Die deutsche Informatikerin Cordelia Schmid vom französischen Nationalinstitut für Forschung für digitale Wissenschaften und Technologie (Inria) in Grenoble erhält den mit einer Million Euro dotierten Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft 2023.
Cordelia Schmid ist Pionierin der computergestützten Bildverarbeitung. Sie entwickelte bahnbrechende neue Verfahren, die Computern das inhaltliche Verstehen von Bildern ermöglichen. Anwendung finden diese Verfahren beispielsweise in der medizinischen Diagnostik oder in autonomen Fahrzeugen.
SWR2 Impuls Moderator Ralf Caspary im Gespräch mit der KI-Forscherin Cordelia Schmid:
SWR2 Impuls: Was machen Sie mit dem Geld?
Cordelia Schmid: Das Geld geht an mein Forschungsinstitut und wird dann verwendet, um meine Forschung weiterzuführen.
Computer lernen, Bilder und Muster zu erkennen
SWR2 Impuls: Wie bringt man Computern bei, Bilder zu verstehen?
Cordelia Schmid: Ganz grob gesagt bekommt der Computer als Eingabe eine Tabelle mit Grauwerten - das ist dann das Bild. Der Computer muss daraus dann die Informationen interpretieren. Und dazu werden Daten gesammelt, die mit den verschiedenen Labels annotiert sind. Sie haben zum Beispiel ein Bild, das zeigt: Hund, Katze, Pferd. Und der Computer hat einen Lernmechanismus, mit dem er dann diese Information lernt und wenn er sie gelernt hat, danach vorhersagen kann.
SWR2 Impuls: Das heißt, er kann "sehen"? Er erkennt also auf einem Bild ein Pferd?
Cordelia Schmid: Genau, der Computer erkennt also beispielsweise ein Pferd. Er erkennt das, was man ihm beigebracht hat. Also wenn ich ihm jetzt nicht beigebracht habe, was eine Katze ist, versteht er nicht, was eine Katze ist.
SWR2 Impuls: Wenn man ihm das beigebracht hat, was eine Katze ist, erkennt er dann in allen möglichen Variationen eine Katze, auch wenn er zum Beispiel nur einen Schwanz sieht? Das ist ja bei der menschlichen Mustererkennung so.
Cordelia Schmid: Das sind auch Forschungsfragen, wie generalisierbar Algorithmen sind. Ob der Computer jetzt nur die Katze kennt, die er genau gesehen hat, oder auch dann, wenn er nur den Schwanz sieht. Das sind Forschungsthemen, bei denen man dann lernt, nur von Teilstücken auch das Objekt zu erkennen. Das sind offene Forschungsfragen, wie weit man das dann verallgemeinern kann.
Bilderkennung von Maschinen nicht direkt mit der des Menschen vergleichbar
SWR2 Impuls: Funktioniert so ein Bilderkennungssystem in Analogie zum menschlichen Bilderkennungssystem? Schauen Sie sich daher auch an, wie das menschliche Gehirn funktioniert?
Cordelia Schmid: Ich schaue mir das sozusagen als Hobby an. Das interessiert mich. Aber die Forschung muss man sich so vorstellen: Wir haben zwei verschiedene Forschungszweige: ein Forschungszweig ist, dass man versteht, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Das weiß man heutzutage auch noch nicht hundertprozentig. Und ein anderer Forschungsweig ist, wie man Maschinen etwas beibringen kann.
Und die Maschine funktioniert natürlich nicht genauso wie das Gehirn. Mein Gehirn hat ja analoge Informationen, die Maschine digitale. Dementsprechend ist es schon mal ein anderer Mechanismus. Und im Moment geht es darum, wie man das der Maschine beibringen kann, wie man das maschinelle Lernen verbessern kann.
Anwendungen auch bei autonomen Fahrzeugen und bei der Erkennung von Krankheiten in der Medizin
SWR2 Impuls: Welche Einsatzmöglichkeiten könnten so ein System haben, wenn ein Computer Bilder erkennt?
Cordelia Schmid: Da kann man sich natürlich viele verschiedene Einsatzmöglichkeiten vorstellen. Beispielsweise selbstfahrende Autos. Da ist eine ganz wichtige Komponente, dass das Auto erkennt, was in seiner Umgebung vor sich geht, wenn zum Beispiel ein Kind über die Straße rennt, das dann erkennt und bremst.
Eine andere Anwendung ist zum Beispiel die medizinische Erkennung von Krankheiten, dass Sie ein Röntgenbild oder medizinisches Bild haben und die KI aufgrund der Informationen erkennt, welche Krankheit es ist.
Eine andere Erkennungssuche wäre: Sie sind irgendwo und suchen Informationen von einem gegebenen Bild oder von verschiedenen Bildern. Sie wollen wissen, wo zum Beispiel das Gebäude ist, können dann erkennen, welches Gebäude das ist, also "visual search" praktisch.
KI-Forschung steckte vor 30 Jahren noch in den Kinderschuhen
SWR2 Impuls: Sie leben ja eigentlich in einer ganz tollen Zeit mit ihrer Forschung, weil wir haben hier einen riesigen Hype um die künstliche Intelligenz und gerade um so etwas wie Bilderkennung.
Cordelia Schmid: Ja, in den letzten zehn Jahren hat die KI-Forschung natürlich riesige Fortschritte gemacht. Als ich angefangen habe, war es noch relativ schwierig, zum Beispiel per KI einen Hund zu erkennen. Und im Moment ist es wirklich so, dass es jetzt gut funktioniert und dann natürlich auch für viele Anwendungen nützlich ist. Und deshalb gibt es gerade auch diesen Hype, weil es jetzt einfach auch für viele verschiedene Anwendungen funktioniert. Wenn es nicht funktioniert, ist es natürlich weniger interessant.
Als ich meine Forschung angefangen habe vor 30 Jahren, war das auch sehr beschwerlich. Damals konnte man nicht mal einen Würfel erkennen lassen. Meine Motivation war es, zu wissen: Wieso ist es so schwierig? Das kann eigentlich nicht so schwierig sein. Aber es hat dann doch relativ lange gebraucht, bis man dann vor zehn Jahren wirklich realistische Anwendungen entwickeln konnte.
SWR2 Impuls: Und es gibt heute schon Computer, die dann zum Beispiel Krebsformen auf einem Röntgenbild erkennen können?
Cordelia Schmid: Ja, das gib es auf jeden Fall.
SWR2 Impuls: Das ist doch eigentlich eine Revolution, die da passiert.
Cordelia Schmid: Ja, es ist natürlich toll. Und toll ist es auch, dass das System dann auch die Ärzte unterstützen kann. Es ist jetzt ja nicht so, dass es das allein macht, sondern dass man wirklich Sachen dann auch erkennt, die der Mensch eventuell nicht erkennt, wo man wirklich sagen kann, dass das dann hilft.