Für die Studie haben zwei Forschende aus Dänemark die Temperatur der Meeresoberfläche im Nordatlantik zwischen 1870 und 2020 analysiert. Dabei fanden sie Hinweise, dass der Golfstrom - wichtig für die Stabilität des Klimas - schon deutlich früher zum Erliegen kommen könnte als der Weltklimarat IPCC bislang annimmt.
Abschwächung des Golfstroms könnte mehr Extremwetter-Ereignisse zur Folge haben
Die neue Studie aus Dänemark prognostiziert den Kollaps des Golfstroms oder Teilen davon im schlimmsten Fall schon in 20 Jahren, spätestens aber bis 2095. Kommt diese Umwälzung zum Erliegen, so die Prognose der Forschenden, könnte das in Europa zu mehr extremen Wetterereignissen führen.
Andere Klimawissenschaftler weisen darauf hin, dass Forschung zur Stabilität des Golfstroms im Klimawandel schwierig sei, da die Datenerhebungen nicht weit genug zurückreichen und das System sehr komplex ist. Einen Kollaps einzig anhand der Oberflächentemperatur zu rekonstruieren, wie in der dänischen Studie passiert, sei demnach ungenau.
Mit dem Versiegen des Golfstroms würde in Europa die Warmwasserheizung ausfallen
Der Golfstrom führt wärmeres Meerwasser vom Süden in den Norden an uns vorbei. Deswegen ist er für uns in Europa wie eine Art Warmwasserheizung. Funktioniert diese Meereswasserumwälzung vom gesamten Golfstrom-System aber nicht mehr, also wird er langsamer oder stoppt ganz, dann kommt das Klima aus dem Gleichgewicht. Und zwar an beiden Seiten des Atlantiks:
An der US-Ostküste hat der Golfstrom einen starken Sogeffekt und lenkt da große Wassermassen von der Küste weg. Wird der Effekt schwächer, würde sich dort mehr Wasser ansammeln als heute. Ergo: der Meeresspiegel steigt. In Europa würde ohne das Golfstrom-System unsere Warmwasserheizung ausfallen. Also könnte es hier deutlich kälter werden. Weil wir wegen der Klimaerwärmung aber weltweit gerade steigende Temperaturen haben, ist unklar, wie stark wir diesen Effekt wirklich merken würden - es kann insgesamt auch wärmer werden. Einige Szenarien sagen auf jeden Fall ein extremeres Wetter voraus, mit mehr Winterstürmen, Hitzewellen oder Dürren.
Golfstrom-Studie unter Wissenschaftlern umstritten
Derzeit gibt es noch viel Forschungsbedarf. Denn um die Frage zu beantworten, wie stabil das Golfstrom-System ist und welchen Einfluss der Klimawandel darauf hat, brauchen wir viele Daten und das über mehrere Jahrzehnte, besser Jahrhunderte hinweg. Die aktuelle Studie des dänischen Forscher-Teams hat deshalb versucht, das annäherungsweise aus der Meeresoberflächentemperatur von 1870 bis 2022 zu berechnen.
Andere Wissenschaftler haben sich die Studie angeschaut und sagen: Die entwickelte Methodik ist zwar wichtig, um das gesamte System besser zu verstehen, um aber einen konkrete Zeitpunkt zu errechnen, wann das Ganze kollabiert, dafür müssen wir das Rechenmodell mit noch besseren Messdaten füttern.
Genaue Prognosen zum Versiegen des Golfstroms schwierig
Außer der Oberflächentemperatur versucht die Forschung auch mithilfe von Sedimentablagerungen oder Bohrkernen zu beobachten, wie sich dieses Strömungssystem entwickelt. Und deshalb ist klar, dass die gesamte Meereswasser-Zirkulation schon langsamer geworden ist. Um 15 Prozent seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Und, dass dieses Abschwächen in den vergangenen 1.000 Jahren einmalig ist.
Die Forschenden führen das auf den menschengemachten Klimawandel zurück. Denn, damit der Meerwasseraustausch so klappt, braucht es kaltes Salzwasser. Wenn durch die Erderwärmung aber Gletscher im Polarmeer schmelzen, kommt mehr Süßwasser in den Kreislauf – und das bremst die Meerwasserumwälzung.
Wann genau das Strömungssystem ganz versiegt, da gibt es viele Ungewissheiten: Der Weltklimarat IPCC hält es noch für eher unwahrscheinlich, dass es bis Ende des 21.Jahrhunderts passiert. Gleichzeitig warnt er aber auch davor, dass so ein Kollaps durch unerwartet viel Schmelzwasser aus Grönland ausgelöst werden könnte. Und in den vergangenen Jahren haben wir ja immer wieder gesehen: Das Klima verändert sich schneller als die Forschung das berechnet hatte.