Forschende in den USA haben zum ersten Mal Nervenzellen mit einem Computer verbunden, um ein KI-Programm energiesparsamer als bisher laufen zu lassen. Dieser Mix aus elektronischer und biologischer Hardware könnte Vorteile gegenüber der Art und Weise haben, wie heute künstliche Intelligenz funktioniert.
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Sprache erkennen und das Lösen mathematischer Gleichungen waren in dem Experiment mit KI und Nervenzellen möglich. Eine Maschine, die sowohl aus elektrischen Leiterbahnen als auch aus echten Nervenzellen besteht, wird in Zukunft ethische Fragen aufwerfen.
Klumpen aus Nervenzellen sendet Signale an Computer
Das US-amerikanische Forschungsteam hat im ersten Schritt aus Nervenzellen, die in unserem Gehirn vorkommen, ein Organoid gezüchtet. Das ist eine Art Klumpen aus Nervenzellen, aber kein Organ.
Diese Masse aus Nervenzellen ist nicht als Gehirn funktionsfähig. Es handelt sich lediglich um ein Netzwerk aus Nervenzellen, das keine bestimmte Funktion hat – dem aber elektrische Impulse aus einem Computer zugeleitet werden können.
Der Klumpen aus Nervenzellen reagierte im Experiment, wie es Nervenzellen immer tun: Er reagierte auf die elektrische Anregung mit eigenen elektrischen Impulsen. Diese wurden von der Nervenzellmasse abgeleitet und als Antwortsignal in den Computer eingespeist. So arbeiteten in diesem Experiment elektronische und biologische Hardware zusammen.
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KI mit weniger Energie betreiben
Die Kombination von Nervenzellen und Künstlicher Intelligenz könnte ein großes Problem im KI-Bereich lösen. Denn KI-Software verschlingt in der Regel viel Energie, weil sie riesige Datenmengen mit mathematisch aufwendigen Methoden nach Mustern, Wiederholungen und Regelmäßigkeiten durchsucht.
Schon seit 20 Jahren gibt es eine Idee, um wiederkehrende Muster in Datenbergen schneller und mit weniger Energie aufzudecken. Erklären lässt sich diese Idee anhand eines Wassereimers:
Man nehme einen Lautsprecher und klebe den an einen Eimer, der mit Wasser gefüllt ist. Die Vibrationen des Lautsprechers, also die Schallwellen, bringen das Wasser im Eimer zum Vibrieren. Auf der Wasseroberfläche bilden sich Wellenmuster.
In diesen Mustern kann ein KI-Programm schneller Regelmäßigkeiten und Wiederholungen erkennen, als wenn es die ursprünglichen elektrischen Signale durchforsten müsste, die den Lautsprecher und damit das Wasser zum Schwingen gebracht haben. Der Wassereimer wird damit zu einer Art Zwischenstufe der Aufbereitung von Mustern.
Genau so verhält es sich mit dem Klumpen aus Nervenzellen, der mit einem Computer gekoppelt wurde. Die Zellen liefern auf sehr energiesparsame Weise ein Muster von elektrischen Impulsen, das vom KI-Programm viel schneller interpretiert werden kann als die zu Beginn vorhandenen elektrischen Signale. Das spart Rechenzeit und Energie.
Eine solche Rechenstrategie heißt Reservoir Computing, weil die ursprünglichen Signale in einer Art Reservoir aufbereitet werden - sei es ein Wassereimer oder Nervenzellklumpen.
Experiment ist bislang ethisch vertretbar
Ethische Grenzen wurden beim Experiment an der Indiana University nicht überschritten. Denn es wurde nur eine Art Mix aus Zellen, wie sie im Gehirn vorkommen benutzt - und kein echtes Stück Gehirn, kein Organ.
Die Kopplung von Computer und Nervenzellklumpen ist auch nicht von Dauer. Es ist noch nicht möglich, die Zellen lange am Leben zu halten.
Doch es wird an dieser Kopplung von menschlichem Nervengewebe und Computer garantiert weiter geforscht werden. Und dann werden sich ethische Fragen stellen: Was soll erlaubt sein und was nicht?
Der Zellklumpen hat gelernt
Eine technische Grenze hat das Experiment in jedem Fall überschritten. Denn es konnte gezeigt werden, dass sich im Nervenzellklumpen selbst, während er im Experiment eingesetzt wurde, neue Verbindungen zwischen den Zellen gebildet haben.
Die Zellen haben sich also an die Signale angepasst, die aus dem Computer auf sie einprasselten. Oder anders gesagt: Der Zellklumpen hat gelernt.
Das kann ein Wassereimer als Zwischenreservoir nicht - er ist ein fester, unveränderlicher Wassereimer. Auch Computerchips, die normalerweise in Computerhardware als Reservoir benutzt werden, können das nicht.
Der Zellklumpen bringt damit das Reservoir-Computing ein großes Stück weiter, weil jetzt erstmals ein Reservoir zur Verfügung steht, das mitlernt.