Frauenpower bei den Olympischen Spielen 2024
Im Juli treffen sich in Paris wieder mehr als Zehntausend Sportlerinnen und Sportler zu den Olympischen Sommerspielen. Doch eins ist neu: Es werden zum ersten Mal gleich viele Frauen wie Männer teilnehmen. Noch bei den Olympischen Spielen 1900 waren in Paris nur 22 der 997 Athletinnen Frauen.
Klar ist: Die Teilnahme von Frauen am Leistungssport hat zurecht stetig zugenommen. Doch die Trainingswissenschaftliche Forschung hat nicht Schritt gehalten, sagt Johannes Kirsten, kommissarischer Leiter der Sektion Sport- & Rehabilitationsmedizin am Universitätsklinikum Ulm. Die Trainingslehre fuße hauptsächlich auf Studien mit Männern:
Das Versprechen des Zyklusbasierten Trainings
Immer mehr Profisportlerinnen trainieren mittlerweile zyklusbasiert und sprechen darüber. Das heißt, sie folgen einem maßgeschneiderten Trainingsplan, der sich an den Phasen ihres Menstruationszyklus orientiert. Das Versprechen: optimale Leistungsfähigkeit und Effizienz im Training, weniger Verletzungen und auch weniger psychische Belastung.
Denn: die hormonelle Situation bleibt bei Frauen nicht 28 Tage lang gleich. Stattdessen schwanken weibliche Hormone in den Phasen des Menstruationszyklus relativ vorhersehbar.
Lange war es unüblich, dass eine Sportlerin überhaupt mit ihrem Trainer oder ihrer Trainerin offen über ihren Zyklus spricht. Die Menstruationsblutung war auch im Sport lange Tabuthema, die hormonellen Veränderungen wurden nicht bedacht.
Was passiert, wenn Mädchen ihre Tage bekommen?
Die Periode beginnt in der Pubertät um das 13. Lebensjahr herum. Aber was genau passiert da jeden Monat? Unterrichtsmaterial für Biologie & Sexualaufklärung ab Klasse 7.
Die Logik hinter dem Zyklusbasierten Training:
Die Phasen des Menstruationszyklus – Menstruation, Follikelphase, Ovulation und Lutealphase – haben unterschiedliche Auswirkungen auf den Körper. Basierend auf diesen Phasen kann das Training angepasst werden.
Denn: Veränderungen bei Kraft, Leistung und Erholung, die während des Menstruationszyklus auftreten, könnten auf die Schwankungen der Hormone Östrogen und Progesteron zurückzuführen sein – so zumindest die Vermutung.
Östrogen gilt als anabol, das heißt es kann den Muskelaufbau fördern, während Progesteron mit dem Eiweißabbau, auch Muskelabbau genannt, in Verbindung gebracht wird. "Man könnte jetzt also mutmaßen", so Johannes Kirsten, "hohe Östrogenspiegel sind günstig für intensives Training – um das jetzt mal zu verkürzen".
Zyklusphasen: Das Training dem Hormonspiegel anpassen
Was bedeutet das im Detail? Am Anfang des Zyklus, also in der frühen Follikelphase sind Östrogen und Progesteron niedrig. Bei den meisten Frauen findet dann die Periode statt. Hier können niedrigere Energieniveaus und erhöhte Schmerzempfindlichkeit auftreten. Daher kann es angenehm sein, das Training eher langsam anzugehen und sich mehr auf Regeneration zu konzentrieren.
In der späten Follikelphase steigt der Östrogenspiegel an und die Östrogenkonzentration wird im Verhältnis zum Progesteron deutlich höher. Damit steigt auch das Energieniveau, sodass sich Sportlerinnen hier meist leistungsfähiger fühlen und intensiver trainieren können.
Während des Eisprungs bleibt der Östrogenspiegel hoch, sodass sich viele Frauen auch hier besonders leistungsfähig fühlen.
In der Lutealphase sinkt der Östrogenspiegel dann aber, während der Progesteronspiegel steigt. Progesteron habe, so Johannes Kirsten von der Sportmedizin Ulm, anti-östrogene Effekte. Das heißt, es hebt die Wirkung des Östrogens wahrscheinlich teilweise auf. Insofern ist die Lutealphase für besonders intensives Training nicht mehr so günstig. In der frühen Lutealphase bietet sich eher Ausdauer-Training an.
In der späten Lutealphase – also kurz vor der Menstruation – sinken Östrogen und Progesteron, sodass dann eher das regenerative Training angestrebt werden kann. Sport- & Rehabilitationsmediziner Johannes Kirsten fasst zusammen:
Und die wissenschaftliche Evidenz dahinter?
Die Wirkung der hormonellen Schwankungen innerhalb des Zyklus auf die Kraft der Frauen wird sehr kontrovers in der Literatur diskutiert – mit sehr heterogenen Ergebnissen.
Einige Forschende kommen in Studien ebenfalls zum Schluss, dass ein intensiveres Training in der Follikelphase und ein extensiveres und regenerationsförderndes Training in der Lutealphase stattfinden sollte. Andere Übersichtsarbeiten stellen jedoch fest, dass zyklusbasiertes Training keinen Effekt auf die akute Muskelkraft hat.
Unterschiedliche Ergebnisse lassen sich dabei oft auf unterschiedliche Methodik und auf individuelle Variabilität des Östrogen- und Progesteronspiegels bei Frauen zurückführen.
Generell lässt sich bei den Studien jedoch eins übergreifend feststellen: Sie verweisen darauf, dass noch weitere Studien erforderlich sind.
Ist das Training dennoch sinnvoll – auch für Amateurinnen?
Für den Spitzensport ist Johannes Kirstens Fazit eindeutig:
Auch im Privaten ist es sinnvoll, den Zyklus zu tracken – nicht nur für den Sport. Generell ist der weibliche Zyklus ein guter gesundheitlicher Indikator dafür, dass irgendetwas nicht stimmt. Etwa, wenn die Periode unregelmäßig wird oder ganz ausbleibt.
App-Check: Zyklus und Verhütung Zyklus-Apps: Diese Frage solltest du nicht beantworten
Wer natürlich verhüten will, nutzt gerne auch mal eine sogenannte Tracking-App für den eigenen Zyklus. Dort gibt man Daten zum Start der Periode, der üblichen Dauer und andere persönliche Daten ein. Doch welche Informationen über mich sollte ich auf keinen Fall teilen?
Was beim Training wichtig ist: Das Training am Menstruationszyklus auszurichten, funktioniert nicht, wenn man hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille nutzt. Warum, erklärt Johannes Kirsten:
Das muss kein Nachteil sein: Wer hormonell verhütet, kann seinen Zyklus so steuern, dass die Periode zum Beispiel nicht ins Wettkampfwochenende fällt. Aber auch bei der Frage, ob die Pille die sportliche Leistung steigert oder eher verringert, ist sich die Wissenschaft noch uneinig.
Man könnte sagen, die Redewendung "mehr qualitativ hochwertige Forschung ist notwendig" ist schon fast zum Slogan der Forschung bei Sportlerinnen geworden.
Das muss kein Nachteil sein: Wer hormonell verhütet, kann seinen Zyklus so steuern, dass die Periode zum Beispiel nicht ins Wettkampfwochenende fällt. Aber auch bei der Frage, ob die Pille die sportliche Leistung steigert oder eher verringert, ist sich die Wissenschaft noch uneinig.