SWR2 Impuls-Moderatorin Christine Langer sprach mit dem Astrophysik-Professor Michael Kramer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
Es sieht aus wie mehrere riesige Felder glänzender Weihnachtsbäume, mitten im roten Outback von Australien - zumindest wenn es einmal fertig ist: das Square Kilometre Array Observatorium, abgekürzt SKAO.
Es soll das größte Teleskop der Welt werden, mit dem wir in Zukunft ins All lauschen. "Square Kilometer" heißt das Teleskop deswegen, weil die Fläche fast einen Quadratkilometer groß werden soll. Anfang Dezember 2022 war nach jahrzehntelanger Planung endlich offizieller Baubeginn.
Was auf den Illustrationen aussieht wie Weihnachtsbäume, das sind Antennen. Tausende davon werden in den kommenden Monaten und Jahren in abgelegenen Gegenden in Australien und auch in Südafrika aufgebaut und dann zum Superteleskop zusammengeschaltet.
Was sind das für "Weihnachtsbaum-Antennen"?
Prof. Michael Kramer: Das sind im Wesentlichen wirklich Antennen, die über eine relativ großen Frequenzbereich die Radiostrahlung aus dem All anschauen wollen , insbesondere die Radiostrahlung von den Frühzeiten des Universums. Das Universum dehnt sich aus, und damit verschiebt sich die Frequenz zu immer niedrigeren Frequenzen, größeren Wellenlängen. Und wenn man daher weit in die Vergangenheit schauen möchte, muss man es bei niedrigen Frequenzen tun. Und dafür sind die Antennen gedacht.
Warum braucht man da so viele Antennen? 130.000 sollen es wohl werden?
Prof. Michael Kramer: Aufgrund der Empfindlichkeit. Wir wollen herausfinden, wie die ersten Sterne und Galaxien entstanden sind. Das Universum war nach dem Urknall sehr heiß, kühlte dann aber ab und war im Prinzip sternenlos. Erst dann hat sozusagen die Gravitation angefangen, das Material, den Wasserstoff zu verklumpen. Irgendwann sind die ersten Sterne entstanden, und diese Sterne haben dann angefangen, zu strahlen und den Wasserstoff zu ionisieren, wie wir das nennen. Und dieses Signal, dass man bei sehr niedrigen Radiofrequenzen erwartet, wollen wir mit dem SKA studieren.
Wir würden also praktisch mit dem Instrument uns anschauen, wie aus dem gewöhnlichen Wasserstoff nach dem Urknall die Faszination der Galaxien und Sterne und schwarze Löcher und alles entstanden ist, wie wir sie heute sehen. Wir wollen also versuchen zu verstehen: Wie ist das Universum von dem Wasserstoff nach dem Urknall dahin gekommen, wie wir es heute sehen?
Was ist der Unterschied von einem Radioteleskop zu einem normalen Teleskop?
Prof. Michael Kramer: Mit einem normalen Teleskop meinen wir normalerweise ein optisches Teleskop. Mit diesem können wir Frequenzen beobachten, die wir mit dem menschlichen Auge am besten sehen können. Also zum Beispiel auch sichtbares Licht, das ist aber nur ein kleiner Teil des elektromagnetischen Spektrums.
Oberhalb, also bei größeren Frequenzen kommt nach dem sichtbaren Licht UV- (ultraviolette), Röntgen- und noch eventuell Gammastrahlung. Unterhalb des sichtbaren Lichts, also bei niedrigerer Frequenz kommt der Infrarotbereich und dann eventuell auch der Radiobereich.
Das heißt, wir schauen uns auch Licht an, aber eben Licht bei einer anderen Wellenlänge und einer anderen Frequenz. Und da braucht man andere "Augen". Also würden wir "Radio-Augen" haben, dann würde das Universum für uns ganz anders aussehen als mit unseren sichtbaren Augen.
Und den Ursprung des Universums können Sie nur mit diesen Radioteleskopen erforschen?
Prof. Michael Kramer: Genau. Es gibt keine andere Methode, diese Wellen tatsächlich sichtbar zu machen beziehungsweise zu messen, zu vermessen und damit das Signal zu suchen, um zu schauen, wie das Universum sich entwickelt hat.
Es gibt viele Objekte, die man nur im Radiobereich beobachten kann, zum Beispiel Radiopulsare oder das Licht von Schwarzen Löchern.
Wie alle Astronomen versuchen wir das gesamte Bild des Universums zusammenzuführen. Und da ist Radiolicht ein sehr wichtiger Bestandteil.
Und wie viel besser wird dieses neue Radioteleskop sein, im Vergleich zu dem, was wir bisher schon in dem Bereich haben?
Prof. Michael Kramer: In dem Bereich wird das Teleskop ungefähr zehnmal so empfindlich sein, verglichen mit dem, was wir momentan haben. Das Teleskop hat auch noch einen zweiten Teil, der aus schüsselartigen Antennen besteht, die in Südafrika aufgebaut werden. Da wird der Empfindlichkeitsfaktor nicht ganz so groß sein. Aber im Endausbau, wenn wir in der Zukunft diese Quadratkilometer großen Empfangslöcher haben, dann wird das Teleskop bis zu hundertmal empfindlicher sein als das, was wir momentan haben.
