Staat häufiger Auslöser für Übergriffe auf Hilfskräfte
Abseits von Großstädten vermittelt sich nämlich durch so ein Pflichtengagement ganz nebenbei noch etwas anderes: Wie viele Menschen es bei uns gibt, die sich in ihrer Freizeit engagieren, die freiwillig und ehrenamtlich bereit sind, anderen zu helfen. Und wie dumm es daher ist, genau diejenigen anzugreifen. Sollte diese Einsicht greifen, macht es sie vielleicht sogar zu Helfern.
Viele Zivildienstleistende sind früher nach ihrem zwangsweisen Engagement bei Hilfsorganisationen ehrenamtlich dabeigeblieben. Anstatt also wieder mal höhere Strafen zu fordern könnte der baden-württembergische Innenminister versuchen, das Problem konstruktiv anzugehen, diejenigen einzubinden, die ihren Frust am Staat abreagieren wollen und dafür Helfer ins Visier nehmen. Das ist sicher viel schwieriger. Aber vielleicht ja auch effektiver, wenn es darum geht, diejenigen zu schützen, die der Allgemeinheit helfen wollen.