In dem Prozess ging es um einiges: Das Tübinger Biopharmazie-Unternehmen CureVac warf dem Mainzer Pendant BioNTech vor, dass es die mRNA-Technik, an der auch CureVac seit Jahrzehnten forscht, nutzt und damit seine Patente verletzt.
CureVac forderte von seinem Konkurrenten "eine faire Entschädigung" für die Verletzung einer Reihe seiner geistigen Eigentumsrechte, die BioNTech und dessen US-Partner Pfizer bei der Herstellung und dem Verkauf des Covid-19-Vakzins Comirnaty verwendet hätten.
BioNTech bestritt das, die Arbeit an den mRNA-Impfstoffen sei originär. "Das Patent wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt", sagte der Vorsitzende Richter Walter Schramm bei der Urteilsverkündung in München. Die Begründung wird nachgereicht. CureVac kündigte an, gegen die Entscheidung Berufung vor dem Bundesgerichtshof einlegen zu wollen.
CureVac verwies zudem darauf, dass die Verfahren zu den sieben verbliebenen Schutzrechten von CureVac fortgesetzt würden und von dem Urteil nicht betroffen seien.
BioNTech begrüßte die Entscheidung des Bundespatentgerichts, "die unseren Standpunkt in Patentfragen unterstreicht und deutlich macht, dass unsere Forschungsarbeit originär ist." Das Mainzer Unternehmen sehe in dem Urteil "ein wichtiges Signal", so Vorstandschef Alexander Zehnder nach dem Urteil: "Wir sind der Meinung, dass dieses Patent von CureVac nie hätte erteilt werden dürfen, weil es die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt."
Um welche Technologien geht es?
Die Klage bezieht sich auf verschiedene Technologien. Zum einen geht es tatsächlich um Corona-Impfstoffe, genauer um einen Impfstoff, der das Spike-Protein des Virus verwendet, um einen Immunschutz aufzubauen. Das ist eine Technologie, die bei beiden mRNA-Impfstoffen, die auf dem Markt sind - also von Moderna und BioNTech - verwendet wird. Aber ob sie dabei tatsächlich originäres geistiges Eigentum von CureVac verwendet haben, muss noch in weiteren Verfahren geklärt werden.
Ansonsten beklagt CureVac auch die Verwendung von deutlich früher entwickelten Technologien. Ein Patent von 2002 beschreibt beispielsweise eine Möglichkeit, wie die mRNA stabiler gemacht werden kann. Das war gerade am Anfang, als man begann die Idee zu verfolgen, mRNA als Impfung oder Medikament zu verwenden. Die Stabilität der mRNA war damals ein großes Problem, weil sie sehr schnell vom Körper wieder abgebaut wurde, so dass sie keinen Effekt mehr bringen konnte.
Komplexes Patentrecht
Dr. Manuel Kunst, Patentanwalt mit Spezialisierung in Medizintechnik und Biotechnologie, erklärt im Interview mit SWR Wissen, dass ein Impfstoff immer mit mehreren Patenten zusammenhängt. Wenn zum Beispiel CureVac auf ein Verfahren ein Patent anmeldet, kann es gleichzeitig sein, dass dieses Patent wiederum von anderen Patenten, zum Beispiel einer Universität, abhängig ist.
Es entstünde also ein großes Netzwerk von Patenten und Patentanmeldungen. Bei solchen komplexen Verfahren komme es häufig zu Vergleichen, meint Kunst. Dann würden Lizenzgebühren fällig. Das sei wohl das Ziel von CureVac in diesem Fall.
Es sei außerdem ein langer Weg, bis ein Patent angemeldet ist. Wenn zum Beispiel an einem neuen Arzneimittel geforscht wird und man eine bestimmte chemische Verbindung findet, müsse man eigentlich schon sofort ein Patent darauf anmelden, erläutert Kunst.
Darauf folgen dann weitere Untersuchungen, Studien und Entwicklungen, die auch nicht immer erfolgreich sind. Kunst erklärt, dass von bis zu 10.000 getesteten Verbindungen oft nur eine schließlich zu einem marktreifen Produkt führe.
In einem Patent müssen schlussendlich die genauen Patentansprüche festgelegt werden. Erst dann kann eine Patentverletzung überhaupt erkennbar und untersucht werden.
CureVacs Ziel? Eine Vermutung
CureVac geht es laut der eigenen Pressemeldung entschieden nicht darum, BioNTech zu verbieten, die Technologie zu verwenden. Allerdings fordern sie dafür eine faire Vergütung. Für ein Unternehmen, das noch kein Produkt auf dem Markt hat und dann auch noch mit dem Corona-Impfstoff, in den viel Hoffnung gesteckt wurde, gescheitert ist, geht es dabei auch ums Überleben, findet auch Manuel Kunst:
Weitere Verhandlungen laufen
Vor dem Düsseldorfer Landgericht werden erst fünf geistige Eigentumsrechte verhandelt, drei weitere folgen voraussichtlich nächstes Jahr. Parallel dazu läuft noch eine sogenannte Nichtigkeitsklage, die auch eine wichtige Rolle spielen könnte. BioNTech stellt in Frage, ob die Patente von CureVac überhaupt gültig sind. Nichtigkeitsgründe können u. a. sein:
- mangelnde Patentfähigkeit
- mangelnde Ausführbarkeit
- eine unzulässige Erweiterung des Patentgegenstandes gegenüber der Fassung der Anmeldung
In dieser Sache hat BioNTech gegenüber CureVac jetzt den Prozess beim Bundespatentamt gewonnen.
Und auch in den USA ziehen die beiden Unternehmen gegeneinander vor Gericht. Die Verletzung der Patente bezieht sich auf die Herstellung des Impfstoffs, deshalb wird in dem Land geklagt, in dem der Impfstoff produziert wurde - einmal in Deutschland, einmal in den USA.