Erin Schuman ist eine Pionierin der Neurobiologie, so die Körber-Stiftung. Und wer mit Erin Schuman über ihre Arbeit spricht, merkt schnell: Diese Frau liebt die Forschung. Und: Sie liebt Nervenzellen, die sogenannten Neuronen.
“Wenn ich mir Neuronen anschaue und die Komplexität sehe, die hier durch die Evolution entstanden ist, dann denke ich: Wie viel Glück wir Menschen haben, dass wir immerhin ein klein wenig verstehen, wie sie funktionieren. Das ist wirklich mitreißend“, erklärt die US-amerikanische Neurologin.
Neuronen: “Interessantesten Zellen des Körpers”
Die Direktorin am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt wurde 1963 in Kalifornien geboren, sie studierte und arbeitete unter anderem an der Princeton und Stanfort University in den USA.
Ihre Faszination für Neuronen entwickelte Schuman bereits recht früh in ihrer Forschungskarriere. Bisher habe noch niemand widersprochen, wenn sie sagt, dass Neuronen die interessantesten Zellen im Körper seien, so Schuman – und die schönsten noch dazu.
Denn andere Zellen hätten meist eine eher rundliche Form. Neuronen hingegen haben nicht nur einen Zellkörper wie alle anderen, sondern dazu lange, feine Arme, die in alle Richtungen abgehen, sich mit anderen Nervenzellen verbinden und eine Art feines Netz bilden.
Ärmchen der Neuronen dienen der Kommunikation
Die einzigartige Form der Zellen sei grundlegend dafür, was die Neuronen tun – nämlich mit anderen Zellen kommunizieren, erklärt Schuman. Denn da, wo die dünnen Ärmchen der Nervenzellen aufeinandertreffen, können sie sich austauschen, Informationen und Signale weitergeben.
Diese Kontaktpunkte der Zellen heißen Synapsen. An diesen Verbindungen werden auch Informationen – oder anders gesagt: Erinnerungen - gespeichert. Schuman und ihr Team forschten daran, wie genau das funktioniert.
Schuman widerlegte die Lehrmeinung zu Neuronen
Als Schuman sich vor 30 Jahren das erste Mal mit dieser Frage beschäftigte, war bereits bekannt, dass die Synapsen für die Speicherung von Informationen verschiedene Proteine brauchen. Das Problem: Proteine müssen in der Zelle hergestellt werden.
Dafür sind mehrere Schritte notwendig: Der Protein-Bauplan steht in der DNA, eine Kopie davon wird durch die sogenannte mRNA durch die Zelle transportiert, hin zu den Ribosomen. Das sind die Protein-Fabriken. Aber die Ribosomen sind im Zellkern, also weit weg von den Synapsen, wo sie benötigt werden – das war zumindest lange die Annahme.
Man ging damals also davon aus, dass die Proteine im Zellkörper in der Mitte hergestellt und dann irgendwie zu den Synapsen transportiert würden, erklärt Schuman. Doch zusammen mit ihrem Team wurde ihr klar: So ein Protein-Transport aus dem Zellkörper bis zu den Synapsen würde viel zu lange dauern
Neues Wissen zu Neuronen sorgte für Unbehagen
Schuman und ihr Team gingen stattdessen davon aus, dass die Proteine ganz nah an den Synapsen hergestellt werden mussten, erklärt sie. „Also haben wir in ziemlich groben und gleichzeitig eleganten Experimenten gezeigt, dass die Proteine aus einer räumlich nahen Quelle stammten.“
Nervenzellen stellen die Proteine also direkt da her, wo sie gebraucht werden. So müssen die Proteine nicht transportiert werden. Sie stehen blitzschnell zur Verfügung. Diese Hypothese sorgte damals für Wirbel. “Die Leute waren nicht nur ablehnend, einige waren richtig feindselig gegenüber dieser Idee“, erinnert sich Schuman. “Ich weiß gar nicht wieso.”
Erst Widerstand – jetzt Körber-Preis für die Forschung an Neuronen
Aber Schuman und ihr Team blieben dran. “Am Ende war das gut für uns. So mussten wir die richtigen Experimente machen und alle überzeugen.” „Damit hat Schuman eines der Kernprobleme der Hirnforschung gelöst”, erklärt Edvard Moser, Vorsitzender des Auswahlausschusses für die Sektion "Life Sciences” des Körber-Preises.
Mit dem Preisgeld will Erin Schuman ihre aktuelle Forschung zu Synapsen etwas weg von der Grundlagenforschung führen und ihre Rolle bei neuronalen Erkrankungen erforschen. Dabei kann sie auf all die Techniken zurückgreifen, die sie in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit ihren Teams entwickelt hat.