Neue Studie

Fische können rechnen lernen

Stand
Autor/in
Veronika Simon
Onlinefassung
Lilly Zerbst

Eins plus eins macht zwei – das lernt jedes Kind. Aber auch Fische können einfache Additionen und Subtraktionen durchführen. Das zeigt eine neue Studie aus Bonn.

Auch wenn wir Menschen uns gerne als herausragend intelligent sehen, so sind wir doch nicht die einzigen, die das Rechnen beherrschen und lernen können. Bei Primaten aber auch bei Bienen und Spinnen konnten mathematische Fähigkeiten nachgewiesen werden. Und jetzt hat eine Forschungsgruppe aus Bonn gezeigt, dass auch Fische das Rechnen lernen können.

Forschungsleiterin Vera Schlüssel erkundet kognitive Fähigkeiten von Fischen

Was können Fische lernen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Prof. Vera Schlüssel leidenschaftlich. Sie ist Professorin am zoologischen Institut der Uni Bonn. Dort erkundet sie die kognitiven Fähigkeiten von Fischen mit Schwerpunkt auf Haien und Rochen. So hat sie zum Beispiel erforscht, ob Fische geometrische Figuren oder Farben auseinander halten können und ob die Tiere ein räumliches Gedächtnis haben, sich also merken können, wo sich was befindet.

Drei Pfauenaugen-Stechrochen in einem Aquarium.
Professorin Vera Schlüssel forscht seit Jahren an Meereslebewesen. Besonders interessiert sie sich für Haie und Rochen. In der Studie wurden unter anderem die Rechenfähigkeiten von acht Pfauenaugen-Stechrochen untersucht.

Das Zählen und jetzt schließlich das Rechnen war der logische nächste Schritt in der Erforschung der kognitiven Fähigkeiten von Fischen. Besonders, weil 2019 Forscher aus Australien zeigten, dass sie Honigbienen das Plus- und Minus-Rechnen beibringen konnten. Das wollten Schlüssel und ihr Forschungsteam jetzt auch mit ihren Rochen ausprobieren.

Farbsystem soll Rechenkünste zeigen

Dafür zeigten sie in einem Aquarium den Fischen auf einem Tor eine bestimmte Anzahl geometrischer Figuren – entweder in blau oder in gelb. Die Farbe war das Signal für die Fische, welche Rechenoperation sie jetzt ausführen sollten: Blau hieß „plus Eins“, gelb „minus Eins“.

Kurz darauf öffnete sich das Tor, dahinter zwei Gänge, in die die Fische schwimmen konnten. Waren auf dem Tor vorher zum Beispiel drei blaue Symbole zu sehen, waren es auf den Wänden am Ende der Gänge einmal zwei und einmal vier Symbole, also einmal eines mehr und einmal eines weniger als auf dem Tor.

Abbildung zum Farbschema des Versuchs: Blaue Figuren bedeuten, dass ein Ziel mit der Anzahl der Figuren "plus eins" angeschwommen werden soll. Gelbe Figuren bedeuten "minus eins".
Farbschema des Versuchs: Test-Figuren (links) bedeuten, dass hinter dem Tor ein Ziel mit der Anzahl der Figuren „plus eins“ bei blauen Figuren und „minus eins“ bei gelben Figuren angeschwommen werden soll (mitte). Der andere Pfad führte zur falschen Lösung (rechts) „minus eins“ für blaue Figuren und „plus eins“ für gelbe Figuren.

Die Fische mussten sich entscheiden, wohin sie schwimmen – wenn sie es richtig machten, also bei blau „plus eins“ rechneten, bekamen sie eine Belohnung. Und siehe da: Mit der Zeit lernten die Fische das Prinzip und schwammen deutlich öfter zur richtigen Wand.

Kontrollversuch zeigt: die Fische rechnen tatsächlich

Das allein ist aber noch kein Beweis, dass die Fische wirklich gelernt haben zu rechnen – vielleicht hatten sie einfach gelernt, bei blau zur größten Anzahl Symbole zu schwimmen und bei gelb zur kleinsten.

Also machten die Forschenden es eine Stufe schwieriger: Nachdem den Fischen auf dem Tor zum Beispiel drei blaue Symbole gezeigt wurden, waren die Auswahlmöglichkeiten am Ende der Gänge nicht mehr vier und zwei, also plus eins und minus eins, sondern vier und fünf. Für Vera Schlüssel wäre es absolut logisch gewesen, dass die Tiere jetzt zur höheren Zahl schwimmen.

Tatsächlich aber haben sie noch immer die „Plus 1“-Antwort der „Plus 2“ Antwort vorgezogen. Die Fische haben also tatsächlich gelernt zu rechnen, statt einfach die Menge abzuschätzen.

Individuelles Rechentalent bei Rochen und Buntbarschen

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten in der Studie zwei unterschiedliche Fischarten – neben den Rochen noch Buntbarsche. Und beide Arten lernten das Addieren und Subtrahieren. Auch wenn nicht gleich gut: Bei den Buntbarschen gelang das Rechnen mehr Tieren als bei den Rochen – allerdings gab es auch zwischen den Individuen einer Art deutliche Unterschiede. Für Vera Schlüssel ein Zeichen für die unterschiedlichen Fähigkeiten und Persönlichkeiten der einzelnen Fische, die man nicht unterschätzen dürfe.

Roter Malawisee-Buntbarsch.
Auch die Malawibuntbarsche konnten im Experiment ihre Rechenfähigkeit beweisen.

Zweck der Rechenfähigkeit noch unklar

Wofür die Barsche und Rochen diese Fähigkeit Plus und Minus zu rechnen brauchen könnten, kann auch Vera Schlüssel nicht mit letzter Sicherheit sagen. Das haben sie und ihr Team auch nicht erforscht – in ihrer Studie ging es nur um die Frage, ob Fische Addition und Subtraktion lernen können und nicht wofür.

„Wenn im Labor was funktioniert, dann ist das immer ein sehr guter Indikator dafür, dass es in der Natur irgendwas gibt, wofür das gebraucht wird.“

In der Natur könnten die Tiere so vielleicht Gruppengrößen abschätzen oder herausfinden, wo es mehr oder weniger Futter gibt.

Schlüssels Faszination für Fische ist durch die Ergebnisse auf jeden Fall noch gewachsen – und sie hofft andere damit anzustecken: „Vielleicht sollte man sich das immer wieder mal ins Gedächtnis rufen, dass nur weil man nicht immer davon hört, dass das nicht bedeutet, dass diese Tiere alle instinktgetrieben und in Anführungsstrichen doof sind, sondern, ja, richtig coole Sachen machen können!“ – coole Sachen wie Rechnen zum Beispiel.

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Veronika Simon
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Lilly Zerbst