Edwin Hubble ist einer der bekanntesten Astronomen des 20. Jahrhunderts. Dabei ist er "von Hause aus nie ein theoretischer Astrophysiker geworden, sondern er war Praktiker" - so beschreibt ihn der Physiker und Autor Wolfgang Steinicke. Vielleicht ist es genau dieser Pragmatismus, der Hubble befähigte, zwei der bedeutendsten Entdeckungen in der Astronomie zu machen.
Auf den Spuren der Spiralnebel
In den 1920er Jahren entdeckten Astronomen und Astronominnen mit immer größeren Spiegelteleskopen unzählige neue Sterne. Doch es wurden auch Objekte gefunden, die sich weder als Planet noch als Stern identifizieren ließen. Diese bezeichneten sie als Nebel. Eine besondere Unterklasse dieser Nebel nannten sie „Spiralnebel“.
Lange sei unklar gewesen, was diese diffusen Strukturen mit den Spiralarmen sind, erklärt der Kosmologie-Professor Hendrik Hildebrandt von der Universität Bochum. "Es gab aber auch schon die Idee, die schon Immanuel Kant formuliert hat, dass es sogenannte Inseluniversen sind - quasi Systeme, die unserer Galaxis, unserer Milchstraße ähneln und selbst aus Sternen aufgebaut sind."
"Great Debate": Gibt es nur eine Galaxie im Universum?
Dass unser Sonnensystem nur ein Teil einer großen Ansammlung aus Sternen ist, die wir heute „Galaxie“ nennen, war damals auch schon bekannt. Man wusste aber nicht, ob diese Galaxie das ganze Universum ausfüllte oder ob es um sie herum noch etwas anderes gab. Auch Edwin Hubbles Kollegen vertraten nicht alle die gleiche Meinung.
Für Harlow Shapley, mit dem Hubble zusammenarbeitete, war das Universum eine riesige Galaxie. Diese "Supergalaxie" sei in Shapleys Vorstellung viel größer gewesen als man es sich allgemein vorstellte und die Nebel waren seiner Meinung nach ein Teil davon, erzählt Wolfgang Steinicke, der viele Bücher über bekannte Astronomen geschrieben hat.
Größtes Spiegelteleskop soll die Galaxie-Frage lösen
Im Jahr 1920 führten Shapley und der ebenfalls bekannte Astronom Heber Curtis sogar eine öffentliche Debatte darüber, ob die mysteriösen Spiralnebel nun Teil der Milchstraße waren oder nicht. Es gab nur einen Weg, um dieses Rätsel zu lösen: Jemand musste ihre Entfernung bestimmen.
Dafür war Edwin Hubble zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Gerade ein Jahr zuvor hatte ihm der Direktor des Mount Wilson Observatoriums in Kalifornien eine Stelle angeboten - als Astronom am damals größten Spiegelteleskop der Welt.
Mit dem 2,5-Meter-Spiegel des Hooker-Teleskops, fingen er und sein Nachtassistent Milton Humason viele Nächte lang das Licht aus dem Andromedanebel ein und speicherten ihre Bilder auf Fotoplatten.
Mit diesem Teleskop konnten sie erstmals einzelne Sterne innerhalb des Nebels untersuchen. Einige dieser Sterne hatten eine besondere Eigenschaft: Ihre Helligkeit schwankte mit der Zeit – und zwar in immer gleichen Perioden. Sterne mit dieser Eigenschaft nennt man Cepheiden.
Pulsierende Sterne helfen bei der Vermessung des Universums
"Das Schöne an diesen Cepheiden ist nicht nur, dass die pulsieren, sondern dass die auch sehr hell sind", so Hendrik Hildebrandt. Damit kann man sie auch über weite Distanzen sehen.
Dabei gibt es schneller pulsierende Cepheiden mit einer Periode von einem Tag. Es gibt aber auch Perioden von bis zu 50 Tagen. Im Jahr 1912 fand die Astronomin Henrietta Leavitt heraus, dass die Periode mit der Leuchtkraft des Sterns zusammenhängt: Je länger die Periode ist, desto leuchtkräftiger ist auch der jeweilige Stern.
Ist die Periode bekannt, kann also direkt auf die Leuchtkraft dieses Sterns geschlossen werden. Genau dieser Eigenschaft hat sich Hubble bedient und dann auf die Entfernung zurückgeschlossen:
Hubbles Entdeckung revolutioniert die Vorstellung vom Universum
Hubble konnte also aus der Periode, mit der die Cepheiden im Andromedanebel heller und dunkler wurden, direkt auf deren Entfernung schließen - und er erhielt einen atemberaubend hohen Wert: 930.000 Lichtjahre. Das war um ein Vielfaches mehr als die Größe von Shapleys Supergalaxie. Die Cepheiden im Andromedanebel konnten auf keinen Fall Teil unserer Heimatgalaxie sein.
"Damit war diese große Debatte, die 'Great Debate', von einem Tag auf den anderen entschieden. Nämlich, dass diese Spiralnebel alle quasi solche Inseluniversen sind. Heute nennen wir sie Galaxien", erklärt Hendrik Hildebrandt. Unsere Milchstraße ist eine dieser Galaxien.
Harlow Shapley, der die andere Seite der Debatte vertrat, sagte, nachdem er per Post von Hubbles Ergebnissen erfahren hatte: „Hier ist der Brief, der mein Universum zerstört hat.“
Hubble legte die "Basis für die moderne Kosmologie"
Heute, 100 Jahre nach Hubbles Entdeckung, spielt die Entfernungsbestimmung noch eine wichtige Rolle in der Kosmologie. In den letzten Jahren hat sich eine neue Debatte entfacht, die abermals eng mit Hubbles Namen verknüpft ist: Es geht um nichts geringeres als die Expansion des Weltalls.
Hubble hatte schon im Jahr 1929 aufbauend auf seinen Entfernungsmessungen gezeigt, dass sich die anderen Galaxien von uns wegbewegen. Und das umso schneller, je weiter sie entfernt sind. "Er hatte also die Basis gelegt für die moderne Kosmologie, jedenfalls aus der Sicht des Praktikers", erklärt der Physiker und Autor Wolfgang Steinicke.
Dank Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie lässt sich Hubbles Ergebnis interpretieren: Es sind nicht die Galaxien, die aus irgendeinem Grund von uns weggeschubst werden, sondern es ist der Raum selbst, der sich ausdehnt, und damit auch alles was in ihm drin ist – wie die Rosinen in einem Hefekuchen, wenn der sich im Ofen langsam ausdehnt.
Wert der Hubble-Konstante weiterhin ein Rätsel
Die derzeitige Expansionsgeschwindigkeit des Weltalls beschreibt die nach ihrem Entdecker benannte Hubble-Konstante.
Die verschiedenen Messmethoden, die in den letzten hundert Jahren entwickelt wurden, liefern Werte zwischen 67 und 74 Kilometer pro Sekunde und Megaparsec. Das stellt die Kosmologen und Kosmologinnen der Gegenwart noch immer vor ein Rätsel.