Fast 70 Prozent des weltweiten Süßwasserbedarfs werden in der Landwirtschaft verbraucht. Das sagen Daten der Vereinten Nationen. Wenn sich dieser Wasserbedarf optimieren, besser steuern oder sinnvoller verteilen ließe, dann wäre das in Zeiten des Klimawandels mit zunehmenden Dürren oder Trockenperioden in vielen Regionen natürlich eine großartige und sehr hilfreiche Sache.
Ein Start-up-Unternehmen aus Freiburg will dazu künftig einen wichtigen Beitrag leisten und zwar aus dem Weltall. Das Unternehmen ConstellR ist eine Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, das ist das Ernst-Mach-Institut in Freiburg. ConstellR hat spezielle Satelliten entwickelt, die dabei helfen sollen, den Wassereinsatz in der Landwirtschaft effizienter und sparsamer zu gestalten.
Martin Gramlich im Gespräch mit Marius Bierdel, einem der Gründer von ConstellR.
Wie können Landwirte mithilfe Ihrer Satelliten Wasser sparen? Was ist die Grundidee?
Da müssen wir vielleicht erst einmal schauen, wie überhaupt unsere Satelliten funktionieren und was wir da eigentlich machen. Letztendlich entwickeln wir unsere eigenen Satelliten, die ungefähr die Größe eines Kühlschranks haben. Man muss dazu sagen, von einem deutschen und nicht von einem amerikanischen Kühlschrank. Und was an Technik an Bord ist, ist eine Thermalinfrarotkamera. Und das, glaube ich, kennen viele Leute auch aus der Werbung oder aus irgendwelchen Fernsehsendungen, wenn es darum geht, zum Beispiel die Wärme-Güte von Häusern zu bewerten. Rote Punkte sind da Wärmebrücken und blaue Punkte stellen gut isolierte Punkte dar.
Genau die gleiche Technologie benutzen wir auch auf unseren Satelliten, um die Oberflächentemperatur der Erde zu bestimmen. Und ganz konkret auch für die Agrarflächen, die uns interessieren. Die Temperatur ist eine der sehr, sehr wichtigen Variablen, um den Wasserbedarf der Pflanzen zu bestimmen.
Das kann man sich ungefähr so vorstellen: Wenn es warm ist und wir Sport machen, dann schwitzen wir natürlicherweise. Und das führt dazu, dass auf unserer Haut der Schweiß dafür sorgt, die Temperatur zu regulieren. So können wir weiter Sport machen. Wenn wir uns jetzt einen warmen Sommertag vorstellen, da nutzen die Pflanzen einen ähnlichen Mechanismus. Sie nehmen das Wasser aus dem Boden und können es über ihre Blätter verdunsten lassen. Dadurch regulieren sie den Temperaturhaushalt. Wenn jetzt aber nicht mehr genug Wasser im Boden ist, dann verlöscht zum einen der stream of nutrition, also der Nährstoffstrom. Und auch die Temperaturregelung funktioniert dann nicht mehr.
Das heißt, diesen Anstieg an Temperatur, der dann da ist, den können wir aus dem Weltall tatsächlich monitoren. Das wiederum versetzt uns in die Lage, Wochen vorher, bevor das sichtbar ist, wirklich den Wasserstress sichtbar zu machen. Wir können das mit unserer Technologie begreifen und dann auch Handlungsanweisungen an die Landwirte geben, die wiederum zum Beispiel bewässern, um etwaigen Schaden von den Feldern abzuwenden oder dann auch Erträge zu steigern und zu maximieren. Das ist die Grundidee.
Es gibt schon diverse Wettersatelliten oder andere Projekte der Erdbeobachtung. Was machen die ConstellR Satelliten anders oder besser? Oder ist es dann nur detaillierter?
Genau, es gibt natürlich große ESA- und NASA-Missionen, die das können. Die kosten einige hundert Millionen Euro bis zu 800 Millionen Euro. Und der Nachteil ist da einerseits, dass es zeitlich sehr große Abstände zwischen den Datenpunkten gibt. Das heißt, ich kann alle 14 Tage Daten der Temperatur meines Feldes, was mich interessiert. Oder es ist sehr, sehr grob aufgelöst. Das heißt: ein Pixel ist bis zu einem Kilometer groß. Das ist natürlich etwas, was für ein Feld in Europa einfach nicht genügend Auflösung bietet. Und diese beiden Variabeln - einmal diese zeitliche Auflösung, aber auch die räumliche Auflösung - sind unglaublich wichtig, wenn es darum geht, Daten zu erheben. Unsere Technologie ermöglicht genau das.
