Folgen des Klimawandels

Studie: Klimastress gefährdet unsere Ernten stärker als gedacht

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Autor/in
Elena Weidt
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Ralf Kölbel

Eine neue Studie der NASA und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung konnte zeigen: Die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Kulturpflanzen und deren Ernten zeigen sich womöglich viel früher und stärker als bislang berechnet wurde.

Die Ergebnisse seien ein Weckruf: "Die Auswirkungen auf die Ernten zeigen sich früher und stärker als wir das bisher gedacht haben", erklärt Klimawissenschaftler Jonas Jägermeyr. Er ist Erstautor der neuen Studie der NASA und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Die veränderten Anbaubedingungen können in einigen Regionen zu erheblichen Ernteverlusten führen, wenn sich der Trend der globalen Erwärmung so fortsetzt.

Landwirte und Landwirtinnen weltweit müssten sich demnach schon innerhalb des nächsten Jahrzehnts auf eine neue Klimarealität einstellen, um die Ernten zu sichern. Auch andere Wissenschaftlerinnen sind alarmiert:

Ich denke schon, dass wir uns in naher Zukunft überlegen müssen, wie bekommen wir genug Essen auf den Teller,

warnt Juniorprofessorin und Pflanzenforscherin Sandra Schmöckel von der Universität Hohenheim. Denn Wetterextreme nehmen zu: Dürren, Hitze, Starkregen, Überflutungen und Spätfröste machen den Pflanzen immer mehr zu schaffen. Wie man auch in Deutschland im Dürrejahr 2018 oder an den schweren Überflutungen in diesem Jahr beobachten konnte.

Deutliche Ernte-Rückgänge sind zu befürchten

Zwei Jahre lang berechnete das Team um Jägermeyr anhand modernster Klima- und Erntemodelle, wie die weltweit wichtigsten Kulturpflanzen - Mais, Weizen, Reis und Soja - auf die Folgen des Klimawandels reagieren. Für jede Nutzpflanze machten sie 240 Simulationen und erstellten eine Art digitales Gewächshaus, anhand dessen die Wissenschaftler modellieren können, wie die Pflanzen auf veränderte Temperaturen und Niederschläge in Zukunft reagieren.

Wir sehen, dass für Mais die Auswirkungen dramatisch sind. Viel stärker als man das vorher gedacht hat. Und eigentlich über alle Regionen hinweg.

Vertrockneter Mais auf einem Feld
Mais ist eine beliebte Futterpflanze für uns Menschen und für viele Tiere. Besonders er wird in Zukunft von den klimatischen Veränderungen betroffen sein.

Bei Weizen hat der Klimawandel unterschiedliche Folgen

Bei Mais könnten sich bereits in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren deutliche Rückgänge zeigen. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte die Ernte in einigen Regionen sogar um fast ein Viertel zurückgehen. Und Mais ist mit Blick auf die Produktionsmengen derzeit das wichtigste Getreide weltweit und in vielen Regionen entscheidend für die Ernährungssicherheit.

Bei Weizen, sagt Jägermeyr, sei das anders. Es gebe Regionen, wo der Klimawandel die Erträge reduziert, aber in höheren Breiten auch Gewinne hervorrufen könne.

Doch hier zeigt sich dann ein anderes Problem. Die steigenden CO2-Emissionen lassen zwar einerseits den Weizen schneller wachsen, andererseits kann so aber auch der Nährstoffgehalt sinken, womit nicht viel gewonnen wäre, erklärt Jägermeyr. Dass die Ergebnisse schlechter seien als bisher angenommen, liege an den neuesten Klima- und Erntemodellen, die pessimistischer und akkurater seien als vorherige.

Weizen auf dem Feld
Der Weizen in Deutschland gilt in Zukunft zumindest weitestgehend als resistent.

Klimaresistente Pflanzen könnten eine Lösung sein

An dieser Stelle kommt Pflanzenphysiologin Sandra Schmöckel ins Spiel. Sie will Pflanzen züchten, die das Wetter in Zukunft aushalten. Noch gebe es aber zu wenige davon. Schmöckel holt sich dafür Pflanzenarten aus aller Welt ins Hohenheimer Gewächshaus.

Wie zum Beispiel die etwas buschiger aussehende robuste Wildgerste. Sie kommt aus dem Mittleren Osten und gut mit Wassermangel klar, weswegen die Wissenschaftlerin sie dann mit deutschen Hochleistungsgersten kreuzt. Ziel ist es: resistente Pflanzen zu haben, die aber dennoch viel Ertrag bringen. Auch mit Mais und Weizen wird das so in Hohenheim gemacht.

Wildgerste
Forscher*innen konnten durch Kreuzungen mit Wildsorten neue Gerstenlinien züchten. Diese sind deutlich resistenter.

In der Züchtung hätte man zu lange einseitig nur auf den maximalen Ertrag geschaut. Davon wendet sich Schmöckels Forschung jedoch ab.

Das heißt, selbst wenn mal kein gutes Jahr ist und wir haben Überflutung und Trockenstress, dass die Pflanzen in der Lage sind, trotzdem hohe Erträge zu bringen und somit sicherstellen können, dass wir Nahrungsmittel herstellen können.

