Gesundheit

Sportartikel sind oft mit Schadstoffen belastet

Stand
Autor/in
Peter Kolakowski
Onlinefassung
Christian Burg

Bewegung hält fit und gesund. Fitness für zu Hause boomt. Doch: Vorsicht! Bälle, Bänder, Stangen, Matten und anderes Equipment ist mitunter mit Schadstoffen belastet.

Gerade in Zeiten von Corona, wo viele Sportkurse im Verein ausfallen und auch Sportstudios geschlossen sind, boomt der Markt für Fitnessgeräte für zu Hause: Stepper, Rudergeräte, Hantelbänke. Das hat die Händler dazu veranlasst, die Preise um rund zehn Prozent zu erhöhen. Doch auch mit günstigen Kleinmaterialien kann man sich wunderbar fit und in Form halten. Doch gerade hier scheint beim Kauf Vorsicht geboten.

Ursula S. wollte nicht noch länger warten, bis ihr Sportkurs eventuell wieder startet. Also hat sich die ältere Dame ein komplettes Kleinstudio aus dem Online-Handel bestellt, samt Gymnastikmatte. Damit will sich die 76-Jährige fit und gesund halten.

"Als ich die Matte ausgepackt habe, hat die eigenartig gerochen. Weiß ich, was das für ein Material war? Da stand gar nichts drauf und wenn da was drauf steht, ist das Englisch und das kann ich nicht.“

Ältere Dame mit einer Yogamatte
Weichmacher machen die Matte schön weich und anschmiegsam, können aber wichtige Organe, wie Leber, Nieren und bei Männern die Hoden angreifen.

Schadstoffe in Sport-Equipment können wichtige Organe schädigen

Was hier so unangenehm gerochen hat, sind Weichmacher aus der PVC-Matte, die die Matte schön weich und anschmiegsam machen. Aber diese Weichmacher, besonders jene aus der Gruppe der Phthalate schaden der Gesundheit und können Leber, Nieren und bei Männern die Hoden angreifen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben jetzt Sportartikel auf Schadstoffe genauer untersucht. An dem europäischen Projekt unter dem Titel AskREACH ist auch das Umweltbundesamt beteiligt:

„Wir haben verschiedene Produkte verwendet und den Schwerpunkt auf Weichkunststoff gelegt und wir haben Proben aus ganz Europa genommen.“

Weichmacher können über Dünste in den Körper gelangen

Getestet wurden Produkte wie Gymnastikbälle, Yogamatten, Hanteln, Springseile, Schwimmutensilien, Wasserflaschen und Schuhe. Elf Prozent der untersuchten Produkte enthielten „besonders besorgniserregende Stoffe“ kurz SVHCs. Darunter fallen z. B. Weichmacher, aber auch Flammschutzmittel, Schwermetalle oder Alkylphenole.

„Das sind Stoffe, die auf EU-Ebene identifiziert werden und in einer Liste verzeichnet sind. Da sind Stoffe, die krebserregend sind, erbgutverändernd, reproduktionstoxisch oder endokrine Disruptoren, also die auf das Hormonsystem wirken.

Nach europäischer Chemikalienverordnung Reach haben Verbraucher ein Recht auf Auskunft über solche Stoffe, wenn sie in Konzentrationen über 0,1 Prozent in Produkten vorkommen. Deshalb wurde getestet, ob diese Produkte diese Stoffe über 0,1 Prozent enthalten und ob die Händler, bei denen die Produkte gekauft wurden, auf Anfrage korrekt Auskunft über den Schadstoffgehalt geben, erklärt Eva Becker.

Übung auf einem Pilatesball
In einem getesteten Pilates-Ball wurden 41 Prozent Weichmacher gefunden. Diese können ausdünsten und in den menschlichen Körper gelangen.

Rund jedes neunte Produkt enthielt Schadstoffe in höchst bedenklicher Konzentration. Sieben der für die Studie getesteten Produkte enthielten Weichmacher in so hohen Konzentrationen, dass sie eigentlich seit Mitte 2020 nicht mehr in die EU eingeführt werden dürfen, darunter waren Handschuhe, Badekappen, Pilates-Polster, Springseile und Bälle. In einem Pilates-Ball wurden davon 41 Prozent, und 35 Prozent in einem Trainingsball gefunden. Weichmacher können aus den Produkten ausdünsten und in den menschlichen Körper gelangen.

"In einem Tennisball und in einer Yogamatte haben wir dann noch Acodinacarbomid gefunden, das ist ein Stoff der Allergien und Asthma auslösen kann."

Firmen sind zur Auskunft verpflichtet

Firmen müssen Verbraucherinnen und Verbraucher auf Anfrage zwar über das Vorhandensein dieser Stoffe in ihren Produkten über die gesamte Lieferkette informieren, doch keine dieser Firmen kam ihrer Auskunftspflicht nach. Das Ziel des Umweltbundesamtes und seiner Partner in anderen europäischen Ländern: Die Informationen über Schadstoffe in Sportartikeln zu verbessern. Hierfür wurde speziell für Verbraucher die App Scan4Chem entwickelt. Mit der App können Verbraucherinnen und Verbraucher Barcodes von Produkten scannen und mit wenigen Clicks eine Informationsanfrage an den Produktanbieter senden.

Bunte Hanteln
Verbraucher:innen können Anfragen an die Produktanbieter stellen, um herauszufinden welche Schadstoffe im Produkt enthalten sind. Der Anbieter hat eine Auskunftspflicht.

Eva Becker, AskREACH Projektmanagerin beim Umweltbundesamt, sagt, dass Firmen ihre Informationspflichten ernst nehmen und besonders besorgniserregende Stoffe in ihren Produkten ersetzen, wenn sie wirklich viele Anfragen von den Verbrauchern bekommen.

"Überlegen Sie sich sehr gut, was Sie kaufen, brauchen Sie das wirklich? Macht Sie das Produkt glücklich? Die Herstellung ist immer mit Ressourcenverschwendung verbunden, mit Energieverbrauch und negativen Effekten auf die Umwelt. Und gerade beim Sport denke ich, braucht man wenig Zubehör. Da ist es gut, wenn man sich nochmal überlegt: Will ich das wirklich? Und wir raten dringend dazu, Ihr gesetzliches Auskunftsrecht nach Reach in Anspruch zu nehmen."

Die müffelnde Fitnessmatte hat Ursula S. wieder zurückgeschickt. Der Händler nahm sie anstandslos zurück und hat sie ohne Aufpreis gegen eine Matte aus Naturkautschuk ersetzt.

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Autor/in
Peter Kolakowski
Onlinefassung
Christian Burg