Das heißt, wir können Daten liefern, die zum einen räumlich sehr gut aufgelöst sind. Ein Pixel ist bei uns nicht ein Kilometer groß, sondern unter 50 Metern. Und wir können täglich Daten liefern. Das ist das Ziel unseres Systems. Wir haben bereits jetzt ein System auf der ISS getestet, welches im Februar 2022 gestartet ist. Da haben wir bis zu zehn Millionen Szenen aufgenommen und konnten unsere Technologie demonstrieren.
Wie viel Einsparpotenzial sehen Sie mit dieser Technik an Wasser? Das wird ja tatsächlich zunehmend ein knapperes Gut.
Wenn wir mit unseren Kunden sprechen, dann gehen die von einem Einsparpotenzial von bis zu 40 Prozent aus. Das ist die Information, die wir aus der Wirtschaft über unsere Daten bekommen. Und das ist natürlich das, was immer wichtiger wird. Zum Beispiel gehen auch große Konzerne wie Bayer davon aus, dass wir in drei Jahren mit der gleichen Intensität wie wir momentan in der Gesellschaft über CO2 Emissionen sprechen, auch über Wasserknappheit sprechen werden.
Sie haben einen ihrer Mikrosatelliten jetzt auf der ISS getestet. Das war der Versuch für einen Regelbetrieb. Wie kommen die ConstellR Satelliten ins All?
Wir werden zunächst im Juni 2024 zwei Satelliten in den Orbit schicken. Die werden mit einer SpaceX-Rakete in den Orbit transportiert. Dabei handelt sich um einen sogenannten "piggyback ride", so nennt man das in der Raumfahrt. "Huckepack" ist das deutsche Wort dafür. Huckepack mit anderen Satelliten, die auch ins Weltall möchten, da fliegen wir mit und werden dann auf dem richtigen Orbit ausgesetzt. Idealerweise auf dem, den wir vorher definiert haben.
Viele Landwirte weltweit, vor allem im sogenannten globalen Süden kommen mit ihrer Arbeit gerade so über die Runden. Wie können die ihre Angebote von ConstellR oder diese Daten nutzen? Oder ist es zunächst etwas für die große industrielle Landwirtschaft?
Genau, das ist natürlich eine sehr, sehr spannende Frage. Da muss ich vorab dazu sagen, wenn wir jetzt ganz konkret auch über zum Beispiel Entwicklungsländer reden und auch Landwirte in Entwicklungsländern, dann ist es natürlich so, wie sie es gerade gesagt haben. Die haben nicht die gleichen finanziellen Kapazitäten wie das zum Beispiel Landwirte in Europa haben. Das ist Fakt.
Wenn wir uns aber anschauen, wie das momentan abläuft, wenn zum Beispiel Informationssysteme für die Landwirte bereitgestellt werden, mithilfe von kommerziellen Satellitendaten, die es momentan auch schon gibt, dann sind das sehr, sehr teure Produkte. Und das liegt unter anderem auch daran, dass eben die kommerziellen Satellitendaten sehr, sehr teuer sind.
Was wir vorhaben, ist tatsächlich unsere Daten anzubieten mit einem Preis von einigen wenigen Euros pro Hektar pro Jahr. Das ist also ein signifikanter Unterschied zu dem, was wir bisher sehen. Das kommt daher, dass unserer Technologie, die wir entwickelt haben, auch zulässt, diese Preise in den Markt zu geben. Es stimmt aber auch, dass wir natürlich nicht mit den besseren und günstigeren Daten auf einmal die Armut der Landwirte in Dritte-Welt-Ländern abhalten. Das ist natürlich ein größeres Thema, was auch zum Beispiel ein großes Anliegen ist, warum wir auch mit der FAO (der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) zusammenarbeiten, um genau das anzugehen.
Sie haben gesagt, dass es erst einmal mit nur zwei Satelliten los geht. Wie viele werden irgendwann nötig, um wirklich weltweit Bauern zu unterstützen und den Wasserverbrauch in der Landwirtschaft effizienter zu steuern?
Wir werden schon mit vier Satelliten täglich Daten liefern können. Das sollte 2025 der Fall sein, dass wir die Möglichkeit haben, wirklich täglich Daten für bestimmte Bereiche auf der Erde zu liefern. Das heißt, unsere Satelliten arbeiten im sogenannten tasking mode. Wir können also bestimmen, wo die Satelliten hingucken und haben eine bestimmte Kapazität an Fläche, die wir pro Tag abdecken können. Je mehr Satelliten wir nach oben bringen können, desto mehr Kapazität haben wir dann auch, täglich Daten für andere Bereiche auf der Welt zu liefern.