Das Coronavirus SARS-CoV-2, Auslöser der Covid-19 Erkrankung, kann in viele verschiedene Körperzellen eindringen. Das haben mehrere Forschungsarbeiten in den vergangenen Wochen gezeigt.
Welche Organe alle durch das Virus geschädigt werden können, ist noch nicht klar. Am Uniklinikum Schleswig-Holstein in Kiel wurde jetzt ein Fall beschrieben, bei dem ein Patient nach einer überstandenen Covid-Erkrankung einen Typ 1 Diabetes entwickelt hat. Der 19-Jähriger wurde in die Endokrinologie der Uniklinik Schleswig-Holstein in Kiel eingewiesen mit einer schweren Entgleisung sowohl des Zucker- als auch des Fettstoffwechsels- also mit typischen Symptomen eines Typ 1 Diabetes:
Das körpereigene Immunsystem zerstört dabei Zellen der Bauchspeicheldrüse. Der Körper ist nicht mehr in der Lage selbst Insulin zu produzieren. Im Blut gelöste Glucose kann nicht mehr in die Zellen aufgenommen und verstoffwechselt werden. Im schlimmsten Fall kann das lebensgefährlich sein.
Doch für die Endokrinologen in Kiel kam noch etwas Außergewöhnliches hinzu:
Weder herkömmliche noch seltene Antikörper, die auf einen Typ 1 Diabetes hinweisen, wurden gefunden. Auch Kollegen aus Dresden und München konnten keine Antikörper nachweisen.
Bei der Befragung des Patienten stellte sich heraus, dass sich seine Eltern beim Skiurlaub in Österreich mit dem Coronavirus infiziert hatten. Der Patient selbst hatte sich dann mit diesem SARS-CoV-2-Virus angesteckt, hat aber die Covid-Erkrankung selber nicht entwickelt, sondern war sozusagen nur Virus-Träger. Der junge Mann entwickelte stattdessen – wochenverzögert – einen Typ 1 Diabetes.
ACE2 ist ein Enzym, das unter anderem an der Regulation des Blutdrucks beteiligt ist und sitzt in den Membranen von Zellen verschiedener Organe. Es ist auch auf insulinbildenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zu finden. Nachweisen konnte Matthias Laudes mit seiner Arbeitsgruppe das Virus in diesen Zellen allerdings nicht.
Einen kausalen Zusammenhang – zwischen der Coronavirus-Infektion und dem Typ 1 Diabetes – konnten die Mediziner also nicht liefern – darauf weisen sie in ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Metabolism auch explizit hin.
Doch die Autoimmunerkankung bedarf einer gewissen genetischen Veranlagung. Die Mediziner in Kiel suchten nach diesen genetischen Merkmalen bei ihrem Patienten und fanden keine. Das heißt, der Patient hatte keine Autoimmunerkankung und auch keinerlei Veranlagung für Diabetes.
Noch ist nicht absehbar welche Schäden durch das Coronavirus entstehen können. In einer Studie der Uniklinik Hamburg-Eppendorf konnte bei Autopsien von an Corona Verstorbener das Virus unter anderem im Gehirn, in den Nieren, in der Leber und im Herz nachgewiesen werden.
An der Uniklinik Schleswig-Holstein in Kiel wurde das COVIDOM-Projekt ins Leben gerufen. Dabei sollen alle Corona-Infizierten aus Schleswig-Holstein untersucht werden: Welche Schäden haben sie durch die Infektion davongetragen? Gibt es vielleicht eine Veranlagung, die es dem Virus einfacher macht, bestimmte Zellen zu schädigen? Für die Forschung wird das Virus auf jeden Fall auch noch nach der Pandemie eine Herausforderung bleiben.