Tropische und subtropische Regionen sind stärker betroffen

Wie man die Erträge und damit die Nahrung sicherstellen kann, dafür wurde in Hohenheim ein extra Forschungsfeld geschaffen, das Schmöckel leitet. Besonders betroffen von künftigen Ernteausfällen sind laut der neuen Studie zwar tropische und subtropische Regionen. Aber und das betont Klimaforscher Jägermeyr: Auch Deutschland werde die Folgen spüren. Die Auswirkungen seien allerdings etwas gemäßigter als in anderen Gebieten, wie den westlichen Teilen der USA, Zentralasien oder Afrika, wo die Auswirkungen voll zuschlagen würden.

Ein trockener, rissiger Boden auf dem Feld
Immer öfter kommt es zu längeren Trockenperioden und gleichzeitig hohen Temperaturen. Das wirkt sich negativ auf die Böden und Ernte aus.

In Deutschland könnten sich Landwirte zudem auch anders auf die Wetterextreme vorbereiten und sie abpuffern als ein Farmer in Afrika, der unter anderem weniger finanzielle Möglichkeiten habe, sagt Jägermeyr.

In Deutschland wird keiner verhungern, wenn die Maiserträge um 10 oder 15 Prozent zurückgehen, aber es wird massive Auswirkungen auf den Markt haben.

Denn die Ernährungssicherheit basiert auf einem globalisierten System. Wird irgendwo die Ernte knapp oder horten Länder Vorräte, kann das massive Auswirkungen auf den Handelsmarkt haben, wie man jüngst am explodierenden Weizenpreis beobachten konnte. Und auch Deutschland hat zum Beispiel im Dürrejahr 2018 aufgrund schlechter Ernten nach langer Zeit wieder Weizen zukaufen müssen.

Einsatz exotischer Kulturpflanzen wie Quinoa

Um das Risiko in Zukunft besser verteilen zu können, geht die 36-Jährige Schmöckel auch ungewöhnliche Wege: Sie will die Deutschen auch von eher exotischen Kulturpflanzen überzeugen. Wie beispielsweise von verschiedenen weiße oder braune Quinoasorten, deren Klimaresistenz erforscht wird. Am Anfang sähen die Quinoa-Pflanzen noch sehr unscheinbar aus, würden aber bis zu einem Meter hoch, hätten schöne Blüten und produzierten viele Samen, erklärt die Forscherin.

Rispen von reifem Quinoa
Quinoa kommt ursprünglich aus fernen Ländern, vor allem aus Südamerika. Doch mittlerweile kann das Quinoa Korn auch in Mitteleuropa angebaut werden.

Quinoa stammt aus den Anden und wird auch Pseudo-Getreide genannt, weil es botanisch eigentlich woanders eingeordnet, aber wie Getreide verwendet wird und reisähnlich ist. Quinoa habe in Europa gute Chancen, weil er gut gegen Hitzestress, Kältestress und Trockenstress geeignet sei.

Züchtungsprozess muss schneller werden

Bei anderen Sorten sei es schwieriger, betont Schmöckel. Die Wissenschaftlerin muss deswegen den klassischen Züchtungsprozess beschleunigen, der etwa 15 Jahre dauert. So viel Zeit bleibt vielleicht nicht. Mais ist zum Beispiel empfindlicher gegenüber Wassermangel: Die Forschenden sehen dann, ob bestimmte Gene wie das „Trockenstresstoleranz-Gen“ vorhanden ist und züchten mit diesen Pflanzen weiter.

Mit Gentechnik würden wir definitiv schneller sein als mit der klassischen Züchtung, wahrscheinlich müsste man beides kombinieren.

In Deutschland werden allerdings keine gentechnisch veränderten Pflanzen kommerziell angebaut. Es gibt ein „Anbauverbot“.

Die Sonne scheint auf ein Maisfeld
In Zukunft müssen auch in Deutschland neue Strategien entwickelt werden, da die Klimaveränderungen schon heute einen großen Einfluss auf unsere Ernten haben.

Wie wichtig Schmöckels Arbeit ist und auch das, was die Landwirte heute schon tun beim Kampf gegen die Folgen des Klimawandels, betont auch Klimawissenschaftler Jägermeyr.

Landwirtschaftliche System muss umgestellt werden

Das landwirtschaftliche System muss nach und nach umgestellt und angepasst werden. Hier gibt es bereits viele Strategien: Man kann den Zeitpunkt der Aussaat verändern, Sorten entsprechend züchten oder ganz andere Pflanzen aussähen wie eben Quinoa. Aber auch intelligentere Bewässerungssysteme oder der großflächige Einsatz von Kompost, um den Boden fruchtbarer zu machen, können Lösungen der Zukunft sein, um Ernten stabil zu halten oder um im Falle von Weizen sogar Gewinne erzielen zu können.

Diese Anpassungsmöglichkeiten hätten sie in ihrer aktuellen Studie noch nicht mit einrechnen können und wollen sie nun nachholen, sagt Jägermeyr.

Deutschland ist zwar aufgrund seines „gemäßigten Klimas“ weniger stark von Naturkatastrophen betroffen als andere Länder. Doch die Dürre 2018 oder der heftige Starkregen in diesem Jahr zeigen: Sichere Ernten sind auch hier keine Selbstverständlichkeit mehr. Es wird also darauf angekommen, wie gut und schnell wir uns an die veränderten Bedingungen anpassen können. Aber auch wie gut die Welt gemeinsam auf die Herausforderungen reagieren wird.

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Elena Weidt
Bild von Elena Weidt, Multimedia-Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell
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Ralf Kölbel