Gerade in Zeiten von Corona, wo viele Sportkurse im Verein ausfallen und auch Sportstudios geschlossen sind, boomt der Markt für Fitnessgeräte für zu Hause: Stepper, Rudergeräte, Hantelbänke. Das hat die Händler dazu veranlasst, die Preise um rund zehn Prozent zu erhöhen. Doch auch mit günstigen Kleinmaterialien kann man sich wunderbar fit und in Form halten. Doch gerade hier scheint beim Kauf Vorsicht geboten.
Ursula S. wollte nicht noch länger warten, bis ihr Sportkurs eventuell wieder startet. Also hat sich die ältere Dame ein komplettes Kleinstudio aus dem Online-Handel bestellt, samt Gymnastikmatte. Damit will sich die 76-Jährige fit und gesund halten.
Schadstoffe in Sport-Equipment können wichtige Organe schädigen
Was hier so unangenehm gerochen hat, sind Weichmacher aus der PVC-Matte, die die Matte schön weich und anschmiegsam machen. Aber diese Weichmacher, besonders jene aus der Gruppe der Phthalate schaden der Gesundheit und können Leber, Nieren und bei Männern die Hoden angreifen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben jetzt Sportartikel auf Schadstoffe genauer untersucht. An dem europäischen Projekt unter dem Titel AskREACH ist auch das Umweltbundesamt beteiligt:
Weichmacher können über Dünste in den Körper gelangen
Getestet wurden Produkte wie Gymnastikbälle, Yogamatten, Hanteln, Springseile, Schwimmutensilien, Wasserflaschen und Schuhe. Elf Prozent der untersuchten Produkte enthielten „besonders besorgniserregende Stoffe“ kurz SVHCs. Darunter fallen z. B. Weichmacher, aber auch Flammschutzmittel, Schwermetalle oder Alkylphenole.
„Das sind Stoffe, die auf EU-Ebene identifiziert werden und in einer Liste verzeichnet sind. Da sind Stoffe, die krebserregend sind, erbgutverändernd, reproduktionstoxisch oder endokrine Disruptoren, also die auf das Hormonsystem wirken.
Nach europäischer Chemikalienverordnung Reach haben Verbraucher ein Recht auf Auskunft über solche Stoffe, wenn sie in Konzentrationen über 0,1 Prozent in Produkten vorkommen. Deshalb wurde getestet, ob diese Produkte diese Stoffe über 0,1 Prozent enthalten und ob die Händler, bei denen die Produkte gekauft wurden, auf Anfrage korrekt Auskunft über den Schadstoffgehalt geben, erklärt Eva Becker.
Rund jedes neunte Produkt enthielt Schadstoffe in höchst bedenklicher Konzentration. Sieben der für die Studie getesteten Produkte enthielten Weichmacher in so hohen Konzentrationen, dass sie eigentlich seit Mitte 2020 nicht mehr in die EU eingeführt werden dürfen, darunter waren Handschuhe, Badekappen, Pilates-Polster, Springseile und Bälle. In einem Pilates-Ball wurden davon 41 Prozent, und 35 Prozent in einem Trainingsball gefunden. Weichmacher können aus den Produkten ausdünsten und in den menschlichen Körper gelangen.
Firmen sind zur Auskunft verpflichtet
Firmen müssen Verbraucherinnen und Verbraucher auf Anfrage zwar über das Vorhandensein dieser Stoffe in ihren Produkten über die gesamte Lieferkette informieren, doch keine dieser Firmen kam ihrer Auskunftspflicht nach. Das Ziel des Umweltbundesamtes und seiner Partner in anderen europäischen Ländern: Die Informationen über Schadstoffe in Sportartikeln zu verbessern. Hierfür wurde speziell für Verbraucher die App Scan4Chem entwickelt. Mit der App können Verbraucherinnen und Verbraucher Barcodes von Produkten scannen und mit wenigen Clicks eine Informationsanfrage an den Produktanbieter senden.
Eva Becker, AskREACH Projektmanagerin beim Umweltbundesamt, sagt, dass Firmen ihre Informationspflichten ernst nehmen und besonders besorgniserregende Stoffe in ihren Produkten ersetzen, wenn sie wirklich viele Anfragen von den Verbrauchern bekommen.
Die müffelnde Fitnessmatte hat Ursula S. wieder zurückgeschickt. Der Händler nahm sie anstandslos zurück und hat sie ohne Aufpreis gegen eine Matte aus Naturkautschuk ersetzt.