Warum kommt die Corona-Tracing-App in Deutschland erst jetzt?
Zunächst musste geklärt werden, wie die Daten möglichst sicher gespeichert werden können. Nachdem zuerst eine zentrale Speicherung geplant war, schwenkten die Entwickler auf ein dezentrales System um.
Dann hatte die App einige Schwachstellen. So durfte man sein Smartphone zunächst nicht sperren und keine anderen Anwendungen öffnen, damit das Tracing nicht unterbrochen wird. Deshalb haben die Entwickler von SAP und der Deutschen Telekom das Problem zusammen mit Apple und Google durch eine Schnittstelle gelöst.
Auch an der Energieffizienz haben sie gearbeitet: Denn, wenn die laufende App den Akku innerhalb weniger Stunden entleert, wird sie letztlich niemand nutzen. Deshalb kommt die energieeffizientere Bluetooth-Technologie BLE zum Einsatz. BLE steht für Bluetooth Low Energy (zu deutsch: geringer Strombedarf).
Was kann die Corona-Warn-App?
Die Corona-Warn-App erkennt mithilfe von Bluetooth den Abstand zwischen Personen und kann sich enge Kontakte anonym merken. Dafür tauschen die Handys verschlüsselte Identitäten aus. Wird ein Nutzer der App positiv auf das Coronavirus getestet, kann er seine Kontaktpersonen durch die App informieren lassen. Die Smartphones können dann prüfen, ob sie mit den übermittelten IDs des Infizierten in Kontakt waren. Falls ja, wird der jeweilige Nutzer gewarnt.
Die Bundesregierung will mithilfe der App Infektionsketten des neuartigen Coronavirus besser nachvollziehen können. So soll dafür gesorgt werden, dass bei einer Lockerung der Anti-Corona-Maßnahmen die Ausbreitung des Virus nicht wieder stark ansteigt. Die App soll aber nicht nur mögliche Infektionen aufspüren, sondern kann auch Covid-19-Testergebnisse digital übertragen.
Wie steht es um den Datenschutz?
Die Corona-Warn-App soll keine persönlichen Daten wie Ortsangaben weitergeben. Die Kontakte werden laut den Entwicklern anonym und dezentral gespeichert – also nur auf dem jeweiligen Smartphone. Der Abgleich, ob man einer infizierten Person begegnet ist, geschieht lokal auf dem Handy.
Wird eine Person positiv getestet, wird sie gebeten, ihre IDs der letzten 14 Tage anonym zu teilen, sodass sämtliche Handys ihre Kontakt-IDs abgleichen und ihre Nutzer gegebenenfalls warnen können. Der Zugriff auf diese Liste erfolgt nur dann, wenn die infizierte Person aktiv zustimmt.
Die Entwickler der Corona-Warn-App haben seit einiger Zeit den kompletten Programmcode der Anwendung offengelegt. Damit haben die Konzerne ihr Versprechen eingelöst, die Tracing-App möglichst transparent zu entwickeln.
Trotzdem haben einige Wissenschaftler noch Bedenken: Ein Forschungsteam der Technischen Universität Darmstadt, der Universität Marburg und der Universität Würzburg hat Datenschutz- und Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit dem sogenannten „Google Apple Protokoll“ (GAP) bestätigt.
Die Experimente des Teams sollen gezeigt haben, dass GAP anfällig für die Erstellung von Profilen ist und so möglicherweise die De-Anonymisierung von infizierten Personen erlaubt. Außerdem könnten Angreifer falsche Kontaktinformationen generieren und somit die Genauigkeit und Korrektheit des Gesamtsystems negativ beeinflussen.
Welche Erfahrungen haben andere Länder mit Corona-Apps gemacht?
Die Corona-Tracing-Apps werden in vielen Ländern eher noch zurückhaltend genutzt. In Tschechien nutzen erst etwa zwei Prozent der Bürger eine solche Anwendung (Stand Ende Mai). Spitzenreiter sind dagegen die Isländer. Bis Mitte Mai hatten sich rund 40 Prozent der Bevölkerung die dortige App Island Rakning C-19 installiert. Das klingt zwar nicht schlecht, aber das bedeutet: Wenn sich zwei Isländer treffen, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass beide die App haben und eine mögliche Infektion erkannt werden kann, bei gerade mal 16 Prozent.
In Frankreich beschwerten sich Nutzer von „StopCovid“, weil die App auf iPhones ständig vordergründig laufen muss, damit sie funktioniert. Genau dieses Problem wird für die deutsche Variante gerade noch ausgebessert.
In Australien floppte die App komplett: Dort haben ungefähr ein Drittel der Bürger die Tracing-App „COVIDSafe“ installiert (Stand Ende Mai). Aber: Sie konnte in mehr als vier Wochen nur einen einzigen Infizierten warnen, der den Behörden nicht sowieso schon als Kontakt bekannt war. Der Grund sind wohl Verständigungsprobleme zwischen Apple- und Android-Smartphones. Außerdem weiß man von den rund sechs Millionen Downloadern nicht, wer die App korrekt nutzt oder sie vielleicht sogar schon wieder gelöscht hat.
Der Stadtstaat Singapur machte ähnliche Erfahrungen: Dort hat es sogar eine zweite Infektionswelle gegeben, obwohl die singapurische Corona-App eine der ersten war.
Negative Auswirkungen der App gab es in Südkorea: Aufgrund von Sicherheitslücken konnten Infizierte identifiziert werden und wurden diskriminiert. Weil der Download der Warn-App für Infizierte verpflichtend ist, werden Verstöße streng geahndet: Ausländer wurden deshalb in ihre Heimat zurückgeschickt.
Bringen solche Apps überhaupt etwas?
Laut Experten müssen rund zwei Drittel der Menschen eine Corona-Tracing-App installiert haben, damit die Rückverfolgung von Infektionsketten gut funktioniert. In Deutschland wären das über 50 Millionen, also ungefähr so viele, wie WhatsApp installiert haben. Ob wir diese Quote erreichen und wenn ja, wie schnell, ist unklar. Die Warn-App kann also nur ein Anhaltspunkt bei der Suche nach Kontakten sein.
Bezogen auf Einzelsituationen und kombiniert mit manuellen Befragungen durch das Gesundheitsamt – die es ja weiterhin geben wird – kann die App aber auch bei vergleichsweise wenigen Installationen helfen.
Im Ausland wird es aber noch komplizierter: Weil die Apps verschiedener Länder unterschiedlich arbeiten, sind sie oft nicht kompatibel. Zum Beispiel weil Frankreich die erhobenen Daten zentral speichert, während sie Deutschland dezentral auf den Smartphones ablegt.
Das Fazit: Auch wenn es in Deutschland jetzt die Corona-Warn-App gibt, darf man sich von ihr keine Wunder erhoffen. Wie viel sie letztlich bringt, hängt vor allem davon ab, wie viele Menschen die App nutzen und wie sich das Virus in den nächsten Monaten weiter ausbreitet.