Corona-Aerosole

Neue Studie beginnt: Warum gibt es Superspreader?

Stand
Autor/in
Annegret Faber
Onlinefassung
Julia Otto

Es gibt Menschen, die produzieren besonders viele Aerosole. Forschende aus Magdeburg wollen nun erforschen, warum manche Personen zu Superspreadern werden und besonders viele andere anstecken.

Aerosole sind winzige Blasen, die in unseren Atemwegen entstehen. Wenn wir ausatmen, gelangen sie nach draußen und zerplatzen. So gelangen nanogroße Partikel in die Luft, darunter auch das Coronavirus. Einige Menschen geben mehr Aerosole nach außen ab als anderen. Ein Forschungsteam in Magdeburg will jetzt herausfinden, was die Gründe sind.

Das Forschungsprojekt heißt „Aerosolentstehung in der Lunge und Einkapselung von Viren“ und ist jetzt gestartet. Die Magdeburger Forscherinnen und Forscher wollen mit einer Kamera aufnehmen, wie Aerosole, also diese winzigen, für das menschliche Auge nicht sichtbaren Bläschen entstehen und dann aus unserem Mund heraus kommen. Sollten sie das schaffen, wäre die Frage beantwortet, wieso es Superspreader gibt.

Aerosole spielen bei der Übertragung von Coronaviren eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Aerosole spielen bei der Übertragung von Coronaviren eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Was sind Superspreader?

Doch beginnen wir von vorn. Was überhaupt ist ein Superspreader? Fabian Denner, Juniorprofessor für Verfahrens- und Systemtechnik, sieht das so:

"Ein Superspreader ist jemand, der viele Mitmenschen anstecken kann, zum Beispiel in Berufsgruppen, die viel mit Menschen in Kontakt sind. Wenn ich dort eine infizierte Person habe, hat die das Potenzial zum Superspreader zu werden und dann eine große Anzahl von Menschen zu infizieren."

Gibt es Menschen, die beim Ausatmen besonders viele Aerosole von sich geben und damit potentiell ansteckender sind als andere? Das wird von Forschenden aus Mageburg derzeit untersucht.
Gibt es Menschen, die beim Ausatmen besonders viele Aerosole von sich geben und damit potentiell ansteckender sind als andere? Das wird von Forschenden aus Mageburg derzeit untersucht.

Wer wird zum Superspreader?

Auf das Phänomen der Superspreader stießen erstmals chinesische Forscher Ende 2020, erklärt die Biologin Heike Walles, die ebenfalls an der Magdeburger Studie beteiligt ist.

"Das sind einfach empirische Beobachtungen, die man im Rahmen der Pandemie gemacht hat und die haben am Anfang die Beobachtung gemacht, wenn Leute in einem Kaufhaus sind, dass es dann  unterschiedlich starke Belastungen gibt. Und so ist man darauf gekommen, dass eben nicht jeder Mensch gleichviele Aerosole von sich gibt."

Damit war der Superspreader geboren. Mittlerweile gibt es auch Studien die bestätigen, dass einige Menschen besonders viele Aerosole mit Sars-CoV-2 Viren ausatmen. Die Ursachen liegen allerdings noch im Dunkeln. Es gibt Vermutungen, dass das mit der Form der unterschiedlichen Atemwege zusammenhängen könnte, die bespielsweise sehr dick oder sehr dünn sein könnten, aber Genaueres dazu wisse man nicht. Heike Walles vergleicht das Superspreader-Phänomen mit einem Sonnenbrand. Der eine bekommt einen, der andere nicht. Durch die Tönung der Haut könne man das aber sehen, bei Aerosolen sei das schwieriger. Und das mache es so kompliziert.

Aerosole lassen sich gut bei kalter Witterung beobachten. Potentiell gefährlich sind sie eher in Innenräumen.
Aerosole lassen sich gut bei kalter Witterung beobachten. Potentiell gefährlich sind sie eher in Innenräumen.

Eines ist bekannt: Superspreader sind meist infizierte Menschen mit hoher Viruslast. Aber nicht jeder Infizierte ist gleichzeitig ein Superspreader, sagt der Physiker Claus-Dieter Ohl, der ebenfalls an der Magdeburger Studie beteiligt ist: Es gebe den  einfachen Entstehungsmechanismus. Durch Husten oder Niesen könnten große Tropfen entstehen, die seien aber nicht gefährlich. Die könnten mit einer einfachen Maske abgehalten werden.

Gefährlich seien die kleinen Tröpfchen seien, die groß genug sind, um ein Virus zu verpacken, aber so klein, um mit der normalen Luft transportiert zu werden. Wie genau diese kleinen Tröpfchen entstehen, sei noch nicht ganz verstanden, aber wahrscheinlich sei es beim Atmen.

Künstliche Lunge und obere Atemwege sollen nachgebaut werden

Aber nur wahrscheinlich. Die Magdeburger wollen es genau wissen und haben folgenden Plan: Biomedizinerin Heike Walles wird eine künstliche Lunge wachsen lassen – ein Zellhäufchen, so groß wie ein Würfel. Zudem will sie die Luftröhre und die oberen Atemwege im Zellversuch nachbauen. Im Zentrum steht bei all dem ein Flüssigkeitsfilm, der sich auf den Organen unseres Atemsystems bildet: Auf der Lunge, in der Luftröhre, in der Nase.

Aus diesem Film lösen sich die Aerosole heraus und tragen die Viren nach außen, so die Vorstellung der Forscherinnen und Forscher. Diesen dünnen Schleimfilm soll die Zellen selbst produzieren, so, wie es auch im menschlichen Körper geschieht.

Über Laborversuche will man Erkenntnisse darüber gewinen, wie Aerosole im menschlichen Körper entstehen. (Symbolbild)
Über Laborversuche will man Erkenntnisse darüber gewinen, wie Aerosole im menschlichen Körper entstehen.

Und dann wollen sie zuschauen, wie sich aus dem Flüssigkeitsfilm auf den Organen winzige Tropfen, Bläschen lösen, Viren einschließen und dann, theoretisch, aus unserem Mund heraus fliegen. Claus-Dieter Ohl von der Fakultät für Naturwissenschaften:

"Wir haben mit die schnellste Kamera hier in Deutschland in unserer Arbeitsgruppe. Mit der können wir dann mikroskopisch uns solche kleinen Tröpfchen Bewegungen anschauen und zusätzlich, weil zu wenig Licht da ist, brauchen wir auch sehr empfindliche Kameras , um den Partikel zu entdecken."

Die gewonnenen Daten werden dann in Rechenmodelle gesteckt, um in unzähligen Wiederholungen zu erkennen, welche Bedingungen zusammen kommen müssen, damit viele Aerosole entstehen. Damit wäre das Geheimnis der Superspreader gelöst. Mit den Ergebnissen könnte man beispielsweise ein Spray entwickeln, dass die Oberflächenspannung in der Luftröhre so verändert, dass virentragende Aerosole erst gar nicht entstehen, oder wenn sie entstehen, die Lunge nicht verlassen.

Sie hofften, man könne damit Medikamente entwickeln. Man könne aber vielleicht auch was anderes lernen dabei. Wichtig sei bei dieser Forschung, dass es nicht nur für Sars-Cov-2 funktioniere, sondern allgemein für jede aerosol-transmittierte Virusinfektion.“

900.000 Euro stellt die Deutsche Forschungsgemeinschaft für die Studie zur Verfügung. In drei Jahren ist sie abgeschlossen.

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Annegret Faber
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Julia Otto