Und die Teile in Australien und Südafrika werden dann zusammengeschaltet?
Prof. Michael Kramer: Nicht unbedingt, weil wir uns verschiedene Frequenzbereiche anschauen wollen, welche sich nicht sehr viel überlappen. Man muss das nicht unbedingt zusammenschalten. Man kann es machen.
Man kann sich gleichzeitig dieselben Objekte schauen. Wenn zum Beispiel etwas explodiert oder sich was verändert, dann kann man da mit den beiden Teleskopteilen gleichzeitig hinschauen. In der Regel ist aber vorgesehen, dass die beiden Teleskope parallel zueinander arbeiten.
Warum ist es für Astronomen so interessant, so weit in die Vergangenheit unseres Universums zu gucken?
Prof. Michael Kramer: Zum einen, weil wir verstehen wollen, wie das Universum sich entwickelt hat. Es gibt viele Sachen, die wir noch nicht wirklich verstehen. Wir wissen zum Beispiel, dass das Universum nur aus fünf Prozent aus der "normalen" Materie besteht. Ein großer Anteil besteht aus dunkler Materie, die wir wirklich nur über die Wechselwirkungen in der Schwerkraft entdecken können. Und 70 Prozent des Universums bestehen aus der sogenannten Dunklen Energie, einer Kraft, die das Universum auseinandertreibt. Und wenn man verstehen möchte, womit das Universum angefüllt ist, muss man wirklich verstehen, wie das Universum sich entwickelt hat.
Nach dem Urknall gab es zum Beispiel auch diese Episode der Inflation, bei der das Universum sich sehr stark ausgedehnt hat. Und dann wurde es wieder langsamer in der Ausdehnung. In der jüngsten Vergangenheit dehnt es sich wieder stärker aus, aufgrund dieser dunklen Energie.
Und wir wissen bis heute nicht: Was ist die dunkle Energie? Was ist die dunkle Materie? Sind die Gravitationsgesetze in der Relativitätstheorie von Albert Einstein korrekt oder nicht? All das sind Fragen, die wir noch nicht beantworten können. Und da wird das Teleskop sehr hilfreich sein, uns der Antwort zumindest näher zu bringen.
Die Regionen, in denen die Antennen gebaut werden, die zählen zu den abgelegensten Orten der Welt. Warum muss dieser Standort so abgelegen sein?
Prof. Michael Kramer: Wenn Sie ein empfindliches Teleskop haben, dann fangen sie natürlich auch viele andere Signale mit auf, wie zum Beispiel Handysignale, WiFi, Bluetooth, Radiosender. All diese wunderbaren Signale, die wir praktisch im täglichen Leben benutzen, uns daran gewöhnt haben.
Und wenn man sich vorstellt, wenn Sie ein Mobiltelefon auf dem Mond positionieren würden, dann wäre selbst in der Entfernung Erde-Mond, das Mobiltelefon, die drittstärkste Radioquelle im Himmel. Und normalerweise sind die Quellen, die wir uns anschauen wollen, wie zum Beispiel auch die Signale vom frühen Universum eine Milliarden Mal schwächer. Und da müssen Sie dann schon in Regionen gehen, wo es eben wenig Zivilisation gibt. Und in der Tat, beide Standorte, der in Australien wie auch der in Südafrika, sind in sogenannten radiostillen Zonen. Da ist es per Gesetzgebung verboten, Radiosender aufzustellen.
Wann rechnen Sie mit den ersten Daten?
Prof. Michael Kramer: Ich denke, 2027 werden die ersten Antennen so weit in Betrieb sein, dass wir die Daten bekommen. Aber ich bin da recht gelassen, weil wir sind als Institut, als Max-Planck-Gesellschaft auch beim Vorgänger-Teleskop in Südafrika sehr stark involviert.
Wir liefern da schon für Instrumente Detektorempfänger. Und das Mega-Teleskop wird der innere Kern, die ersten 64 Antennen dieses SKA werden.
Außerdem ist das SKA ein besonderes Teleskop, mit dem man praktisch schon arbeiten kann, während es noch im Bau ist. Ich weiß, dass ich jetzt nicht bis zum vollkommen Bauende warten muss, um die ersten Daten zu sehen. Und so gesehen freue ich mich riesig darauf, dann diese Daten auch zu Gesicht zu bekommen.
Es ist tatsächlich ein Bauprojekt gewesen, das von der Community, also von der Astronomie-Gemeinschaft erdacht worden ist. Es hat sich also jetzt keiner hingesetzt nach dem Motto: was können wir als Nächstes bauen, sondern es wurde wirklich gefragt, welche Empfindlichkeit brauchen wir, um bestimmte Fragestellungen zu beantworten?
Es soll ein Observatorium werden, das so flexibel ist, dann auch auf andere neue Fragestellungen Antworten zu finden.